Dienstags bei Inge

Ansichten übers Leben und Sterben und den Rest dazwischen


Eine archivierte Kolumne von  IngeWrobel

Dienstag, 21. April 2009, 00:17
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Vom Lesen und vom Fremdgehen

Beides, das Lesen und das Fremdgehen, haben mit Kommunikation zu tun. Für mich jedenfalls. Wenn ich einen guten Text eines Autoren lese, befinde ich mich in einer Art Dialog mit ihm. Ist er mir persönlich bekannt, ähnelt es einem vertrauten Zwiegespräch. Kenne ich den Autoren nicht, kommt meine Phantasie zum Einsatz. In jedem Falle findet ein Gespräch, ein Gedankenaustausch statt, wobei der Autor durch seinen Text vertreten wird.
Beim Fremdgehen liegt eher das Gegenteil vor: Der „Fremdgänger“ geht oft nur fremd, weil die Kommunikation mit dem „eigentlichen“ Partner nicht klappt. Man redet nicht mehr darüber, ob das gemeinsame Liebesleben für beide befriedigend verläuft, unerfüllte Sehnsüchte und Wünsche ungestillt bleiben, oder auch die sexuelle Routine mehr trennt, als verbindet.
Klappt die Kommunikation mit dem Autoren nicht, gibt es kein Problem – ich lese ihn einfach nicht mehr.
Bei Partnern, zumal solchen, die bürgerlich miteinander verbunden, sprich: verheiratet sind, ist das nicht ganz so einfach.
Aber ich möchte gar nicht über die Gründe schreiben, weshalb jemand fremdgeht. Ich möchte darüber schreiben, was passieren kann, wenn in jemandem Zweifel an der Treue des Partners aufkommen.
Dieser Zweifel ist eine gemeine Sache. Wie eine Zecke bohrt er sich in die Gedanken, saugt sich voll mit unserem Vertrauen in die Treue des Partners und wird dabei immer größer.
Da scheint für den Parasitengeplagten eine neue Webseite gerade richtig zu kommen: Bei  http://www.fremdgeh-check.de soll er anhand eines Online-Tests prüfen können, ob die Treueschwüre der bzw. des Geliebten ernstzunehmen, oder doch eher eine Lüge sind.
Nicht, dass ich selbst persönlich Zweifel an der Treue meines Ehegatten hege – ehrlich nicht!
Aber meine weibliche Neugier, die bei Männern „Wissensdurst“ genannt wird, lässt mich die Internetseite aufrufen.
Mein erster Eindruck verschafft mir die Gewissheit, dass es hier keinen Dialog, kein längeres Verweilen auf den Seiten geben wird. Das Deutsch strotzt von Fehlern. Mir als „Pingelinge“ bereitet es Unbehagen, zu lesen, welche Offenbarungen mir zuteil werden, wenn ich mich durch den kostenlosen Gratis-Fremdgeh-Test arbeite. Da ich mich aber erklärtermaßen in Toleranz üben will, gebe ich nicht sofort auf. Ich klicke einzelne Seiten an – keine davon ist in einwandfreiem Deutsch geschrieben. Auf der Seite mit den "Anzeichen das (sic!) ER fremdgeht:" platzt mir dann endgültig der Kragen. Elf Indizien sollen der noch zweifelnden Partnerin Grund zur Skepsis geben oder sogar den Beweis für Untreue liefern. Das geht von: "Er hat neuerdings ständig Kondome bei sich, aber keine im eigenen Schlafzimmer." bis "Er hat abends rosa Lippenstift an seinem Hemd, obwohl du dunkelroten Lippenstift trägst."
Also liebe Leute! Bei den angeführten Hinweisen klingeln ja wohl bei jeder Frau alle Alarmglocken. Dazu brauche ich nicht einmal den eigentlichen Test durchzuführen – obwohl er gratis und anonym ist.
Nö, mit solchen Homepagebesitzern möchte ich nicht kommunizieren. Deren Rechtschreibschwäche nervt ja mehr, als es ein ernstes Gespräch mit meinem Partner je könnte.
Angeblich gibt es Rückmeldungen von Menschen, die den Fremdgeh-Check tatsächlich durchgezogen haben. Es heißt, in den meisten der Mails käme zum Ausdruck, der Test habe zur Beruhigung der Zweifel geführt. Ich werde den Verdacht nicht los, dass es die Tester ganz einfach zermürbt hat, nach subtileren Beweisen der Untreuebereitschaft ihrer Partner zu forschen. Für wie blöd und tolpatschig hält man dort eigentlich potentielle Fremdgänger? Besteht da ein Zusammenhang zwischen der Ungeschicktheit untreuer Partner und dem traurigen Unvermögen, mit der deutschen Sprache umzugehen?

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Kommentare zu diesem Kolumnenbeitrag

wupperzeit (58)
(21.04.09)
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 IngeWrobel (21.04.09)
Ich ruf Dich an, lieber Andreas. Allerdings nicht von meinem Handy aus - mein Mann ist in letzter Zeit so misstrauisch....
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