Die letzte Zigarette

Groteske zum Thema Abschied

von  Saira

In einem schummrigen Raum, der von einem blauen Dunst durchzogen war, lag die Lunge auf einer alten, brüchigen Rippe. Mit einem tiefen, krächzenden Husten begann sie ihre Abschiedsrede:


„Liebe Organe! Heute ist der Tag, an dem ich mich von euch verabschieden muss. Mir bleib
t nicht mehr viel Zeit.“


Die hochprozentige Leber, die in der Ecke saß, kicherte leise vor sich hin. „Du warst immer ein bisschen zu risikofreudig, meine Liebe!“


„Ach, Leber!“, meinte die Lunge mit einem schiefen Lächeln. „Ich habe das Leben in vollen Zügen genossen. Das war es mir wert.


Das Herz, das im Takt der Musik wummerte, nickte zustimmend.
„Ja, das hast du und zwar auf unsere Kosten.“

 

„Sorry, mein Herz“, erwiderte die Lunge.


Die anderen Organe versammelten sich um die Lunge, während sie Geschichten von schmutzigen Luftzügen erzählte. Der Magen, der gerade mit Snacks beschäftigt war, konnte sich nicht zurückhalten und übergab sich.


„Oh, Lunge, du warst immer die Abenteurerin unter uns!“, brachte der Magen würgend hervor. „Erinnerst du dich an die Zeit, als wir Nächte in verrauchten Kneipen verbrachten?“

 

„Aber ja, und weißt du noch, wie die Leber fröhlich mit jedem Drink anstieß?“

 
Die Lunge hustete erneut, diesmal heftiger. „Ja, ja, die guten alten Zeiten. Aber jetzt ist es an der Zeit, die Konsequenzen zu tragen. Ich habe die Luft verpestet, die du verdaut hast, und das Herz hat die ganze Arbeit gemacht, während ich mich in den Wolken verloren habe.“


Die Niere, die still in der Ecke saß und über ihre Filterfähigkeiten nachdachte, murmelte: „Es ist, fürchte ich, zu spät, um etwas wieder gutzumachen.“


„Stimmt!“, rief die Leber. „Gerade wird mir Whisky zugeführt. Prost, ihr Lieben! Auf die großen und kleinen Sünden!“

 

Der Darm, überfordert von einer Flut von scharfen Currys und Salsas, kämpfte gerade verzweifelt mit Krämpfen. Ach, lasst mich mit dem ganzen Bullshit in Ruhe!“ rief der Darm, während er sich erleichterte.

 


Die Lunge lächelte schwach und zog an ihrer letzten Zigarette. Der Rauch wirbelte durch den Raum, und für einen kurzen Moment schien alles wieder in Ordnung zu sein. Doch dann begann sie zu keuchen, und der Raum füllte sich mit einem unheilvollen Husten.


Das Herz begann schneller zu schlagen, als es die Veränderung spürte. „Lunge, hör auf! Du machst es noch schlimmer!“


Doch es war bereits zu spät. Die Lunge fiel auf die Rippe zurück, der Rauch umhüllte sie wie ein Leichentuch. „Es tut mir leid, meine Freunde. Ich wollte nicht, dass es so endet…“


Der Raum wurde still, und die anderen Organe schauten sich entsetzt an, unfähig zu begreifen, was geschehen war.

.
„Das war’s also“, murmelte das Herz, während es langsamer schlug.




©Sigrun Al-Badri/ 2024



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Kommentare zu diesem Text


 Redux (20.12.24, 09:14)
Tolle Idee. Amüsant ein bitteres Thema erzählt. 
LG Herbert

 Saira meinte dazu am 20.12.24 um 18:08:
Moin Herbert,
 
ich freue mich über dein Feedback :)
 
Danke und liebe Grüße
Saira

 Teo (20.12.24, 09:46)
Hi Sigi,
na, das ist ja was. Jetzt weiß ich endlich, wo diese Stimmen herkommen,wenn ich ganz still in meiner Bibliothek sitze.
Interessant, deine Groteske.
Es grüßt
Teo

 Saira antwortete darauf am 20.12.24 um 18:10:
Moin Teo,
 
sorg besser für laute Hintergrundmusik, sonst verfällst du mir noch in Depressionen :(
 
Hol di wacker, Dropsi!

Liebe Grüße
Sigi

 Nuna (20.12.24, 10:13)
Oje, so kann es also auch kommen :O
mit den guten Vorsätzen

Immerhin soll ein Raucher 30% leistungsfähiger sein weil er immer auf seine nächste Zigarette hinarbeitet

Auch erinnern mich deine Zeilen an den Otto Organwitz :D Leber an Grosshirn.

Grotesk gut.

LG Nuna

 Saira schrieb daraufhin am 20.12.24 um 18:11:
Moin Nuna,
 
dein Feedback freut mich  :) Danke!
 
LG
Saira


P.S.: Bin ein großer Otto-Fan :)

 Klemm (20.12.24, 16:50)
Na dann gute Nacht, Freunde!


Kommentar geändert am 20.12.2024 um 16:54 Uhr

 Saira äußerte darauf am 20.12.24 um 18:16:
Nicht wahr? Das Lied von Reinhard Mey passt doch  :cheerful:
 
Danke und liebe Grüße
Saira

 Saira ergänzte dazu am 20.12.24 um 18:24:
ups, eben klappte gar nichts und nun bin ich gleich 2x zu lesen.

Antwort geändert am 20.12.2024 um 18:27 Uhr

 Klemm meinte dazu am 20.12.24 um 19:04:
Ja, seit ich deinen Text gelesen habe, habe ich das Lied als Ohrwurm!

 Saira meinte dazu am 20.12.24 um 19:08:
So etwas passiert mir auch gelegentlich :) ,

was ja im Prinzip nicht schlimm ist, aber irgendwann kann es auch nerven :P

 plotzn (20.12.24, 18:35)
Servus Sigi,

gut, dass ich meine Organe nicht hören kann. Immer, wenn eines aufmuckt, ertränke ich das Gejammer in Alkohol...

Witzige Idee zu einem ernsten Hintergrund.

Liebe Grüße
Stefan

 Saira meinte dazu am 20.12.24 um 18:59:
Servus Stefan,
 
dieses Organgejammer hält ja auch wirklich niemand auf Dauer aus. Ertränken oder spenden, sag ich da …
 
Danke für dein Lob zur Idee!
 
Liebe Grüße
Sigi

 Didi.Costaire (20.12.24, 18:52)
Hallo Sigi,

es ist schon doll, was die armen Organe so alles mitmachen. Irgendwann ist natürlich Schluss...

Liebe Grüße, 
Dirk

 Saira meinte dazu am 20.12.24 um 19:04:
Moin Dirk,

seit vorhin spinnt die Kommentarfunktion. Unser Web wird sicherlich die beiden zu viel abgegebenen Kommentare von dir löschen.

In Bezug auf die armen Organe: Es gibt ja tatsächlich die großen Ausnahmen wie Helmut Schmidt, der  seine Lunge über siebzig Jahre gequält hatte, ohne dass sie erkrankte.

Liebe Grüße
Sigi

 Didi.Costaire (20.12.24, 18:52)
Oh, da hakte es...

Kommentar geändert am 20.12.2024 um 19:02 Uhr

 Didi.Costaire (20.12.24, 18:52)
...aber gewaltig.

Kommentar geändert am 20.12.2024 um 19:03 Uhr

 Saira meinte dazu am 20.12.24 um 19:04:
Zur Zeit online: