Ich hörte von einem Irrtum

Es war kein guter Tag:
im Briefkasten
lag ein Einschreiben,
dessen Inhalt in etwa Folgendes aussagte:
meine Geburt sei illegal gewesen,
mein Leben unrechtmäßig seit
Jahrzehnten in Anspruch genommen worden,
nächsten Freitag gegen zehn
solle ich im Amt erscheinen
und meinen Odem abliefern,
vorzügliche Hochachtung
gez.
Weber, Lebensinspektor.

Ich genoss noch einmal
den alten Weg an der Pferdekoppel entlang,
abends, als die Strahlen der Sonne
den nahen Wald in ein Meer
aus verschiedenen Lichtschattierungen verwandelte.

Der Ginster leuchtete;
er erinnerte mich an frühe Kindertage,
ich saß mit meiner Schwester
im Wald auf Baumstümpfen
und wir spielten Kinder,
die für immer und ewig im Wald leben mussten.

Ich hörte das Summen vieler verschiedener Insekten.
Und mitten drin im Zirpen und Wispern
hörte ich das Quaken unzähliger Frösche
im nahen Teich: der Abend nahte.
Fern nahm ich den wogenden Feierabendverkehr wahr
und das Muhen einer Kuh,
ein Propellerflugzeug zerteilte den mattblauen Himmel,
ich setzte mich ins Gras
und legte mein Ohr auf die Erde

und hörte
hörte
in mich hinein
in die Erde

in alles zu Hörende

Nächsten Freitag gegen zehn
würde ich im Amt erscheinen
und den Irrtum korrigieren.