Morgenmanns Bilanz

Skizze zum Thema Resignation

von  S4SCH4

Zerrüttetes, ich …
Es hat verloren:
Regierung und aktive Hoheit.
Sich selbst und die Familie.
In Schutt und Asche liegend werde ich eisig überrollt.
Allein und brennend nackt.
Gestern ist Sieger eines ungleichen Kampfes.
In Trümmern liegt mein Elementar.
Unter Wasser und über dem Feuer.
Unter Erde und ohne Luft.  
Gezeichnet und gebrandmarkt.
Lebend beerdigt und dort am Ersticken.
Abhängig gemacht von einem Willen, der nicht länger mir gehört.
Pendelnd und angestoßen und … Anstoß erregend.
Vielleicht sollte ich mich stellen?
Den Behörden.
Dem Gesetz.
Die Verantwortung abgeben.
Neu werden.
Außerhalb des Visiers von Gestern.
…aber er findet mich ja doch.
Er ist überall und wird immer größer und größer.
Mit jedem Tag.
…fährt er den zweiten Sonnenwagen länger.
Mit jeder Sekunde.
…lässt er mich warten auf seinen kalten Mond.
Jeder Atemzug taxiert.
Wie der Bus, auf dem er aufsteht.
Diese Welt ist verkauft auf allen Wegen.
Selbst die Atmosphäre ist ein Kaufhaus.

Und Gestern hat all mein Geld.



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Kommentare zu diesem Text


 Saira (02.11.25, 10:23)
Dieser (vorerst?) letzte Teil liest sich wie das leise Nachglühen einer Katastrophe. Die Sprache, die vorher so heiß und aufgewühlt war, ist jetzt kühl geworden, fast steinern. Sie spricht nicht mehr in Gefühlen, sondern in kurzen, trockenen Sätzen, wie jemand, der nur noch aufschreibt, was übrig ist.
Schon der Anfang – „Zerrüttetes, ich …“ – zeigt das deutlich.
Es gibt keinen Aufschrei mehr, kein Flehen, nur ein stilles Festhalten an den Resten. Das Ich hat die Kraft verloren, sich in langen Sätzen zusammenzuhalten.

Ich finde stark, dass du hier nicht einfach die Emotionen aufgibst, sondern sie in Form verwandelst. Die frühere Leidenschaft ist nicht verschwunden – sie steckt in dieser Kälte.
Jeder Satz klingt wie ein Protokoll über den eigenen Untergang:
„Regierung und aktive Hoheit.“  „Sich selbst und die Familie.“
Das hat etwas von einer Bestandsaufnahme nach einem Einsturz: sachlich, aber tieftraurig. Besonders eindringlich ist für mich die Erkenntnis, dass „Gestern“ gewonnen hat – nicht mehr als Figur, sondern als Zustand.
Er ist jetzt überall, ein System, das den Morgenmann völlig einschließt.
Die Zeile „Selbst die Atmosphäre ist ein Kaufhaus“ trifft hart.
Sie zeigt, wie alles – sogar das Atmen – in eine Ware verwandelt wurde.

Ich lese diesen Text als letzten Versuch, Ordnung zu finden, wo nichts mehr zu ordnen ist.
Das Ich versucht, sein Leben zu sortieren wie Akten, um den Sinn wiederzufinden – doch am Ende bleibt nur das Eingeständnis: „Gestern hat all mein Geld.“
Ein stilles, dunkles Ende, das keinen Schlussstrich zieht, sondern einfach aufhört zu atmen.

 S4SCH4 meinte dazu am 02.11.25 um 14:11:
Es ist sollte als Sammelsurium dienen, ein Wrap-up. Eine Antwort, die er jemanden schuldig ist nach mütterlicher Fürsorgesprache. Nun hat er seine Resignation in Worte zu fassen, bilanzierend, aufbereitet vor sich und vor allem für den Sieger. Für Gestern. Sein scheinbar letzter Luftzug … gesponsert von der Atmosphäre des Gesterns. Dieser hat ihn geopfert oder lässt es so aussehen … es beginnen die Vorbereitungen eines Siegesfeldzuges im Sinne des Gesterns …
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