Für Dich, mein stiller Raum

Innerer Monolog zum Thema Wahrnehmung

von  rela

Müde sitze ich an meinem Schreibtisch. Zum ersten mal in meinem Leben besitze ich einen
Schreibtisch. Nicht etwa einen im Büro. Nein Zuhause, in meinem ersten eigenen Zimmer.
Über eine Lebenshälfte mußte ich verschenken, bis ich ein Reich nur für mich gründen konnte.
Lange habe ich gebraucht mich für die Farbe der Wände zu entscheiden. Mintgrün sind sie
nun geworden. Das passt harmonisch zum Sofa das in den Farben Rost, Lila und dunklem
Mint den Mittelpukt darstellt.
Bei dem Wort Mittelpunkt muß ich schmunzeln. Mein kleines Reich ist nur 10 m² groß.
eine winzige Rückzugsfläche. Doch mehr, als ich je für mich besessen habe.

Es ist der schönste Raum im ganzen Haus, obwohl er der kleinste und abgelegenste von
allen anderen Zimmern ist. Früher war hier mal eine Garage, daher hat mein Raum eine
Glastür zum Hofgarten mit Blick auf den kleinen Teich. Im Sommer brennen abends um den
Teich und im begrünten Hof viele Teelichter in Behältern und Lampen.
Das wird ein schöner Anblick sein, an einem lauen Sommerabend.

In einem kleinen Zimmer kann man nicht viel unterbringen. Ich musste mich entscheiden.
Praktisch oder gemütlich. Ich habe mich entschieden. Für praktisch und gemütlich.
Eine kluge Wahl.
Zum Glück gibt es eine trapezförmige Ausbuchtung zur Hofseite und die Tür stört nicht
einmal geöffnet. Ich sehe mich um und zum ersten Mal fällt mir auf, daß der Raum durch
den Kaminvorsprung und die Ausbuchtung zehn Ecken besitzt.
Zehn Ecken auf 10 m², wer hat sowas verrücktes schonmal gesehen?
Mir fällt der Abend ein, an dem die Glasvitrine ihren Platz bekam. Gleich links neben dem
Schreibtisch. Obwohl ein wenig Platz verloren ging, habe ich sie schräg in die Ecke gestellt.
So wirkt sie viel interessanter. Mit ihren schwarzen Holzrahmen passt sie optimal zu den
restlichen schwarz/Buche kombinierten Möbeln.

Mit viel Liebe dekorierte ich die beleuchteten Glasböden. Nur besonders schöne Stücke
durften da hinein. Viele kleine Dinge an denen mein Herz hängt.
Das goldbemalte Holzboot mit sechs rudernden afrikanischen Eingeborenen. Vor vielen
Jahren habe ich es mal auf einem Flohmarkt erstanden. Die bunten Elefanten aus China-
Porzellan, die mir ein freundlicher Kunde mal schenkte.
Die Amethyst-Druse mit den winzigen Messingeulen darauf, deren Miniaturäuglein aus
grünen Glassteinchen sogar bei wenig Licht glitzernd leuchten. Ein Mitbringsel von einem
besonders schönen Urlaub. Die Schwarzglasvase mit goldenem Jugendstilmuster erinnert
mich an meinen längst verstorbenen langjährigen Chef. Doch auch die beiden Blumenvasen
die mein Vater mit Halbedelsteinen beklebt hat dürfen darin nicht fehlen auch nicht die
beiden weißen zierlichen Elfchen und meine zwei Lavasteine aus Lanzarote.
Es machte mir Freude, die Glasböden mit diesen und vielen anderen mir lieb gewordenen
Erinnerungen zu füllen.

Eine künstliche Hängepflanze ziert nun das Gesims der Vitrine. Obwohl ich künstliche
Pflanzen nicht besonders mag entschloß ich mich, da der Raum nicht sehr hell ist,
Kompromisse einzugehen. Auch der Nebler ist mit falschem Efeu geschmückt aber
in der Nische bei der Glastür darf mein echter Elefantenfuß stehen, ein prachtvolles
Geschöpf das ich schon viele Jahre liebevoll pflege. Mir scheint, wir werden zusammen
alt werden.

Sogar das riesengroße rosa-weiße Häkelkissen das so lange auf dem Dachboden verwahrt
war, hat nun auf dem großen Sofa einen Platz gefunden. Eine Handarbeit einer lieben
Bekannten aus meinen Kindertagen.

Ja, ich bin sentimental. Kann mich nicht trennen von Dingen die ich liebe, auch nicht von
den wenigen Stofftieren und Porzellanpuppen, die ihren Weg zu mir fanden.
Ihnen gehört nun ein Plätzchen auf dem Sofa.

Links und rechts von der Tür sind zwei kleine Fenster. Eine der Fensterbänke ist meine
Erinnerungsecke. Für einen Menschen, dem meine ganze Liebe gehörte ist sie gemacht.
Doch kein Fremder würde das je vermuten, wenn er das sehen würde.

In einem blauen Keramikmond sitzt ein kleiner Aloisius aus Stoff der einen winzigen goldenen
Mond in Händen hält. Neben ihm ein Sternzeichenglobus. Das Sternzeichen Stier zeigt in
Richtung einer ganz besonderen Samt-Sonnenblume, die an der Wand beim Fenster hängt.
Die Sonnenblume hat ein lächelndes Gesicht.  Auch Alouisius lächelt und das ist gut so.

Der anderen Fensterseite gehört meinem lebendes Herz. Auf der Fensterbank der kleine
Keramikbüffel, die Indianerköpfe und auf der schrägen Wand fand nun auch endlich das Bild
von Sitting-Bull seinen Stammplatz.
Dort hängt nun auch die handgemachte Mandalla aus Leder, verziert mit Perlen und Federn.
Mein Pflegesohn hat sie mir geschenkt. Ich denke an die vielen Abende an denen er
Indiander-Fetische bastelte. Weil er von meiner Liebe zu indianischen Dingen wusste,
wollte sein liebend Kinderherz mir immer eine Freude damit bereiten.

Auf dem Highbord brennt ein Teelicht, gleich neben der Skulptur eines sitzenden Indianers
der eine Friedenspfeife raucht. Ein Wolf ist bei ihm und hat seine rechte Pfote vertrauensvoll
auf dem Bein des Inianers abgelegt.
Der Kerzenschein wirft die Schatten des Federschmucks und des Wolfes an die Wand
und auch meine beiden Traumfänger werfen wunderschöne Schatten.

Während ich mir eine Zigarette anzünde wandert mein Blick auf das große Indianerbild
über dem Sofa. Dort dürfen nun die zwei Indianerkrieger auf ihren stolzen Hengsten
ihre Speere für immer hochhalten. Im Hintergrund läuft außnahmsweise Queen statt
wie sonst oft indianische Musik.

Ich lasse den Blick durch mein Zimmer schweifen. Da steht noch die beige Schneider-
puppe mit dem Holzfuß. Sie trägt meine Perlen, die echten und die falschen.
Noch nie hat sie sich darüber beschwert.

Alles Stilbruch denke ich und lächele still vor mich hin. Doch trotz all des alten
Trödels wirkt das Zimmer doch eher modern.

Jedes Stück im Raum, erzählt eine Geschichte. Genaugenommen ist es die Geschichte
meines Lebens.

Meine Müdligkeit ist wie weggeblasen. Nach langer Zeit verspüre ich wieder Lust zum
schreiben. Ja, ich schreibe wieder und eine Liebeserklärung stiehlt sich auf die so lange
unbeschriebenen Blätter meines Schreibblockes.
.
Es ist eine Liebeserklärung an diesen stillen Raum, in dem es im Augenblick nur meinen
Atem gibt und den Song "I want to break Free"

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Kommentare zu diesem Text

Ela S. (60)
(07.11.05)
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 rela meinte dazu am 07.11.05:
Liebe Ela, Du hast das sehr richtig erkannt mit dem Frieden und der ruhigen Aura in unseren vier Wänden. Dieser stille Raum den ich beschrieb ist wie eine Insel, eine Rückzugsfläche vor dem Rest der Welt,
einschließlich Internet. Nur der Musik ist der Zugang nicht verwehrt.
Liebe Grüße, Rela
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