Eine merkwürdige Begegnung

Kurzgeschichte zum Thema Esoterik

von  Martina

Eine merkwürdige Begegnung


Die Sonne versank zusehends hinter den leicht wogenen Bäumen. Nur ab und zu lugten noch ein paar Strahlen durch das bizarre Geäst
und verirrten sich leicht wärmend auf meinem Gesicht. Wie ich diese Spaziergänge liebte!
Es war früher Abend und der Wald roch jetzt intensiv nach weichem, harzenden Fichtenholz.
Früher glaubte ich an Gnome, Kobolde und Feen. Sie würden hier gut ins Bild passen.
Längst schon hatte ich diesen Aberglauben abgelegt und lächelte milde über meine damalige kindliche Naivität.
Jetzt gab es wichtigeres, einen dicken Fisch, welchen ich mir an Land gezogen hatte.
Nicht ganz auf die feine, englische Art, na und? Skrupelloses stand heutzutage an der Tagesordnung.
Jeder machte sein Ding ohne Rücksicht auf Verluste.

Ich dachte zuviel über diese Sache nach. Vielleicht gab es auch schon zu viele Fehler, die ich gemacht hatte? Doch das Geschäft war gelaufen.
Was soll´s, und ich war der Lachende. Es war nur ein Betrug, wie all die anderen Grundstücksgeschäfte auch.
Die Umgehungsstraße war dringend nötig. Was gabs da noch zu überlegen? Verdammte Naturschützer!
Und dabei fiel mir wieder ein, dass die eigene Ehefrau auch so ein Ökofreak war. Oh Gott, dachte ich.
Der Streit war diesmal heftig und es dürfte Wochen dauern, bis sie mir verzeiht.
Ich liebe sie nicht mehr, hatte sie mir vorgeworfen. Ich sei anders in all den Jahren geworden.
Ich habe die Straße zu ihrem Herzen verlassen. Weiber, keinen Sinn für das Reale! Ich ging langsamer.
Wenigstens hatte mich meine Sommergrippe nicht verlassen, denn ihre Anwesenheit meldete sich durch Schwindel und leichtes Fieber zurück.
An einer lichten Stelle angekommen, ließ ich mich nieder. Etwas abseits hörte ich das Rauschen von Wasser.
Als Kind hatte mich Wasser, egal welcher Art, immer in den Bann gezogen.
Es war ein Bach, den ich erblickte, der dunkel und unruhig floss.
Neugierig ging ich hinüber und rutschte die Böschung hinunter, bis ganz nah ans Wasser hinab.
Während mir die unangehme Nässe in die Schuhe kroch, bückte ich mich und tauchte die Hände ins feuchte Nass, um mein heißes Gesicht zu kühlen..
Kraftlos stieg ich nun die Böschung wieder hinauf und setzte mich auf einem glatt abgesägten Baumstumpf. Punkte tanzten mir vor den Augen.
Ohne Rücksicht auf meinen desolaten Zustand meldet sich mein Gewissen zu Wort:
Du bist unnütz, wenn du nur hier sitzt und gar nichts tust, mahnte es mich. Nein, ich fühle mich schwach, ich brauche nur eine kleine Pause,
versuchte ich mich schwach zu verteidigen.
Doch, du bist unnütz, entgegnete es. Du hast ein Haus, eine kleine Firma, eine Geliebte, eine Frau und jede Menge Dinge zu erledigen.
Du hast viele um ihr Geld betrogen und gibst es mit vollen Händen aus und jetzt sitzt du hier und tust gar nichts?
Ja, sinnierte ich, ich sollte etwas tun. Ich sollte wirklich mehr an mich denken.
,,Was mag wohl aus dieser Welt noch werden?“, sagte plötzlich eine senore, wohlklingende Stimme.
Erschrocken sah ich auf, konnte aber keine Menschenseele entdecken.
Als mein Blick nach vorne fiel, sah ich im Zwielicht der beginnenden Dämmerung einen alten Mann stehen. Langsam kam er auf mich zu.
Er hatte ein gesundes, nicht zu altes Gesicht mit gutmütigen Augen, fast weißes Haar, das bis zu den Schultern reichte und schmale Lippen.
Es schien mir seltsam, dass er nur ein dünnes Gewand trug. Bist du von Sinnen?, fragte ich mich.
Ungeachtet meines erstaunten Gesichtsausdruckes fuhr er fort:,,Was wird aus meiner Welt werden? Der Alte setzte sich neben mir ins Gras.
Ich wusste es nicht. Woher auch?
Ich habe mein Leben zu leben und meine Angelegenheiten zu erledigen. Was kümmert mich die Welt?
,,Schau", sagte er, ,, an der Erde kann man den Zustand der Herzen der Menschen erkennen."
Er faltete seine knochigen Hände wie zum Gebet und fuhr fort: ,,Hochhäuser, die in den Himmel wachsen, dicht an dicht.
Kaum Platz für eine Blume und doch: niemand fühlt sich zu Hause.
Überall wimmelt es von Straßen, Bahngleisen. Überall wird nach Wegen gesucht, die es uns ermöglichen, bis in die entlegensten Winkel der Welt zu kommen.
Tunnel durch Berge werden gebaut, über Meere geseegelt, durch die Lüfte geflogen. Es gibt so viele Wege."
Der Alte schien mir senil. Er redete von der Welt, als wüsste er Bescheid. Ich nickte beiläufig und tat mein Bestes, nicht unhöflich zu wirken.
Aber er sah starr geradeaus, und mir schien, als wären seine Gedanken meilenweit entfernt.
Ich wollte aufstehen, ich hatte keine Zeit seinen verwirrten Worten zu lauschen. Schwindel überkam mich.
Das Fieber war zurück gekehrt und ungeachtet dessen erzählte der Alte einfach weiter: ,,Aber trotzdem findet keiner den Weg zu seinem Nachbarn.
So, wie der Wald stirbt, so stirbt die Liebe in den Herzen. Die Menschen streben nach falschen Werten.
Sie denken, das Glück liegt höher oder ferner und bauen deshalb höhere Häuser und noch mehr Straßen. Was sind sie doch blind.
Die Wege, die sie finden, bauen und gehen müssen, sind nicht die Wege zu anderen Ländern."
Er sah mich an, zum ersten Mal richtig an, als wollte er sagen: Verstehst du? Ich verstand nicht.
Mir wurde kalt und mir wäre besser geraten, nach Hause zu gehen. Eine fiebrige Kälte schüttelte meinen Körper.
Es war immer noch hell genug, dass ich den Alten deutlich sah. Und es war still genug, dass ich jedes seiner Worte klar hörte.
Doch ich verstand nicht. Er lächelte, und als er das tat, spürte ich, wie sich mein Mund zu einem Lächeln auseinander zog.
Dann wurde ich schwächer. Ja, ganz deutlich spürte ich, wie das Fieber weiter von mir Besitz ergriff.
Aber ich fühlte Geborgenheit und Nähe, fühlte Wärme, Vertrauen, Freiheit und Liebe. Ich verstand es nicht.
Der Alte sagte: ,,Die Menschen müssen den Weg zu ihrem Herzen finden.
Dazu brauchen sie keine Autobahnen, keine Züge, Flugzeuge oder Schiffe.
Das Holz, was sie roden, erscheint nicht nur als Möbelstücke in ihren Häusern,
sondern vor allem als Brettern vor ihren Köpfen. Wacht endlich auf.
Rettet eure Herzen und somit die Erde. Das Glück liegt nicht in der Ferne, es liegt in euch.
Für die Erde wünsche ich mir: zurück zur Natur. Und für die Menschen wünsche ich mir: zurück zur Liebe im Herzen.“
Als er den Satz beendete, durchfuhr mich eigenartige Stille.
Die Dämmerung war weiter fortgeschritten und das Gurgeln des Baches klang jetzt fremd.
Der Wald war kühl, die Bäume dunkel, und als ich auf sah, war der Alte verschwunden. Du musst nach Hause gehen, dachte ich.
Du hattest einen Fiebertraum. Dich kann kein so schlechtes Gewissen plagen, dass es dir schien,
als hätte der Allmächtige zu dir selbst gesprochen, verstehst du? Nein, ich verstand nicht.
Ich erhob mich allmählich und setzte benommen den Weg nach Hause fort.
Ich versuchte zu vergessen, was ich nicht verstand, und während ich ging,
wischte ich mir, benommen vom Fieber, ein langes, weißes Haar von meinem Hemd.

© Martina Brandt

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Kommentare zu diesem Text

SweetAngel (28)
(16.08.05)
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 Martina meinte dazu am 16.08.05:
Danke duuuu...du liest dich ja so angsam durch ) Griins...Freuuu....Lg Tina
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