Die Beerdigung III

Anekdote zum Thema Ironie

von  Bellis

Der Leichenschmaus nach der Beerdigung war entspannt und offenbar für alle eine Erlösung. Ich saß neben Tante Uli, dem Ehemann des schwulen Bruders der Verstorbenen - des schwarzen Schafs in der Familie! Angeblich ist der Bruder der Mann in der Männerehe, gottseidank, wenigstens das!
Uli hatte ich bis dato nie kennen gelernt, weil ich mich so gern um Familienfeste drücke. Schmucker Mann, gepflegt und im Nadelstreifenpartnerlook mit seinem Mann.
Ich erinnere mich noch gut, wie meine Mutter von Tante Ulis (so nannten die Familienweiber ihn sofort!) erstem Besuch erzählte: Eindeutig schwul, zu ordentlich für einen Mann, sammelt Kochrezepte! Angeblich sagte er damals zu meiner Mutter: „Wir Frauen“ – aber das hat sich meine Mutter bestimmt ausgedacht! – „müssen doch auf unsere Linie achten!“ Seitdem sagt meine, eigentlich schwulenmissbilligende, Mutter immer: „Ach ja, auch wenn er so ist, eigentlich ist er ja doch ganz nett.“

Mein Vater war dann übrigens der einzige, der sich beim Leichenschmaus ein Bierchen bestellt hat. Ich half ihm beim Austrinken und war froh, als die Tafel endlich aufgehoben wurde und ich meine Eltern ablenken konnte durch Gartenspaziergänge und Kartenspiele.
Denn meine Eltern waren wirklich richtig bestürzt von diesem Todesfall. Die Mutter meines Schwagers war nur anderthalb Jahre älter als mein Vater.

Als mein Vater sah, was mein Schwager alles aus der im Laufe der Jahre zugerümpelten Wohnung und dem Keller seiner Eltern holte („Viel zu früh!“, schrieen die Nachbarn, „Sie ist doch kaum eine Woche tot!“), kriegte er ein schlechtes Gewissen. Aus Rücksicht auf seine Töchter begann er dann selbst, seinen Keller und die Garage auszumisten.
Ganz ehrlich, ich bin froh darüber: Sie tun uns damit wirklich einen Gefallen. Und ich hoffe auch, dass sie sich selbst erleichtert fühlen werden, wenn der ganze Müll weg ist.

Dass ich am Morgen nach der Beerdigung noch meine Schwester zum Frühstück besuchte, würde nicht erzählenswert sein, wäre ich nicht so geschockt gewesen, dass mich wirklich Schwester, Schwager und Nichte in Tiefschwarz empfangen hätten.
Stimmt, das hatte ich ganz vergessen! Die Nachbarn achten ja auch darauf, wie man sich kleidet! Und wie lange man in Schwarz geht! Bloß gut, dass die Familie nicht in Griechenland / Sizilien / Hinterarabien lebt und jahrelang Trauerkleidung tragen muss; Schwarz steht wirklich kaum jemandem gut!

Meine Schilderung mag für manchen respektlos klingen. Doch wer mich kennt, weiß, dass ich kein zynischer Mensch bin, auch wenn ich die Komik in solchen Situationen nicht ignoriere.
Mir war während der ganzen Beerdigung bewusst, dass in dieser hässlich braunen Kunststoffvase tatsächlich irgendetwas von einer sehr lieben Frau war, die ich nie wieder lachen sehen und hören werde. Noch habe ich´s im Kopf, aber das geht so schnell verloren...

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Kommentare zu diesem Text

ToX (33)
(15.06.05)
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 Bellis meinte dazu am 16.06.05:
Hallo Christian, hab Dank für Dein Lob! Freut mich sehr, daß Dir meine Texte gefallen.
Nein, den Anspruch hege ich nicht, Leser belehren zu wollen. Aus meinen Texten kann man nichts lernen, stimmt. ;o) Aber einen gewissen "Wiedererkennungswert" besitzen sie offenbar - denn Du hast selbst solche Situationen erlebt, sagst Du. Genau das isses. Ich beobachte und gebe Eindrücke und Gefühle wieder. Manchmal auch Erkenntnisse. Wieviel der Leser damit anfangen kann, entscheidet sich im Einzelfall. ;o)
Aber was ist nun mit dem Schwarz? Sag schon!
LG, Bellis.
mueller (39)
(07.07.05)
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 Bellis antwortete darauf am 07.07.05:
Danke für Deinen Kommentar. :o) Auch wenn ich mir denken konnte, daß, wenn Dir Texte von mir gefallen sollten, es wohl am wahrscheinlichsten einer aus der Beerdigungsreihe sein wird, freue ich mich doch sehr, daß er Dir tatsächlich gefällt... Jetzt fange ich doch wirklich an zu stammeln... ;o)
daniela (39)
(01.08.05)
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 Bellis schrieb daraufhin am 02.08.05:
Freut mich sehr, daß Dir meine Beerdigungsanekdote (und auch die anderen) gefallen haben. :o) Und freut mich auch sehr, daß Du erkennen konntest, daß ich nicht zynisch sein will. Liebe Grüße, Bellis.
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