Schweizer Käseallerlei

Nicht immer ganz ernstgemeinte Blicke über die Grenze


Eine archivierte Kolumne von  Maya_Gähler

Montag, 11. August 2008, 00:07
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Dieser Käse mit Gadaffi und Co.

Meine Sommerpause ist vorüber.
Hier im Aargau sind die großen Sommerferien schon wieder Vergangenheit. Fünf Wochen haben wir dem dolce Vita gefrönt. Haben den Sommer genossen und Körper, Geist und Seele konnte sich wunderbar erholen. Zumindest dachte ich dies.
Wenn ich aber so in mich hinein höre, dann merke ich, es brodelt in mir und zwar gewaltig.
Ich hatte mir fest vorgenommen, dass ich in diesen fünf Wochen auf Nachrichten, Radio, TV, Internet etc. verzichte. Ganz gelungen ist es mir nicht.
Wenn ich ins Dorf lief, um einzukaufen, dann prangten dort in der Tür vom Bäckerladen riesige Schlagzeilen. Auch wenn ich sie nicht lesen wollte, sie brannten sich einfach in mein Hirn ein.

Ein Beispiel:
Da kommt ein Sohn von Herrn Gadaffi in die Schweiz, zieht hier sein Ding durch. Da kann man ja im Prinzip nichts dagegen einwenden. Wenn es aber um Misshandlung von Angestellten geht, dann geht das die Allgemeinheit auch etwas an. Und dann sagt man einfach, bei uns in Libyen ist es normal, dass man mit Bediensteten so umgeht.
Ich fragte mich dann ein paar Mal, wie es wohl wäre, wenn ich mich nach Libyen trauen würde und dort dann einfach mal mit Angestellten eines Hotels ein wenig rauer umgehen würde, als es sonst meine Art ist. Ich befürchte, dass ich dann grad hinter schwedischen, bzw. libyschen Gardinen enden würde.
Jetzt zieht die Schweizer Regierung tatsächlich in Erwägung, dass man sich bei Libyen und somit bei Gadaffis Familie offiziell entschuldigt. Vom Kidnapping einiger Schweizer in Libyen (nach dem erwähnten Vorfall) will ich hier gar nicht schreiben.
Ich habe mit meiner zukünftigen Schwiegertochter, sie hat algerische Wurzeln, diskutiert. Sie arbeitet in Zürich im Dienstleistungsgewerbe, im Verkauf. Es ist ein weltweiter Konzern, der in der berühmten Zürcher Bahnhofsstrasse ein großes Ladengeschäft hat und Modeschmuck und sonstige Accessoires verkauft. Sie erzählte mir, dass sie durch ihr arabisches Äußeres und ihr perfektes Zürideutsch oftmals in seltsame Situationen gerät.
Die Begebenheit, die ich Ihnen nun erzähle, hat wohl nicht viel mit Aussehen und Mundart zu tun. Sehr wohl aber mit Sitten, Gebräuche, Anstand, Respekt und Menschlichkeit.
Vor einiger Zeit war eine Damenrunde mit Kindern im Geschäft. Sie waren arabischer Abstammung und sie haben fleißig eingekauft. Die Körbe haben sich ruckzuck prall gefüllt. Meine Schwiegertochter in Spe hat sich erlaubt eine Kundin darauf aufmerksam zu machen, dass die Kinder ständig die lustigen, bunten Ketten aus den Ständern nahmen und auf den Boden warfen. Sie trampelten darauf herum und einiges ging zu Bruch. Sie bat die Kundin, sie möge doch den Kindern sagen, dass sie dies nicht tun sollten. Zum einen gehören die Ketten nicht auf den Boden, zum anderen ginge einiges kaputt, was dann nicht mehr verkauft werden könne.
Vielleicht können sie ahnen, welche Antwort sie bekam.
Vielleicht werden Sie auch einwerfen, nun dies könne genauso gut auch mit Kindern aus der CH passieren, da stimme ich zu. Jedoch geht das Ganze noch ein wenig weiter.
Schließlich sei sie doch dafür angestellt, dass sie dies aufräume und was ginge sie es an, was die Kinder täten, bekam sie zu hören. Noch einmal versuchte sie höflich zu erklären, dass dies in der Schweiz nicht üblich sei. Die Damen zahlten, verließen wutentbrannt den Laden. Einen Tag später kamen die Damen wieder, diesmal mit männlicher Verstärkung. Man verlangte einen Kniefall und eine laute, offizielle Entschuldigung bei den Kindern und den Damen. Man habe ja schließlich viel Geld im Geschäft liegen lassen und somit sei eine Entschuldigung das Mindeste, was man erwarten könne.
Die Geschäftsführerin, eine Albanerin, stimmte den Wünschen zu und so musste sich die Freundin meines Sohnes dieser erniedrigenden Behandlung unterwerfen.

Rassismus ist etwas, was ich aufs Schärfste verurteile.
Ich selbst bin ja Ausländerin in der Schweiz. Ich habe viele Bekannte und Verwandte in der ganzen Welt. Bereise gerne fremde Länder und lerne auch viel über Sitten und Gebräuche. Doch so langsam aber sicher bekomme ich ein mulmiges Gefühl.
Wohin führt uns die Politik? Wo stehen wir in ein paar Jahren? Was nutzen uns Gesetze, welche sich selbst immer wieder aufheben. Die sich ziehen lassen wie Gummi und sich auslegen lassen, wie es gerade passt.
Es macht mich nachdenklich und betroffen.

Dies ist mein Käse der Woche.
Ihnen liebe Leserschaft wünsche ich einen feinen Restsommer, wo immer sie diesen auch genießen mögen.

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Kommentare zu diesem Kolumnenbeitrag


 IngeWrobel (11.08.08)
Ich bin tief beeindruckt. Und komme nicht umhin, Dich für Deine besonnene Ausdrucksweise zu loben, ja zu bewundern. Ich weiß nicht, wie ich als Betroffene reagiert hätte......
Liebe Grüße, Inge
wupperzeit (58)
(11.08.08)
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 Maya_Gähler (13.08.08)
Die arabische Mentalität entspricht sicher nicht dem, was wir gewohnt sind. Die Frage die ich mir manchmal stelle ist die, ob unser europäisches Verhalten denn unbedingt das Mass der Dinge ist. Für uns wohl schon, aber für andere Kulturen wohl kaum. Diese Unterschiede anzuerkennen und auch für die jeweilige Kultur gerecht zu werten ist wohl etwas, was uns immer wieder an Grenzen bringen wird.
Man kann es sich leicht machen und sagen, sollen sie ihre Sitten und Gebräuche doch anwenden, aber bitte nicht in unserem Land. Aber so leicht dürfen wir es uns nicht machen. Auch in Europa ist eine beängstigende Strömung zu beobachten. Die Verrohung, die Schamgrenze fällt, die Gewaltbereitschaft ist da und zwar schneller als man es glauben mag. Existenzielle Ängste sind nicht unbegründet. Somit wachsen die oben genannten Strömungen.

Im Fall meiner Schwiegertochter in spe kam auch die Angst um den Verlust des Arbeitsplatzes hinzu, wenn sie sich geweigert hätte, diesen unwürdigen Akt der Demütigung über sich ergehen zu lassen.

Meine Äusserung über Rassismus bezog sich darauf, dass ich mich beherrschen muss, um klar und besonnen zu reagieren. Damit ich mich nicht hinreissen lasse in der ersten Wut rassistische Gedanken zu hegen, obwohl ich diese ja wirklich aufs Äusserste verurteile.

Noch einmal ein herzliches Dankeschön an alle, die hier kommentiert haben.
Viele Grüsse,
Gudrun
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