Nachts, halb drei in Deutschland

Erzählung zum Thema Urteilsvermögen

von  KopfEB

Seltsame Gestalten torkeln mir entgegen, die leere Strasse brennt sich in meinen Blick. Fernab heult ein LKW die Bundesstrasse entlang und zeugt von meiner Abgeschiedenheit.

In dieser finsteren Einöde schleifen meine Füße über den Asphalt, hinterlassen eine kratzige Melodie, getreten vom Rhytmus der Männer, die meinen, meine Arme festhalten zu müssen.
Ich fühle mich bedroht, wer ist das? Wie komme ich hierher?
"Ich kenne sie nicht, habe nichts mit ihnen zu schaffen," wimmere ich, doch ausser verständnislosen Blicken aus leeren Augen, die wohl nur der Hass beseelen kann, ernte ich rein gar nichts.
Mir scheint, als hätte der eine verständnisvoll den Kopf bewegt, aber das Mitleid reicht nicht einmal so weit, mir mein Schicksal zu erläutern.
Ich werde auf die hintere Sitzbank eines Autos befördert, meine beiden Peiniger steigen vorne ein. Scheinbar war alles von langer Hand vorbereitet, der hintere Teil des Wagens ist jedenfalls mit Gittern abgetrennt und Einer spricht in ein Walkietalkie hinein. Ich kann nicht verstehen, was er sagt, in meinen Ohren ergibt nichts davon einen Sinn. Als ob sie meine Sprache sprechen, aber irgendwie doch nicht. Verschlüsselt, ein Code?

Wir setzen uns schließlich in Bewegung und fahren die Strassen entlang. Schon nach kurzer Zeit weiß ich nicht mehr wo wir sind. Scheinbar fährt der Kerl blindlings durch die Stadt, um mich zu verwirren.
Und das funktioniert auch. Mir dreht sich schon alles im Kopf und ich merke, dass mein Magen von einer mächtigen Übelkeit gepackt wird.
"Gift!?", schießt es mir durch den Kopf. Aber wie? Und wann? Nein, ich denke nicht, es muss einen anderen Grund geben. Aber welchen?
Während ich noch meinen Fragen nachhänge, stoppt der Wagen und wir halten vor einem erleuchteten Gebäude. Irgendetwas kommt mir bekannt vor, ich kann nur nicht genau sagen was, geschweige denn, wo wir sind. Wenn ich recht überlege, dann erinnern mich auch die beiden Gestalten an etwas, nur was? Was wollen diese Kerle von mir?
Sie schleppen mich nach drinnen. Jetzt gibt es keinen Zweifel mehr, sie müssen mich irgendwie betäubt oder vergiftet haben, meine Beine versagen mir den Dienst. Ich stolpere mehr, als dass ich laufe.
Man setzt mich hart auf einen Stuhl, mein Kopf fällt müde auf die Brust, ich kann mich kaum noch halten. Jemand kommt, jemand Fremdes. Er hebt meinen Kopf an, schaut mir in die Augen. Ein helles Licht blendet mich, er stellt mir Fragen, die ich nicht verstehe, nicht beantworten kann.
Mit einem Schulterzucken nickt er dem Mann zu, der scheinbar die ganze Zeit neben mir gestanden hat und dieser führt mich weg.
Eine Gittertür öffnet sich unter lautem Schlüsselgeklimper und ich werde herein geführt und auf das Bett geworfen.
Ein Knall, dann beherrschen Dunkelheit und Stille erneut meine Welt.

                                              ---

Ich wache auf, mit schrecklichen Kopfschmerzen, als die Tür sich wieder öffnet und ein Lichtstrahl in mein Gefängnis fällt.

"Schönen Guten Morgen,"

heute scheint mit der Sprache alles zu stimmen,

"wie haben sie denn geschlafen, Herr B.? Ist alles wieder in Ordnung mit ihnen? Sind sie in der Lage nach Hause zu gehen, einigermaßen nüchtern?"

"Ja, Herr Wachtmeister. Kein Problem, alles OK."

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Kommentare zu diesem Text


 BrigitteG (29.12.05)
Ah, eine dramatische Geschichte, die amüsant endet. Ein paar Anmerkungen : gleich am Anfang - ein LKW, der von Abgeschiedenheit zeugt? Finde ich komisch. Dreimal taucht in Deinem Text "scheinbar" auf. Es steht ja nicht zu dicht aneinander, von daher sollte es mich eigentlich nicht stören. Aber irgendwie habe ich es registriert.
Hat Dein lyrisches Ich eigentlich Angst in dieser recht bedrohlichen Situation? ich habe davon nichts gemerkt. Ich habe überlegt, ob man die Auflösung am Schluss noch knackiger und witziger machen kann, aber mir ist da auch nichts konkretes eingefallen.
Also insgesamt finde ich die Grundidee gut und kreativ, und die Beschreibung der Bedrohung auch. Die emotionale Situation kommt eher etwas sparsam rüber. Liebe Grüße, Brigitte.

 KopfEB meinte dazu am 29.12.05:
;-) Der LKW hat autobiographische Züge. Wenn ich um diese Uhrzeit durch das nächtliche Löningen schlurfe, dann sieht man nichts und hört man nichts, ausser vielleicht einem vereinzelten LKW, der in einiger Entfernung über die Bundesstrasse bügelt. Um das zu hören muss ein Kaff echt ausgestorben sein, so wie das hier unter der Woche und zu nachtschlafender Zeit. *g*
Was die Fehlerchen angeht, ich hab´s halt erdacht, während ich in solch einer Nacht den Heimweg bestritten habe und eigentlich, sollte der Text ganz anders werden. Aber als ich zu Hause ankam, war nur noch der Anfang in meinem Kopf, die Geschichte ist dann von allein aus meinem verstrahlten Kopf gesprungen. (Kennst du das, wenn einem Texte, am besten noch Gereimtes, auf dem Nachhauseweg in den Sinn kommen und man hat nichts zu schreiben dabei?)

Ach ja, was die Emotionen des Protas angeht könntest du schon recht haben. Es ist mir schwer gefallen, einen Besoffenen so darzustellen, dass er selber es nicht merkt und genauso wenig der Leser. (Obwohl es mir in dem Moment ähnlich erging
(Antwort korrigiert am 29.12.2005)

 BrigitteG antwortete darauf am 29.12.05:
Texte im Kopf hin- und herzuwenden, während man sie nicht schreiben kann, das kenne ich, gerne bei Kolumnen.
Gereimtes, das einem auf dem Nachhauseweg in den Sinn kommt, kenne ich mit Sicherheit nicht *g*. Ich kann nicht gut reimen und bin in der Hinsicht eher talentfrei, und für limericks nehme ich ein Reimlexikon *gg*.

 KopfEB schrieb daraufhin am 29.12.05:
Reimlexikon? Was es nicht alles gibt, die Welt versetzt mich immer wieder in erstaunen.
Ich glaube jeder Mensch kann alles, was ein andrer kann, wenn er wirklich will. Vielleicht nicht so gut von Anfang an, aber er wird besser. Wobei ich persönlich auch schon seit einigen Jahren dem Reim abgeschworen habe. Aber hin und wieder packt es mich halt doch
Gerade das, was man nicht kann, sollte kultiviert werden. Dort sind die grössten Fortschritte zu erwarten, wenn man es nur wirklich will. Allerdings werde ich wohl auch nie Latein lernen, eben weil ich´s nich will. Und wie beim Reimen ist es nicht wirklich von Nöten, das zu beherrschen.

 KopfEB äußerte darauf am 13.02.06:
Endlich komm ich mal dazu meine Texte ein wenig aufzuarbeiten. Hab Dank für deine Hinweise, werte Brigitte.
Samjessa (28)
(03.05.08)
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