Schweizer Käseallerlei

Nicht immer ganz ernstgemeinte Blicke über die Grenze


Eine archivierte Kolumne von  Maya_Gähler

Montag, 19. November 2007, 09:42
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Ein Käse der ganz anderen Art

Ein wirklich käsiger Tag in meinem Leben

Aufgrund eines Leidens, welches ich seit 24 Jahren mit mir rumtrage, sollte ich vor ein paar Tagen zu einer MRT (Magnet Resonanz Therapie). Wohlgemerkt sollte.

In der Patientenaufnahme des Kantonsspitals wurde ich freundlich empfangen. Nach Erledigung der Formalitäten wurde ich von einer netten Dame auf die Station begleitet. Dort war wieder ein Schalter und ich zeigte brav mein Patientenkärtchen. Die Dame dort war nicht ganz so freundlich, aber kompetent. Dass ich dies so betone hat seinen Grund, wie ihr noch merken werdet.

Sie hiess mich durch die nächste Tür rechts zu gehen. Da ich nicht wusste, was mich dort erwartet, klopfte ich an. Nichts tat sich. Zaghaft öffnete ich die Tür und sah einen langen Gang. Auf der rechten Seite zwei Türen. Ich ging geradeaus und es kam mir vor, als sei ich in einer Tiefgarage gelandet. Ringsum graue Betonwände, wenig einladend und irgendwie furchteinflössend. Vor mir sah ich eine halboffene Schiebetüre. Der Gang, den diese Öffnung ein wenig frei gab, sah auch nicht einladender aus. Endlich entdeckte ich auf der linken Seite noch eine Schiebetüre, welche offen stand. Ich ging dorthin und sah in diesen Raum. Ich grüsste freundlich und vier Augenpaare musterten mich streng von oben bis unten. Kein Wort des Grusses kam mir entgegen. Nur Schweigen. Ich bemerkte, dass ich zur MRT angemeldet sei. Meine Worte klangen da schon ziemlich hilflos, denn ich meinte zu wissen, wieso man mich so entgeistert ansah.

Laut meinen Recherchen vor dieser Untersuchung, hiess es immer wieder, also diese Röhre, in welche du rein kommst, ist nicht sehr grosszügig im Platzverhältnis. Und das schoss mir durch den Kopf: „Dachten sie wohl, wie sollen wir die nur in die Röhre bekommen“ Ihre Gesichter sahen zumindest danach aus.

Endlich brach eine der anwesenden Damen das Schweigen und nahm mir meine Patientenkarte ab. Sie meinte, ich solle mich einen Moment gedulden. Gut, Geduld hatte ich genügend am Morgen eingepackt. Eine andere Dame sagte mir, ich solle nun mit ihr mitkommen. Wir gingen diesen Gang zurück und sie öffnete eine der beiden Türen. Knallte sie zu und machte die andere Tür auf. Sie schob mich durch die Tür. Eine winzige Umkleide verbarg sich dahinter. Auf einem Brett lagen ein Stapel Krankenhaushemden in sterilem Weiss und ein Stapel Handtücher, noch weisser. Die Dame nahm eines der schicken Hemden in die Hand, sah mich an und warf das arme Hemd wieder zurück. Dann nahm sie ein Handtuch auf, drückte es mir in die Hand und schnauzte mich an: „Das können sie auf die Beine legen.“ Ok, auf die Beine. Wann? Wo? Wie? Was? Keine Ahnung. Dann kam in noch barscherem Ton: „Alles ausziehen, bis auf Slip und Strümpfe.“ Noch ein böser Blick und dann: „Das Shirt können sie anlassen, das wird ja wohl kein Metall drinnen haben. Hahaha.“ Und schon war sie durch die Tür verschwunden.
Ich stand wie eine Blödfrau da. Ich wusste nicht, soll ich weinen, lachen, schreien oder alles zusammen. Da entdeckte ich ein Schild, auf welchem stand, was man alles abzulegen hätte. Sogar das Make-up, sofern man welches trug musste entfernt werden. Toll ohne Spiegel. Wie gut hatte ich darauf verzichtet eines aufzulegen.

Ich zog mich also aus. Und so stand ich dann da mit meinem Handtuch, welches mir nicht um die Hüften reichte. Öhm. Jetzt muss ich hier also so raus? In die Tiefgarage mit unzähligen kommenden und gehenden Menschen. Naja, allzu scheu bin ich ja nicht, also raus aus der Garderobe in Unterhosen, Socken und Shirt. Handtuch in der Hand. Drum heisst es ja auch so und nicht Hüfttuch.

Ich fragte vorsichtig nach, in diesem seltsamen Raum mit Wandschreibtischen, was ich nun tun solle. Man hiess mich auf dem Stuhl dort (einziger, mutterseelenalleiniger Stuhl an einer Betonwand) Platz zu nehmen. Ich fragte vorsichtshalber noch einmal nach, was ich mit dem Handtuch zu tun hätte. Da meinte sie: „Über die Beine legen, was sonst.“ Ja klar, was wohl. Blödfrau du. Ich nahm unsicher Platz, legte mir das Tuch über die Beine und schaute mich um. Beton, grau und düster. Wahrscheinlich sind die Angestellten deswegen so schräg drauf. Oder bin ich so komisch drauf? Das Geräusch des MRT war laut und deutlich zu hören. Aber es störte mich nicht. Im Gegenteil, es gab mir sowas wie Sicherheit, dass ich noch lebte.

Eine Dame in weissem Kittel kam herein, ohne Gruss. Ja klar, grüssen ist ja dort nicht angesagt. Sie setzte sich an einen freien Platz und hämmerte auf der Pc-Tastatur herum. Plötzlich sah ich auf dem Bildschirm Knochen oder sowas. Krass… ich konnte mit ansehen, wie die Knochen der Person aussehen, die gerade in der Röhre liegt. Mulmiges Gefühl und soviel zum Arztgeheimnis und Patientenschutz. Klasse. Auch wenn es nur Knochen waren.

Eine andere Dame streckte den Kopf aus dem seltsamen Büro oder was es sein sollte heraus und rief: „Händ sie de Frogeboge scho usgfüllt?“ Ich verneinte. Fragebogen? Nö, hat keiner was gesagt oder hatte ich wieder mal was nicht mitgekriegt? Da kam eine kleine drahtige Person auf mich zu, warf mir einen Zettel und einen Stift hin und meinte: „Usfülle.“
Ei, ei Ma`m mach ich sofort.
Ich füllte meine Personalien aus. Gab mein Gewicht wahrheitsgemäss an. Kreuzte an, dass ich Metall im Körper habe, genauer gesagt im Mund. In meinem Alter hat man halt nicht mehr alle eigenen Zähne, tröstete ich mich. Die Prothese hatte ich in der Garderobe gelassen, aber die beiden Druckknöpfe konnte ich nicht rausnehmen, sind ja eingepflanzt. Ich gab auch an unter Platzangst zu leiden. Und dass ich alles wahrheitsgetreu ausgefüllt habe, Ort, Datum, Unterschrift. Die kleine Drahtige kam wieder, nahm das Blatt und warf es auf den Schreibtisch. Eine andere Frau nahm es auf und las es durch. Schaute mich wieder so seltsam an und rief: „Chönnt sie da Medall nöd ussenäh?“ Nein, kann ich nicht.

So ganz langsam bekam ich es wirklich mit der Angst zu tun. Plötzlich stand ein Herr auf dem Tiefgaragenvorplatz, musterte mich und grinste. Himmel, er hatte ein Stück meines Oberschenkels entdeckt, das Tuch war ein wenig verrutscht. So ein doofes Ding. Er fragte die Herrin des Betonklotzes, ob sein Vater noch lange warten müsse. Da sagte sie: „ Da isch denn nöd mini Station.“ Aber eine andere Dame kam sofort herbei geeilt und nahm sich des verdutzten Herrn an. Ich habe nachher nichts mehr von ihm gehört oder gesehen.

Das Geräusch war weg. Die Tür zum Mysterieraum öffnete sich und eine nette Dame in schickem Nachthemdchen (ihr passte es wenigstens) kam heraus und grüsste mich sehr freundlich. Ich grüsste ebenso freundlich zurück und sie schenkte mir noch ein aufmunterndes Lächeln. Nun war ich an der Reihe, ich betrat den Raum und konnte mich gar nicht umsehen. Ich wurde gefragt, was mein Lieblingsradiosender sei. Verwirrt sagte ich: „SWR3, wieso?“ Die Dame hielt mir riesige Kopfhörer unter die Nase und meinte: „Deswäge.“ Ach so.
Ich wurde gebeten mich auf die Bahre zu legen. Ich betete, dass sie halten möge. Sie sah so wenig stabil aus. Vorsichtig legte ich mich darauf und stellte erstaunt fest, das Ding ist zwar schmal, aber gar nicht so unbequem und überhaupt nicht wackelig.

Ich bekam einen Ballon in die Hand gedrückt und erklärt, dass ich nur leicht drücken müsse, das wäre der Alarm. Gut zu wissen ist auch, dass das Ding auf die kleinste Zuckung reagierte. So hiess es, ganz still liegen und ja nicht bewegen. Gut, das sollte man hinbekommen. Dann kam der Hinweis, man würde nun die Kamera anbringen. Kamera war gut. Ein Eisengestell, welches zwei Damen heben mussten, wurde mir quer über den Hals montiert. Eine erste Panik machte sich bemerkbar. Hilfe, ich werde am Hals festgemacht. Ich will hier raus.

Meine langen Haare waren wohl auch ständig im Weg und so wurden an ihnen herumgerissen und so komisch hingelegt, dass ich dachte, ich müsse an meinen eigenen Haaren ersticken. Ich versuchte mich zu beruhigen. Faltete meine Hände über dem Bauch ganz vorsichtig, nicht dass der Alarm los geht. Dann hiess es, dass ich nun hineingefahren werde. Ein Lift hob die Bahre an, ich schloss die Augen und würgte. Meine Arme wurden nach unten gerissen, was zur Folge hatte, dass sich mein Busen nun auch noch in Richtung Hals begab. Gestell, Haare und Oberweite stellten mir die Luft ab. Von draussen hiess es: „Gohts?“

„Nein“, krächzte ich und da war ich auch schon auf dem Weg zur Freiheit. Ich machte dann noch den Fehler, dass ich die Augen zu früh öffnete. So bemerkte ich, dass von meiner Nasenspitze bis zur Röhrendecke kein halber Zentimeter Luft war.

Ruck zuck wurde alles abmontiert und ich stand wieder in Unterhosen auf dem Tiefgaragenvorplatz. Ich wurde gefragt, ob ich mit dem Auto da sei. Dies verneinte ich und sagte, dass ich mit dem Bus und Zug gekommen sei. Ja, dann müssen wir einen neuen Termin vereinbaren, liess man mich wissen. Sehen sie zu, dass sie jemand begleitet und sie mit dem Auto bringt.

Ich ging mich wie in Trance anziehen. Warum durfte ich nicht erklären, dass man mir doch nur alles ein wenig anders hätte richten müssen und ich hätte den Mut aufgebracht für die Röhre, ohne Beruhigungsmittel.

Nun nehme ich in den nächsten Tagen den zweiten Anlauf und ich hoffe, die setzen mich so unter Drogen, dass mir eh alles egal ist.

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Kommentare zu diesem Kolumnenbeitrag


 tulpenrot (19.11.07)
Liebe Maya,
wenn du nun den zweiten Anlauf nimmst - dann mit Schwung - und mitten durch das Käseloch! Vielleicht kannst du deine Lieblings - CD mitnehmen ... oder soll ich dir noch schnell Gedichte aufsprechen? Es ist wirklich beklemmend, wenn man so unfreundlich abgehandelt wird .. schließlich ist so eine Untersuchung zwar nicht gefährlich, aber dennoch nicht der Hit. Das hast du hier eindrücklich berichtet.
LG
Angelika, die an dem ersten fehlgeshlagenen Uuntersuchungs-Tag mitlitt.
wupperzeit (58)
(19.11.07)
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 souldeep (23.11.07)
das macht mich sooo böse, so hässig, so sauer, dass ich
kaum in worten ausdrücken kann, wie ich das finde, was
dir hier widerfahren ist, liebe Gudrun!!!

lass mich stumm betonen, dass du dir das nicht gefallen
lassen musst. und dir nur wünschen, dass du nicht allein
hin musst und dich sicher weisst...in dir...mit den verdammten
drogen, die sie dir geben sollen.

echt.

dir herznahe grüsse
kirsten
ähm, ja, hast du packend geschrieben, wie du siehst...
:)))
Lena (58)
(25.11.07)
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