Manchmal spiel ich noch mit dir

Geschichte zum Thema Beobachtungen

von  redangel

Manchmal spiele ich noch mit dir. Obwohl du jetzt dieser kleinen Schwarzhaarigen gehörst. Heimlich habe ich dich ausgeliehen von ihr. Sie hat es nicht mal gemerkt und das ist gut so. Weil sie dich sicher nicht freiwillig hergegeben hätte, denke ich.
Heute abend bekommt sie dich ja auch wieder. pünktlich zum Schlafengehen bist du zurück, denn da braucht sie dich. Sie kann sonst nicht einschlafen. Du wirst ihr nichts verraten, davon, dass ich dich geholt und heute mal mit dir gespielt habe. Nein, das wirst du sicher nicht.
Schweigen wirst du und so tun als ob nichts gewesen wäre. Dann wirst du dich von ihr anfassen lassen, genauso wie von mir. Als hätte es mich und das Zwischenspiel nicht gegeben. Aber das ist mir jetzt egal, denn es zählt nur der Augenblick. Nun bist du hier bei mir. Du stehst vor meinem großen Schlafzimmerspiegel und du wartest darauf, dass ich anfange. Du hast immer warten müssen, bis ich anfange. Dich dort umfasse von oben mit allen fünf Fingerspitzen meiner linken Hand, alle fünfe gleichzeitig. Der Klammergriff, der dich energisch festhält, bis du in Schwung gekommen bist. Ab und zu quietscht es ganz leise, wenn ich dich bearbeite. Sonst bist du still, aber du bewegst dich schon. Mechanisch mache ich weiter, es ist wie pumpen. Du musst dadurch in Schwung kommen, so wie früher. Alles dreht sich um dich. Gerade vorhin, als ich dich angefasst habe, spürte ich deutlich, wie kalt du bist. Metallisch kühl, keines dieser Schmusetierchen. Ich wäre früher nie auf die Idee gekommen, dich mit ins Bett zu nehmen. Vielleicht darunter, dort hättest du hingepasst. Oder ich hab dich einfach an Ort und Stelle liegengelassen, danach. Früher gab es mal Zeiten, da wollte ich sogar unbedingt wissen, wie es in deinem Inneren aussieht. Wollte rasend gerne einmal in dich hinein sehen. Aber es ist mir leider nie gelungen dich zu öffnen. Heute denke ich, es war besser so. Vielleicht wärst du ja innen hohl gewesen, ganz und gar hohl. Davor hatte ich immer Angst. Deshalb ließ ich dir dein geheimnisvolles Innenleben. Sonst hätte sie dich auch nie bekommen können, die kleine Schwarzhaarige. Dort im Spiegel sehe ich dich doppelt. Wie das doppelte Spiel, das du spielst. Du bewegst dich in einer Art Tanz, folgst meiner Handbewegung wie aufgezogen.
Längst hast du dich mir schon unterworfen, meinem Tempo angepasst. Alles dreht sich nur um dich um deine eigene Achse.
Du läßt dich einfach bedienen von mir. ich treibe dich an dazu schneller und noch schneller zu werden, bis du endlich auf deinen Höhepunkt kommst. Überhaupt, ich liebe sie, die Geräusche, die du dabei machst. Sie kommen tief aus dir, aus deinem Bauch und sie steigern sich im Tonfall. Bis das anhaltende gleichmäßige Brummen ertönt, mit dem du mir zeigst, dass es gleich so weit ist, der Moment in dem du mit dir völlig im Gleichklang, im Gleichgewicht bist. Ich spüre wie dein Brummen sich in mir fest und fortsetzt, mir in den Bauch fährt.
Sing, Brummkreiselchen, und sag mir doch bitte, verrate es mir, warum ich immer dann dieses Gesicht vor Augen haben muß. Das Gesicht von ihm, das Gesicht danach, das ich so liebe?
Brummkreiselchen, du kannst mir nicht antworten, nun wird dein Brummton immer leiser, bis es dich schliesslich umwirft. Aus der Bahn, mein Lieblingsspielzeug.
Manchmal spiele ich noch mit dir.
Obwohl du jetzt dieser kleinen Schwarzhaarigen gehörst.


(c) redangel


Anmerkung von redangel:

2004.........

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