Eine Sternstunde der Menschheit

Revue zum Thema Musik

von  Graeculus

Am 14. Januar 1973 hat Elvis Presley in Honolulu ein Konzert gegeben: „Aloha from Hawaii“. Das Besondere daran ist zunächst, daß es dank der neuen Technik der Fernsehsatelliten weltweit von einer Milliarde Menschen angesehen wurde. Dergleichen hatte es noch nie gegeben. Eine Milliarde, eine phantastische Zahl!

Mir ist es vor allem dadurch in Erinnerung geblieben, daß Elvis „Blue Hawaii“ sang – ein sentimentales Lied im Grunde, doch mich hat der Vers „The night is young and so are we“ darin berührt.

Jung? Der Mann war doch erheblich älter als ich. Was meinte er denn damit? Und was weder er noch ich damals wußten: Er war dem Ende seines Lebens schon nahe; denn nur vier Jahre später ist er, 42 Jahre alt, gestorben.

War diese Liedzeile bloß Show? Nun, es gibt das, daß man sich auch in fortgeschrittenen Jahren einmal wieder jung fühlt, was sich einem Cocktail aus dem Erlebnis einer aus irgendeinem Anlaß aufflammenden Vitalität und der Erinnerung an glorreiche Tage verdankt. Vielleicht hat Elvis sich tatsächlich so erlebt in diesem Moment, in dem eine Milliarde Menschen ihm zuschaute.

Skeptischer, nüchterner klingt da die Liedzeile eines anderen Musikers: „Time is an ocean but it ends at the shore / You may not see me tomorrow”. Als dieser, ich spreche von Bob Dylan, später eine lebensbedrohliche Herzmuskelentzündung knapp überlebt hatte, meinte er: „Ich dachte schon, ich sehe Elvis.“

Wollen Menschen sowas hören? Nein, nicht wenn die Nacht jung ist!

Und, so mein persönlicher Wunsch, wenn die letzte Nacht vorbei ist und der Schlaf mich an seinen Bruder übergeben hat, dann hoffe ich, daß ... nein, nicht Elvis, sondern Duke Ellington mich im Jenseits empfängt und „Take the A-Train“ spielt. Und dann noch, ich bin einmal unbescheiden, Count Basie mit Lester Young und "Blue Lester". Anschließend kann ich mit dem Gefühl, wieder jung zu sein, erlöschen.



Anmerkung von Graeculus:

Für den Titel bedanke ich mich bei Stefan Zweig.

Möchtest Du einen Kommentar abgeben?
Diesen Text kommentieren

Kommentare zu diesem Text


 Teichhüpfer (13.07.24, 16:42)
Es kann jeden erwischen, aber dein musikalischer Beitrag endet gut.

lg Jens

 Graeculus meinte dazu am 14.07.24 um 14:09:
Welchem Musiker möchtest Du noch einmal begegnen? Wer soll Dich an der Himmelspforte erwarten?

 Teichhüpfer antwortete darauf am 14.07.24 um 15:12:
Die Cracks aus den 68 ern mit guten Blues.

 Graeculus schrieb daraufhin am 14.07.24 um 17:50:
Ah ja - dann können wir sozusagen gemeinsam sterben.
Wie wäre es mit "Soul Sacrifice" von Santana?

 Teichhüpfer äußerte darauf am 15.07.24 um 03:49:
Ich lebe, da ist es noch nicht so weit.

lg Jens

 Graeculus ergänzte dazu am 15.07.24 um 11:52:
Da ist was Wahres dran. Du bist wohl auch jünger als ich.

 Teichhüpfer meinte dazu am 15.07.24 um 20:12:
Sieben und zwanzig ist ein bißchen früh, da war bei mir schon Schluß.

lg Jens

 Graeculus meinte dazu am 16.07.24 um 17:59:
Schluß? Gab es da ein einschneidendes Erlebnis bei Dir? Eine Katastrophe?
Aber wie Du sagst: Noch lebst Du!

 Teichhüpfer meinte dazu am 16.07.24 um 20:09:
Ich hatte meine Familie aus den Augen, und war im lebensgefährlichen Umfeld. Die hätten entweder mich aus den Weg geschafft, oder wären selbst gefährdet gewesen. In der Ruhe liegt die Kraft.

lg Teichi

 Graeculus meinte dazu am 16.07.24 um 23:29:
Also eine Lebenskrise. Aus der heutigen Sicht kann man sagen, daß Du sie gemeistert ... und Deinen Lebenssinn im Schreiben gefunden hast.

 Teichhüpfer meinte dazu am 17.07.24 um 01:02:
Das war eigentlich im Laufe einer Reha. Ich konnte die Einzelteile auf sammeln und zusammen setzen.

lg Jens

 Graeculus meinte dazu am 17.07.24 um 01:19:
Wenn Reha, dann muß aber doch vorher schon etwas passiert sein. Ein Unfall?

 Teichhüpfer meinte dazu am 17.07.24 um 06:59:
Ja, mit sieben und zwanzig.

lg Jens

 Graeculus meinte dazu am 17.07.24 um 23:15:
Das ist eine Weile her. Anscheinend hat es Dein Leben geprägt. Nun, Du mußt - man muß - mit den Optionen leben, die einem das Leben übrigläßt.

Einen herzlichen Gruß,
Wolfgang

 Teichhüpfer meinte dazu am 18.07.24 um 07:42:
Es heißt so schön, Arbeiten gehen, stimmt aber.

Teichi

 Graeculus meinte dazu am 18.07.24 um 14:01:
Arbeit, diese Option hat man fast immer. Guten Erfolg bei Deiner!

Grüße von
Wolfgang

 Teichhüpfer meinte dazu am 18.07.24 um 18:58:
Ich habe nochmal die Kurve gekriegt, das gönne ich dir auch.

lg Teichi

 Graeculus meinte dazu am 18.07.24 um 22:30:
Na klar, lieber Teichhüpfer, eine Weile halten wir noch durch, alte kV-Kameraden, die wir sind.

Grüße von
Wolfgang

 Teichhüpfer meinte dazu am 19.07.24 um 00:21:
Du hast dich an meiner Seite interessiert. Das bleibt in Erinnerung.

Teichi

 Graeculus meinte dazu am 19.07.24 um 15:26:
Halten wir also zusammen! Seit an Seit im Streit.

 Teichhüpfer meinte dazu am 19.07.24 um 16:00:
Weiterhin Gesundheit und alles Gute.

lg Teichi

 Graeculus meinte dazu am 19.07.24 um 16:34:
Das wünsche ich auch Dir, lieber Teichhüpfer. Und wer weiß, vielleicht einmal in Ostholstein ...

 AchterZwerg (14.07.24, 07:48)
Indes erhoffe ich Tom Waits, den "Barden der Gebeutelten!"

Auch Stefan Zweig darf gern ins Kommitee.

 Graeculus meinte dazu am 14.07.24 um 14:08:
Tom Waits schätze ich.
Es ist mir peinlich zu sagen, daß so ganz tief mich kaum etwas berührt, das nach meiner musikalischen Prägephase erschienen ist, und die lag vor Tom Waits. Peinlich ist mir das, weil es so subjektiv ist.
Erreicht Dich noch die Musik von heute?

Bei Tom Waits kann ich immerhin noch sagen, daß der gut ist.

 EkkehartMittelberg (14.07.24, 10:55)
So ist es. Sternstunden der Menschheit erlebt man wohl besonders durch Musik. Ich glaube eine erfahren zu haben, als Isaac Stern im Rektorenpalast in Dubrovnic spielte,  ein Blitz alles in Dunkel verwandelte, er weiter spielte und als die Beleuchtung wieder einsetzte, das Publikum den Maestro in ein Meer von Rosen tauchte, die man auf die Bühne warf.

 Graeculus meinte dazu am 14.07.24 um 14:02:
Diese reizende Anekdote kenne ich nun aus Deinem Buch.
Musik kann den Tag in eine Sternstunde verwandeln.

 EkkehartMittelberg meinte dazu am 14.07.24 um 14:16:
Mir fällt gerade auf, dass es sich hier im wahrsten Sinne des Wortes um eine Sternstunde handelte.

 Graeculus meinte dazu am 14.07.24 um 14:33:
Mehrfach: ein Star (Elvis), eine Sternstunde (ein spektakuläres Konzert), und die ersten Fernsehsatelliten (erinnerst Du Dich noch?) hießen Telstar 1 und Telstar 2 - die waren selber eine Sensation.

Antwort geändert am 14.07.2024 um 14:34 Uhr

 Graeculus meinte dazu am 14.07.24 um 14:39:
Und falls uns an der Himmelspforte Isaac Stern bzw. Duke Ellington mit einem musikalischen Willkommensgruß empfangen sollten, wäre auch das zweifellos eine (Überraschung und) Sternstunde.

 LotharAtzert (19.07.24, 16:18)
Du schreibst über Sternstunden, ohne einen wirklichen Stern beim Namen zu nennen. Das schafft auch nicht jeder.

Ob Stefan Zweig sich wenigstens beim Jupiter ... ?

 Graeculus meinte dazu am 19.07.24 um 16:33:
Du weißt schon, daß ich hier den Begriff Stern im metaphorischen Sinne gebraucht habe. Sternstunde, ist das nicht das, was man heute highlight nennt?
Nein, das hält auch Stefan Zweig nicht anders.

 LotharAtzert meinte dazu am 19.07.24 um 21:14:
Klar weiß ich, wie das läuft. Ich hatte mir vor kurzem beim Rossmann Grünkernbratlinge zum Anrühren gekauft und aus der Zutatenliste ging hervor, daß 0,0% Grünkerne drinn waren. Dafür schmeckte es ranzig.

 Graeculus meinte dazu am 23.07.24 um 15:06:
Das ist ja eine Frechheit!

 eiskimo (23.07.24, 15:21)
"Ne me quitte pas" von Jacques Brel könnte auch so ein "Start ins neue Leben" sein.
"Lass mich der Schatten deines Hundes sein," sagt er da - nur um nicht zurückgelassen zu werden.

 Graeculus meinte dazu am 23.07.24 um 22:02:
Wenn ich an eine solche musikalische Sternstunde in Frankreich denke, dann komme ich unweigerlich auf den nächtlichen Auftritt von Edith Piaf auf dem Eiffelturm.
(Was nichts daran ändert, daß das Lied von Jacques Brel mich sehr beeindruckt.)
Möchtest Du einen Kommentar abgeben?
Diesen Text kommentieren
Zur Zeit online:
keinVerlag.de auf Facebook keinVerlag.de auf Twitter keinVerlag.de auf Instagram