Ich, Onkel Benn und sieben Gläser Wein

Gedicht

von  Tula

Dunkler kann es nicht werden.
Wispernde Ähren im Wind,
Ruf kentaurischer Herden ...
Ruhe! Ich dichte, mein Kind.

Sieh die Sterne, die Fänge
ewiger Helden der Nacht.
Diesseits Zwerge, mit Strenge
auf dein Verhängnis bedacht.

Untröstlichkeiten – in Sagen,
die du bis heute beweinst.
Aus dem Seelenstaub ragen
Stelen der Träume von einst.

Charon oder die Hermen,
alle brutal sodomiert.
Mammon, Plutos – mit Spermen,
die man als Cocktail serviert.

Chaos – Zeiten und Zonen.
Die Mythen dem Spiegel und
Kaviar den Dämonen,
ein Huflattich für den Hund.

Schleierkraut, Schleierkraut rauschen,
wo man Lemuren bestallt.
Brandung und Schaum – das Plauschen
mit Schliff, zum Hoden geballt.

Die Welten trinken und tränken
Knaster mit Astern im Blick.
O Nacht! Lass uns Gottfried gedenken
bis mich der Hypnos holt – Hick!



Anmerkung von Tula:

2021
Die erste Zeile jeder Strophe entspricht dem jeweils ersten Vers der folgenden Gedichte von Gottfried Benn:
1: Dunkler
2: Sieh die Sterne, die Fänge
3: Wo keine Träne fällt
4: die Dänin (I)
5: Chaos
6: Schleierkraut
7: Quartär (I)

Ein paar Anspielungen auf weitere Gedichte wird der Benn-Liebhaber ohne besondere Mühe selbst entdecken.

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Kommentare zu diesem Text

Teolein (70)
(04.06.23, 07:42)
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 Tula meinte dazu am 04.06.23 um 15:06:
Hallo Teolein
Oh ja, dass sich der große Meister ausgerechnet bei Herne vertippt hat  :D

Du hast sicher völlig recht, wer jetzt nicht Benn liest ... dem können wir nicht helfen.

LG
Tula

 Quoth (04.06.23, 10:20)
Hallo Tula, wirbst Du für Benn oder verspottest Du ihn? Der Grat zwischen beidem ist schmal. Ja, er liebt die Substantive, das hast Du gut getroffen. Aber verfällt er nicht doch auch selbst oft in den "seraphischen Ton", vor dem er in "Probleme der Lyrik" warnt? Seiner ist nicht sanft, nicht idyllisch, eher ein dunkles Pauken ... Nun ja, gut an ihn zu erinnern! Danke! Quoth

 Tula antwortete darauf am 04.06.23 um 14:54:
Hallo Quoth
Es liegt mir fern, den großen Benn zu verspotten, ganz im Gegenteil  er steht bei mir auf Platz 1. Natürlich muss jeder Versuch, es ihm auch nur annähernd gleichzutun, von vornherein scheitern, erst recht unter der Einwirkung von Wein  ;)

Das "Ruhe! Ich dichte, mein Kind" in S1 wollte auf diese Absicht hinweisen. Wobei ich bei so einigen meiner Verse durchaus an eine mögliche 'ernsthafte Deutung' im Sinne gesellschaftlicher Kritik dachte. Aber insgesamt, nicht allzu ernst nehmen. Es war ein Spaß und dichterischer Übereifer ist bei Benn fast zwangsläufig.

LG
Tula
lyrikPower (84)
(04.06.23, 13:25)
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 Tula schrieb daraufhin am 04.06.23 um 15:01:
Hallo mein Lieber
Wie angedeutet, eine 'ernste' dichterische Huldigung fällt bei Benn besonders schwer, da jeder Versuch den Meister, wenn überhaupt, nur kläglich widerspiegeln und ihm nicht gerecht werden kann. Ob er diese Variante des ironisierten Überschwangs mit einem Schmunzeln lesen würde? Das wissen allein die Lemuren  ;)

Aber jetzt ernsthaft: Benn ist großartig und gehört natürlich in seine dichterische Epoche. Die dunkle Mystik wäre heute gewiss nicht mehr zeitgemäß, zumindest in dichterischer Hinsicht. Aber hin und wieder überkommt es den einen oder anderen. Meinerseits habe ich volles Verständnis dafür  8-)

LG
Tula

Antwort geändert am 04.06.2023 um 15:09 Uhr

 plotzn (05.06.23, 09:58)
Servus Tula,

ein berauschendes Gedicht! Zum Wein als Grundlage noch Arroz de Marisco auf nichtklebendem Reis.

Gerne verköstigt!

Liebe Grüße
Stefan

 Tula äußerte darauf am 05.06.23 um 22:31:
Hallo Stefan
Ich ahnte schon den bon vivant in dir  8-)

Zum Wohl! 

und lieben Gruß
Tula

 harzgebirgler (07.06.23, 12:33)
hallo Tula,

zu benn hatt' ich bisher keinen bezug
doch appetit macht dein beitrag genug!  :D

lg
harzgebirgler

 Tula ergänzte dazu am 08.06.23 um 00:23:
Hallo harzgebirgler
Dann nichts wie ran an sein Werk und eine gute Buddle  8-)

LG
Tula

Antwort geändert am 08.06.2023 um 00:23 Uhr

 Redux (09.06.23, 15:25)
Uncle Ben war ein Meister. Und dein Gedicht meisterhaft.

 Tula meinte dazu am 09.06.23 um 23:07:
Hallo Redux
Das freut mich. Dankend lieben Gruß
Tula
Agnete (66)
(11.06.23, 18:47)
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 Tula meinte dazu am 15.06.23 um 14:01:
Prost  :)

 AchterZwerg (15.06.23, 06:33)
Formidable Idee, Tula, liebevoll-ironisch umgesetzt. <3 
Überhaupt gilt ja:

Mit und ohne Tintowein:
den Gottfried säuft uns keiner klein!

 Tula meinte dazu am 15.06.23 um 14:05:
Hallo Lieblingszwerg

So ist es! 

Drängt uns Wein zum Zen,
schreiben wir wie Benn.

LG 
Tula
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