Macht des Wortes

Kurzgeschichte zum Thema Horror

von  RainerMScholz

Er nahm dem Anderen die Augenbinde ab und der blinzelte in das dumpfe Licht eines leeren Lagerraumes, ein Speichelfaden tropfte von seinem Kinn. Der Andere war auf einen simplen Campingstuhl aus Plastik gefesselt, die Hände auf dem Rücken geknebelt und die Beine an den Stuhlverstrebungen fixiert. Er brachte seinen Kopf ganz nah an den des Anderen.

Du weißt doch, wer ich bin, oder?!“, schrie er ihn an.

Du weißt es doch.“

Nein, ich, was, wo bin ich?“

Du weißt doch, wer ich bin.“

Nein, wo bin ich?“, kam ein Stammeln aus seinem Mund.

Der Andere versuchte seinen Kopf wegzudrehen. Er zerrte ihn an den Haaren wieder ganz nah vor sein Gesicht.

Du weißt doch, wer ich bin.“

Nein.“, schrie der Andere.

Du weißt, was du getan hast. Und dass das unentschuldbar ist.“

Nein,“, schrie der Andere verzweifelt, „was...“

Halt dein Maul.“

Er ging in den hinteren Bereich des Raumes, den der Andere nicht einsehen konnte, und zerrte geräuschvoll eine schwere Werkzeugkiste hervor, schleifte sie über den Betonboden und ließ sie scheppernd vor dem Anderen niederfallen.

Hier drin sind alle Antworten.“

Er schloss die Metallkiste auf, ließ die Kette zu Boden gleiten und entfaltete die Fächer.

Hier drin ist alles, was wir brauchen werden.“

Aber ich weiß doch nichts. Ich habe nichts getan, bitte, lassen sie mich gehen.“

Hier sind alle Antworten.“

Er hob einen schweren Gummihammer zum Niederschlagen von Zeltheringen heraus, einen rostigen alten Fuchsschwanz mit krummen Zähnen und einen langen, kantigen Kreuzschraubenzieher und warf alles zu Füßen des Anderen.

Aber ich war es doch nicht,“, seine Augen weiteten sich noch mehr, „ich habe es doch nicht getan, weil, es war, ich konnte doch nicht...“

Siehst du da den Tisch?“, fragte er den Anderen, indem er mit dem Finger auf einen wackligen, ehemals weißen Resopaltisch deutete, auf dem ein Gasbrenner und eine große Konservendose 'Serbische Bohnensuppe' standen.

Hinterher bekomme ich bestimmt Hunger. Und dann schneide ich deine Augen mit,“, er suchte auf dem Tisch, „hier, mit dem stinknormalen Suppenlöffel schneide ich deine Augen aus deiner Fresse heraus und tue sie in die Suppe. Und die esse ich dann, während du noch lebst. Vielleicht gebe ich dir sogar etwas ab.“

Aber ich habe es nicht getan. Es war nicht meine Absicht...“

Aber vorher, als Hors d`hoeuvre, schneide ich dich hier auf,“, er zerrte das durchgeschwitzte Hemd des Anderen hoch und drückte mit dem Finger in seine rechte Seite, „mit dem Teppichmesser, hier, das abgebrochene, und dann nehme ich mir von deiner Leber ein Stück, oder hier,“, er griff nach seiner hinteren Rückenpartie und sah ihm in die Augen, „ein Stück Niere. Aber keine Angst, das wird alles schon wieder, vorläufig jedenfalls, das wird alles schön mit Mull zugepackt, dass du mir nicht vorzeitig ausläufst.“

Der Andere schrie. Er drückte ihm mit der Handfläche den Mund zu.

Hier hört dich niemand. Du weißt schon, wie du es gemacht hast.“

Ich wollte es doch nicht.“

Die Stimme des Anderen klang verwaschen hohl, als hätte er Teile seiner Zunge verschluckt.

Wir sind noch längst nicht fertig. Mit dem Fuchschwanz“, er klopfte ihm mit dem Blatt an den Schenkel,“ schneide ich deine Füße ab, kauterisiere die Stümpfe mit dem Brenner, und wenn du wieder bei Bewusstsein bist...“

Der Andere verlor die Gesichtsfarbe, seine Lippen färbten sich violett, die Adern an den Schläfen pulsierten stark, er erbrach ein wenig Gallenflüssigkeit.

He, wach auf!“

Er schlug den Anderen mit der flachen Hand ins Gesicht.

He, na also, geht doch. Mit deinen abgeschnitten Füßen verprügele ich dich, bis du grün und blau bist, verstehst du. He, wach auf! Und dann stecke ich dir deine knorpeligen Quadratlatschen so tief hinten `rein, dass sie kein Mensch mehr finden wird, während du auf deinen Stümpfen im Kreis läufst. Und dann...“

Der Andere kollabierte abermals.

He, he, aufwachen!“

Er sah auf den Anderen herunter. Sein Kopf hing zur Seite. Er versuchte, seinen Puls an der Halsschlagader zu fühlen. Er bückte sich, um das Werkzeug zurück in die Kiste zu räumen und die Kiste zurück in die Ablage.

Bei Dunkelheit setzte er den Anderen auf eine Bank im Park, zog ihm eine Kappe über den Schädel und legt ihm eine Zeitung in den Schoß. Es war eine stille Nacht im November gewesen, von der keiner zu sagen gewusst hätte, wie sie vorüber gegangen ist.



© Rainer M. Scholz



Möchtest Du einen Kommentar abgeben?
Diesen Text kommentieren

Kommentare zu diesem Text


 Dieter_Rotmund (26.05.23, 16:27)
Hinweis:
"Häringen"

 RainerMScholz meinte dazu am 26.05.23 um 17:00:
Da ist`s auch schön.
Danke.

 Dieter_Rotmund antwortete darauf am 26.05.23 um 17:03:
:D

 AngelWings (26.05.23, 16:40)
Gehört jetzt zum Devils bote! 
Das Anfang nie mit Opfer gesprochen hat, es später hat sein stimmt mit Records, verschleicht.

 Dieter_Rotmund schrieb daraufhin am 26.05.23 um 17:05:
Des verschlungen werden, manchmal niemals Tütenmilch absurd, Ralf nötigend.

 AngelWings äußerte darauf am 26.05.23 um 17:26:
Wer ist jetzt Ralf?

 harzgebirgler (27.05.23, 13:46)
die sprache ruft hervor, durchaus auch grauen
und kann eine/n total vom hocker hauen.

grüße,
h.

 RainerMScholz ergänzte dazu am 30.05.23 um 14:11:
den Tag versauen,
und macht
die Katze miauen.
Gruß + Dank,
R.

 AngelWings meinte dazu am 30.05.23 um 16:24:
Und Hund macht Wau Wau! 🤣
Möchtest Du einen Kommentar abgeben?
Diesen Text kommentieren
Zur Zeit online:
keinVerlag.de auf Facebook keinVerlag.de auf Twitter keinVerlag.de auf Instagram