Wo bleibt der Zug?

Glosse zum Thema Bahnhof

von  uwesch

Vor drei Tagen wurde der letzte Streik der Lokführer endlich beendet. Drei Männer stehen am Raucherviereck auf dem Bahnsteig Celle. Einer befindet sich brav im rot umrandeten Carré und qualmt Kette. Seiner Kleidung nach ist er Geschäftsmann. Die anderen beiden stehen daneben. Der jüngere in Jeans fummelt nervös an seinem Smartphone herum. Der dritte mit einem aufgeschwemmten Gesicht steht zusammengesunken da und schaut in die Ferne wo der Zug herkommen soll. Die Anzeigetafel meldet andauernd, dass dieser wegen einer Signalstörung verspätet eintreffen wird.
Der Raucher wendet sich den anderen zu und fragt: „Wissen Sie, wann der Zug kommt?"
Der Aufgeschwemmte meint: "Das kann nicht mehr lange dauern. Die Schienen sind schon verlegt."
„Sehr witzig“, empört sich der Jüngere, „ich muss rechtzeitig bei meiner Freundin sein, sonst macht sie mir die Hölle heiß.“
Nach zehn Minuten schreit er plötzlich auf: „Hier auf meinem Smartphone steht, dass die Eisenklauer schon wieder unterwegs gewesen sind und Schienen demontiert haben."
„Neueisen ist einfach zu teuer geworden, wegen der hohen Strompreise“, mischt sich der Aufgeschwemmte wieder ein.
„Sie Oberschlaumeier“, reagiert der Raucher wütend, „ich muss rechtzeitig zum Meeting meiner Firma in Hamburg sein und habe extra einen Platz reserviert, um mich darauf vorzubereiten. Jetzt kann ich nichts anderes tun als mir in diesem idiotischen Raucherviereck die Beine in den Bauch zu stehen.“
„Ist doch eine gute Gelegenheit mit dem Rauchen aufzuhören“, meint der Aufgeschwemmte süffisant.
Aus den Lautsprechern ertönt die Ansage:

 

Sehr geehrte Fahrgäste, der Zug nach Hamburg, planmäßige Abfahrtszeit 14.35 Uhr auf Gleis 2, entfällt. Ein Schienenersatzverkehr wird in Kürze auf dem Bahnhofsvorplatz für Sie bereitgestellt

 

„Scheiße“, erregt sich der Aufgeschwemmte jetzt auch, „in Bussen wird mir immer schlecht.“
„Sehen Sie endlich ein, dass mit der Deutschen Bahn kein Staat zu machen ist. Ihre lokomotivenden Witze können Sie sich in Zukunft gern schenken“, mischt sich der Jüngere wieder ein, „wir müssen der Bahn endlich mal richtig einheizen.“
„Die Heizer sind doch längst abgeschafft“, wendet der Aufgeschwemmte ruhiger geworden ein, „geht doch alles elektrisch heute.“
„Wenn der Strom denn man immer fließt“, doziert der Raucher, „nach Abschaltung der Atomkraftwerke und diesem Solar- und Windunsinn ist das sehr unsicher. Dann müssen die Ökos wieder Auto fahren. Geschieht ihnen recht.“
Die Drei beschließen ins Bahnhofsrestaurant zu gehen und unterhalten sich weiter. Sie sind sich einig: Mit der Deutschen Bahn geht’s immer weiter abwärts. Lange bestellte Züge werden nicht geliefert. Die Zugtoiletten sind verstopft, die Klimaanlagen funktionieren nur im Winter.
Der Jüngere meint nach einem Cappucino: „In Stuttgart tauchen die Züge total ab, schämen sich wohl und wollen sich deshalb nicht mehr sehen lassen. Eine Unmenge Geld wird verbraten. Ich frage mich ob da Griechen in der Führung am Werk sind. Virtuelles Reisen gewinnt immer mehr an Bedeutung. Ich hab´s doch vorhergesehen. Virtuelles Arbeiten ist ja schon länger möglich.“
„Ja“, meint der Aufgeschwemmte, „bei Stuttgart verschwindet alles im Boden – eine Frechheit ist es wie mit unseren Steuergeldern umgegangen wird. Überirdisch verschandelt Unkraut die Böschungen. Warum dann nicht gleich diesen Bahnzirkus im Internet verschwinden lassen. Kommt doch viel billiger.“
„So wird der Schwund der staatlichen Euros auch gebremst“, resümiert der Jüngere, „und es werden fünf Fliegen mit einer Klappe geschlagen: Keine Verspätungen und Zugausfälle mehr, billigeres Reisen im Internet, enorme Ersparnisse, und Eisenklau von Schienenmaterial ist nicht mehr möglich. Auch die geplanten Kummerkästen an jedem Bahnhof werden überflüssig.“
Der Aufgeschwemmte trinkt seinen dritten Cognac und meint: „Und ich kann mir wieder meinen Cognac leisten und meinen Arsch im Sessel behalten. Prost.“
„Und ich mir wieder die teuersten Zigaretten vor dem PC und meine Arbeit dort ohne Stress tun“, freut sich der Raucher.
„Der Jüngere grinst und meint: „Ich werde mit meiner Band einen Song “Tired of waiting for you“ komponieren. Das wird bestimmt ein Hit.“


Der Schienenersatzverkehr in Form eines alten Busses trudelt nach eineinhalb Stunden mit dreißig Minuten Verspätung ein und hupt mehrere Male laut. Die drei Männer rennen raus und entern das Fahrzeug.



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Kommentare zu diesem Text


 franky (30.05.23, 08:45)
Hi lieber Uwe 

Spannend geschrieben, steckt viel Realität darin! 
Grüße von Franky

 uwesch meinte dazu am 30.05.23 um 10:35:
Danke Dir franky, auch für die Empfehlung. LG Uwe

 harzgebirgler (30.05.23, 12:18)
wobei man bahnvorstandsbe-züge
weit besser als lungen- vertrüge! :D lg vom harzer

 uwesch antwortete darauf am 30.05.23 um 13:10:
:)  Dank Dir für Kommi und Empfehlungen. LG Uwe
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