Gegenschlag

Verstand vs. Irrsinn


Eine archivierte Kolumne von  Melodia

Dienstag, 11. Oktober 2016, 23:16
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Von der Unfehlbarkeit radikaler Idiotie

Manchmal sind Briefkästen eine wahre Fundgrube für Kleinodien, wenn sich zwischen Werbung, Rechnungen und GEZ-Briefen z.B. Spendenaufrufe mit fragwürdigen Motiven oder Einladungen zu dubiosen Veranstaltungen befinden. In diesem Fall handelt es sich um letzteres. Zwischen all dem Papier fiel mir ein kleines, knallrotes, 4-seitiges Flugblatt in die Hände: Eine Einladung zum Informationsabend des CID; des Christlichen Informationsdienst.

Aber der Reihe nach. Das Deckblatt verriet zunächst nicht, um was für eine Veranstaltung es sich handelt. Zu lesen waren lediglich „Herzliche Einladung – zu einem wichtigen Informationsabend. Do. 13.Oktober 2016, 20 Uhr.“ Gefolgt von Ort und Anschrift sowie dem Hinweis, dass der Eintritt frei sei. Blätterte man um, wurde man von einem Text erschlagen, der, damit alles an Inhalt drauf passte, so klein gehalten war, dass man schon eine gute Brille benötigte, um alles zu entziffern. Hier die kurze Wiedergabe des Textes.

Die Beschreibung eines Kurhauses in Schönwald, der sich im Besitz des Veranstalters befindet und was es dort für Aufenthaltsmöglichkeiten gibt. Wer genau der Besitzer ist, weiß man zu diesem Zeitpunkt noch immer nicht. Der nächste Abschnitt beschreibt die Nächstenliebe, die allen hilfesuchenden Menschen egal welcher Herkunft und mit welchen Problemen dort erwartet. Ja, alle Menschen; der genaue Wortlaut: „[…] Unabhängig von Religion, Rasse, Hautfarbe oder Nationalität […] Kennt ihr dieses Gefühl, wenn man innerlich kurz zusammenzuckt, weil irgendetwas komisch ist oder einfach nicht passt? Aber es ging noch weiter und spätestens dann wurde das Zusammenzucken zu einem unwillkürlichen Tick:
„[…bieten] auf echt christlicher, biblischer Basis Hilfe an“ […] „In den täglichen Andachten empfangen alle die stärkende und erfrischende Speise aus der Quelle des Wortes Gottes“. […] „so ist das Kurhaus Viktoria auch ein Missionshaus.“[...]

Ich bin mir gar nicht sicher, welche von diesen Aussagen ich am haarsträubendsten finde.
Die Seite schließt mit Klarstellungen ab. Der CID - hier taucht erstmals der Veranstalter auf, wenn auch nur in seiner Abkürzung – sei keine Sekte, Organisation oder dergleichen. Es gibt keine Mitgliedschaft und jeder sei frei zu kommen und zu gehen, wie es ihm beliebe. Mit ihm ist vermutlich der „Anführer“ Werner Arn gemeint, der auch den Vortrag halten wird. Aber das ist nur Spekulation.

Mag sein, dass es sich beim CID tatsächlich um keine Sekte handelt. Dann aber definitiv um einen Haufen radikal-religiöser Spinner, um es wohlwollend zu formulieren. Denn ist der Auftritt auf den ersten beiden Seiten noch relativ weltoffen oder wirkt zumindest primär karitativ, wird der Spieß auf der dritten Seite vollkommen umgedreht: „Mut zur Wahrheit – Was ist die Wahrheit? JESUS, die einzige Rettung!“ Das ist schon gruselig genug, aber da setzen die locker noch einen drauf: „Die Welt ist gerichtsreif! Die Gottlosigkeit unserer Zeit in der Politik, in den Schulen, in den Familien, in den Kirchen.“ Fast sehne ich mir auch die Apokalypse herbei! Apropos Gottlosigkeit in Schulen. Warum ist in einem säkularen Staat eigentlich der christliche Religionsunterricht fest verankert? Bin nur neugierig.

Damit ist der schriftliche Kreuzzug aber noch lange nicht beendet! Denn was wären radikale Christen nur ohne ihren Hass auf andere Religionen, in diesem Fall der Islam, der nach guter PEGIDA-Art oder rechts-populistischer Parteienpolitik, die Freiheit in Europa bedrohe. Ist klar! So langsam habe ich keine Lust mehr, diesen ganzen Propagandaäffchen klar zu machen, dass sie Lügen und Blödsinn von sich geben. Und leider gibt es noch mehr Denkverweigerer, die ihnen das alles abkaufen! Aber natürlich reicht es dann, wenn man „Buße zu tun“, wie der CID auffordert. Dass auf der letzten Seite des Flugblattes noch ein Bibelzitat in der guten alten Frakturschrift zu lesen ist, überrascht dann auch nicht weiter. Den ganzen stolzen Rechten sollte mal jemand verraten, dass die Frakturschrift in der NS-Zeit als „Judenschrift“ schließlich verbannt wurde. Weniger Bücher verbrennen, mehr lesen! In diesem Fall nehme ich die Bibel mal außen vor. Erst am Ende werden der Name und die Ziele des CID genannt. Im Nachhinein verständlich, denn würde sich sonst so etwas durchlesen?

Ich bin fast versucht mir morgen die Veranstaltung anzuschauen. Aus reiner Neugier, was da für Menschen hingehen. Mein Problem dabei ist, ich weiß genau, dass ich nicht die Klappe halten könnte und lautes Lachen würde vermutlich auch zu einem vorzeitigen Verlassen führen. Denn die Schlusspointe setzt das Flugblatt selbst mit einem kleinem Kasten, der einer gewissen Ironie nicht entbehrt: „Menschen ohne richtige INFORMATION unterliegen irgend einer MANIPULATION“. Besser hätte ich es auch nicht formulieren können!

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Kommentare zu diesem Kolumnenbeitrag

Graeculus (69)
(12.10.16)
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 Melodia (12.10.16)
Hehe netter Versuch
Jeder bei klarem Menschenverstand wird aber meiner Ausführung beipflichten!
Graeculus (69)
(12.10.16)
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 Melodia (13.10.16)
Ach so... ja da hast du vermutlich leider Recht, wenn man das große Ganze betrachtet...
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