Laufen 2

Roman

von  Isensee

Laufen.
Laufen, obwohl nichts läuft.
Weg vom Lärm, rein ins Lärmloch.

und ich laufe
mit dem Geräusch eines leeren Kühlschranks im Brustkorb.


Ich ziehe die Schuhe an wie ein Notfalldienst
und mein Körper versucht schon wieder, nicht aufzufallen.
Ein schlecht gelaunter Schatten auf zwei Beinen.


Im Treppenhaus riecht es nach Kabelbrand und Hoffnung,
irgendwo zwischen den Stockwerken liegt ein Paket,
das keiner bestellt hat
und jeder kennt.


Die Nachbarin mit den roten Plastikhaaren sagt:
„Schon wieder Montag?“
Ich nicke,
aber es könnte auch Dienstag sein,
oder ein Tag, der sich einfach geweigert hat, einen Namen zu tragen.


Ich laufe.
Am Kiosk vorbei,
wo der Besitzer schon um sieben Uhr brennt
und Lottozettel sortiert,
als hinge sein Leben davon ab.
Vielleicht tut es das.


Der Bus kommt
und alle steigen ein,
als hätten sie vertraglich zugesicherte Melancholie.


Ich laufe später weiter,
aus dem Bus raus,
rein in die Stadt,
in diesen vibrierenden Betonbau aus Rechnungen,
Restmüdigkeit,
Terminen,
Imbissfett,
und einem Himmel,
der aussieht, als habe man ihn vergessen zu aktualisieren.


Ich ziehe weiter durch den Tag
wie durch ein Lagerhaus,
in dem jedes Regal falsch beschriftet ist.
Erschöpfung steht beim Schmerz.
Wut beim Hunger.
Mut bei der Müdigkeit.
Ich greife daneben
und alles fällt aus meinen Händen,
weil selbst Schwerkraft heute aggressiv ist.


Der Körper sagt nichts.
Ich auch nicht.
Wir sind einfach
einen Augenblick
zwei Tiere,
die vergessen haben,
wen sie bekämpfen sollten.

Und in dieser winzigen,
fast lächerlich zarten Pause
spüre ich etwas,
das kein Triumph ist
und keine Kapitulation
nur ein stiller,
faktischer Satz,
so unspektakulär,
dass er unmöglich gelogen sein kann:




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