Gegenschlag

Verstand vs. Irrsinn


Eine archivierte Kolumne von  Melodia

Montag, 14. November 2016, 23:29
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Gute Menschen gehen nicht in die Politik

Eine Woche ist nun vergangen und noch immer dominieren die Präsidentschaftswahlen in den USA die Medien. Das war aber auch eine Überraschung, dass die lebende Satire, dieser bigotte, sexistischer und xenophobe Erbmilliardär Donald Trump tatsächlich ab Januar die Geschicke seines Landes führen wird. Nun ja, genau genommen war es durchaus im Bereich des Möglichen und fast bin ich froh darüber.

Bevor jetzt ein Aufheulen durch die Reihen geht, lasst mich das kurz erklären. Es steckt viel Zynismus in der Aussage. Denn selbstverständlich ist er bigott, sexistisch, xenophob und wenn man sich anschaut, wer sich alles in seinem Wahlkampagnenteam herum tummelt - von den Unterstützern mal ganz abgesehen - wohl auch irgendwie ein klein wenig rassistisch. Aber er wurde gewählt. Was soll man machen? Seine illegal eingewanderte Frau sexuell belästigen? Ich bezweifle, dass dies sinnvoll wäre. Oft hört man auch, die ganzen Hinterwälder, Rednecks und Rechte haben ihn gewählt. Mit Sicherheit, ja. Aber auch 40% der Frauen. Unter anderen.

Die Demokraten haben sich selbst ins Bein geschossen. Zunächst haben sie bei den Vorwahlen Bernie Sanders abgesägt, denn es musste unbedingt Clinton werden! Sehr zum Frust vieler Menschen. Nicht nur, dass Clinton Teil einer Politdynastie ist, nein, sie war bereits zuvor in politischen Ämtern, auch als Außenministerin unter Obama. Dessen Amtszeiten verliefen ebenfalls nicht so, wie man es sich erhofft hatte. Aus den Anti-Kriegs-Transparente schwenkenden Bush-Gegnern wurden beschwichtigende Demokraten, die sich Obamas Politik zurecht redeten. Die Folge war steigende Unzufriedenheit in mehreren Gegenden.

So zum Beispiel im so genannten Rust-Belt rund um die Großen Seen. Eigentlich traditionell demokratische Bundesstaaten, dessen Bewohner aber immer mehr unter der herrschenden Politik zu leiden hatten. Habt ihr mal aktuelle Bilder von Detroit gesehen? Wem verwundert es da, dass genau diese Menschen keine Lust mehr darauf hatten. Außerdem hatte Trump gezielt genau in diesen Staaten die Werbetrommel für sich gerührt. So großmäulig und grobschlächtig wie er regelmäßig in den Medien zu sehen war, würde man ihm politisches Kalkül gar nicht zutrauen. Oder seinen Beratern. Andererseits wurde uns auch nur ein ganz bestimmtes Bild von Trump verkauft. Oder kennt jemand das Fernsehinterview, in dem er den Syrienkrieg als Fehler bezeichnet und die Waffenlieferungen an Saudi-Arabien für den Krieg gegen Jemen verurteilt?

Hillary Clinton hatte bereits zuvor durchsickern lassen, dass sie die Arbeit Obamas fortführen würde, faktisch den Status quo aufrecht erhalten wollte: Abhörskandale, eingesperrte Whistleblower und Journalisten. Eine Frau, die Drohnenangriffe anordnete, mit Saudi-Arabien taktierte, die von dubiosen Milliardären unterstützt wird, die für viel Geld Reden vor Banker und Broker hält, mit einem riesigen Mailskandal. Eine Frau, die Madeleine Albright als Vorbild nennt und Henry Kissinger verehrt. Eine Frau, die behauptet hat, bei der Landung für den Truppenbesuch in Bosnien 1996 geduckt Scharfschützenfeuer ausweichen zu müssen, auch wenn die Fernsehbilder zeigten, dass sie von Kindern mit Blumen begrüßt wurde. Die erste Frau als Präsidentin wäre nicht progressiv gewesen, sondern geheuchelt. Irgendwann mussten die Wähler genug haben. Trump verspricht damit aufzuräumen.

Er ist nicht Teil des politischen Establishments und möchte den fallenden Mittelstand mit gerechteren Löhnen abfangen. Gleichzeitig möchte er die Reichen noch reicher werden lassen, Bankenregulierungen wieder abschaffen, Obamacare einmotten, eine Mauer zu Mexiko errichten und illegale Einwanderer abschieben. Dürfte ich hier diesbezüglich noch mal an seine Frau erinnern? Die Medien haben versucht den Menschen Angst vor Trumps Taten zu machen. Teilweise durchaus berechtigt. Sie haben dabei nur vergessen was Clinton bereits getan hat! Wem wundert es da, das Wähler dann machen was sie wollen?! Die tollen Wahlprognosen zu Wahl. Not gegen Elend, Pest gegen Cholera und man erwartete tatsächlich, dass diese korrekt seien?

Das Wahlsystem der USA ist ohnehin ein demokratischer Hohn! Clinton hat 1 Mio. Stimmen mehr erhalten als Trump, aber entscheidend sind am Ende die Wahlmänner. Fast 50% der stimmberechtigten US-Amerikaner waren gar nicht an den Urnen. Die alternativen Parteien, bisher nie über 0,5%, haben 9% der Stimmen erhalten. Ab jetzt gibt es kein Verstecken mehr, keine schönen, heilen Welten suggerieren, wie unter Hillarys Mann Bill Clinton oder Obama. Die USA sind nun ein offenes Blatt für die ganze Welt: rassistisch, verlogen, rückständig und arrogant. Erkenne dich selbst. Es kann nur besser werden.

Und bevor jetzt Witze über „die dummen Amis“ gemacht werden, denkt daran: Bei uns sind nächstes Jahr auch Wahlen. Denn so weit sind wir von diesen Verhältnissen auch nicht mehr entfernt.

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Kommentare zu diesem Kolumnenbeitrag

Graeculus (69)
(16.11.16)
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 Melodia (17.11.16)
Ja, es ist leicht im Nachhinein... denn vorher hat mir niemand geglaubt!

"Fachleute" in den Bereichen Politik und Prognosen... gewagte Formulierung, wenn man sich anschaut wer und was alles auf diesem Parkett herumtollt. Auch bei uns. Noch immer mein liebstes Beispiel: Hans Eichel. Finanzminister mit einem Germanistik- und Philosophiestudium auf Lehramt. Da braucht man ja gleich noch mehr "Fachkräfte" als Berater, um das irgendwie gerade zu biegen.

Und man braucht schon eine ganz besondere Person, um gegen Trump zu verlieren. Fast jeder, auch Clinton selbst, hat es als selbstverständlich angesehen, dass sie gewinnen wird...

Hochmut kommt vor dem Fall.
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