BlackHört

Un-Erhörtes aus der Musikwelt


Eine Kolumne von  BLACKHEART

Dienstag, 22. Januar 2013, 22:57
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Punx not dead?

Bei dem Begriff "Punk" denkt man sofort an verranzte Typen mit Schottenkaro-Hosen, Lederjacken mit Aufschriften wie "R.A.F. dich auf!" und bunt gefärbten Haaren in teilweise absonderlichen Frisuren, die der Schwerkraft zu trotzen scheinen.
Aber ist das wirklich alles? Oder steckt mehr hinter dem Begriff? Was für eine Bedeutung hat der Punk in der heutigen Zeit? Gibt es ihn überhaupt noch? Und wenn ja, was ist Punk und was nicht?
Viele Fragen. Eine Kolumne, die versucht sie zu beantworten.

Der Punk Rock entwickelte sich in den späten 70erJahren. Damals war vielen Jugendlichen die aktuelle Rock Musik zu zahm und zu progressiv. Man wollte zurück zum ursprünglichen rauhen Klima des Rock'n'Roll und Überflüssiges wie Intros oder Gitarrensoli aus den Songs heraushalten. Virtuosität war nicht gefragt und da die meisten Protagonisten zwar den Willen, aber nicht die ausreichenden Fähigkeiten hatten, um wirklich wilde Musik zu machen, entstand schnell das typische "Drei-Akorde-Schema", nach dem die Songs aufgebaut waren.
Das Jahr 1977 gilt als entgültiges Geburtsjahr des Punk. Bands wie die SEX PISTOLS und THE CLASH (aus England) feierten in diesem Jahr ihren Durchbruch.
Auch in New York gab es im Umfeld des legendären Clubs CBGB's eine aktive Szene. Auf dieser entwickelte sich später u.a. der Hardcore Punk, auf die ich in der kommenden Kolumne näher eingehen werde. Auch die bekannteste New Yorker Punk Rock Band, THE RAMONES, kommt aus dieser Szene.

Durch den Erfolg o.g. Bands wurden natürlich auch die großen Plattenfirmen und die Modeindustrie auf diese Musik aufmerksam. Und wie sie es immer tun, schlachteten sie dieses neue "Goldene Kalb" rücksichts- und hemmungslos aus. Im Zuge dessen spaltete sich die Punkszene in den 80ern auf.
Während Bands wie THE CLASH oder BAD RELIGION sich selbst und ihren Inhalten (u.a. die Ablehnung bürgerlicher und gesellschaftlicher Normen und Werte bzw. politische Texte) treu blieben bzw. diese noch weiter kultivierten, betrieben THE RAMONES und die SEX PISTOLS den Punk und das anarchistische Image eher als Show.
THE MISFITS setzten dagegen auf Texte und Look aus dem Horror Genre, weshalb sie als Erfinder und Pioniere des Horror Punk gelten.
Andere öffneten sich anderen Musikstilen und Richtungen. So gingen aus der Punk-Szene u.a. die New Wave der 80er sowie die heutige Gothic-Szene hervor.

Im Untergrund entwickelte sich aus der Punk die Oi!-Szene, in der sowohl Punks als auch Skinheads beheimatet sind. Aus dieser Szene, die vor allem in Europa sehr verbreitet ist, entsprangen und entspringen seit Jahren immer wieder neue Bands. Andere lösen sich dafür auf, was dafür sorgt, dass es in dieser Szene nie wirklich eine Stagnation zu beobachten gibt. Und das, obwohl man inhaltlich doch ziemlich limitiert ist (siehe die Inhalte von THE CLASH oder BAD RELIGION weiter oben).

Heutzutage ist die Punkszene so vielfältig wie nie. Neben dem Oi!-Underground gibt es stilistische Weiterentwicklungen wie Ska (Punk Rock mit Bläsern und anderen Instrumenten, wie er z.B. von SKA-P, RUSSKAJA oder SONDASCHULE gespielt wird) oder Speedfolk (eine Vermischung von Punk und Irish Folk, stilprägende Bands sind u.a. THE POGUES, DROPKICK MURPYS oder FLOGGING MOLLY).

Aber auch die "Mode-Punk Rocker" gibt es noch. Bands wie RISE AGAINST oder GREEN DAY werden heutzutage als Punk Rock vermarktet. Aber zu echtem Punk Rock gehört meiner Meinung nach aber mehr als ein paar pseudo-gesellschaftskritisch-revolutionäre Texte. Und was definitiv nicht dazu gehört ist ein millionenschweres Bankkonto.
Deshalb zähle ich DIE ÄRZTE und DIE TOTEN HOSEN auch nicht mehr zum Punk Rock. Abgesehen vom finanziellen Aspekt haben sie sich auch musikalisch immer weiter von ihren Wurzeln entfernt. Inzwischen ist das, was sie machen größtenteils als Pop zu bezeichnen. Was damals in den 80ern, als diese Bands gegründet wurden, noch eine der schlimmsten Beleidigungen für einen Punker war.

Obwohl richtige Punk-Konzerte nur in kleinen Clubs richtig abgehen, wo praktisch das ganze Publikum am pogen ist, haben sich doch auch einige Open Air Festivals etablieren können.
Das "Ruhrpott Rodeo" zieht seit 2007 jährlich mehrere tausend Besucher an, die zu Punk, Ska und Speedfolk abfeiern.
Als größtes Punk-Festival der Welt gilt das "Force Attack" bei Rostock. Hier ist es anarchistische Tradition, dass in der letzten Nacht die Zelte angezündet werden.
Einige Punks wollten diese Tradition auch auf anderen Festivals, die für die Szene interessant sind, wie "Wacken" oder dem "With Full Force" einführen, wurden aber durch die anwesenden Metaler und Securities schnell eines Besseren belehrt.

In den 90ern galt das Verhältnis zwischen Metalern und Punks als angespannt, aber inzwischen hat es sich gelegt.
In meinen Augen ist dieser Konflikt auch absolut sinnfrei, da einige der größten Metal Bands wie METALLICA oder SLAYER in ihren Anfangstagen stark von Punk Bands beeinflusst waren und bei Konzerten auch oft Shirts von Punk Bands trugen.

Deshalb mein Appell an alle Punks und Metaler: Wenn ihr doch was gegeneinander haben solltet, dann tragt es verdammt nochmal im Pit aus.

In diesem Sinne:

Haltet die Ohren offen!

Zum Beistiel für meine TOP 5 der besten deutschen (Oi!) Punk Bandnamen.

Platz 5: DIE KASSIERER
Platz 4: DER DICKE POLIZIST
Platz 3: ZSK
Platz 2: SCHLEIMKEIM

und

Platz 1: B.R.D.IGUNG

Danke fürs Reinhören.


Euer BLACKHEART

P.S.: Ab sofort gibt es hier unten immer den Song der Woche, dessen Titel und/oder Inhalt sich unabhängig vom jeweiligen Kolumnenthema mit etwas gerade Aktuellem beschäftigt.

Song der Woche:  WINTERSUN - "Winter Madness"

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Kommentare zu diesem Kolumnenbeitrag


 Dieter_Rotmund (22.01.13)
Punks, karnevalesk gekleidete Jugendliche, die sich von der Gesellschaft ausgeschlossen fühlen und sich zur Aufgabe gemacht haben, jedem verbliebenen Mitglied der Gesellschaft dies mitzuteilen. Zwecks Vorführung ihrer gesellschaftlichen Isolation und zur Konsumierung alkoholischer Getränke, überwiegend Bier in Dosen, treffen sie sich in kleinen Gruppen auf öffentlichen Plätzen, auf denen sie sich dann stundenlang aufhalten. Treten mit ihrer Umwelt einzig durch die Frage "Haste mal 'ne Mark?" in Kontakt. Seit Ende der 1990er Jahre gilt die Regel, dass sie mindestens soviel Hunde mit sich führen, wie die Gruppe Mitglieder hat.

 BLACKHEART (22.01.13)
Naja, Punk ist eine Subkultur, die sich nicht nur auf Jugendliche beschränkt. Man sieht auch immer wieder (meiner Ansicht nach sogar vermehrt) Menschen mittleren Alters bei diesen von dir angesprochenen Gruppen sitzen.
In der Punk Szene ist es ähnlich wie im Metal: Alter oder sonstige Aüßerlichkeiten spielen wenn, dann nur eine untergeordnete Rolle.
Manchmal wünschte ich mir, das wäre hier auf kV auch so.

 süßerMacho (22.01.13)
Grober Überblick über die Punkentwicklung. Wobei man die Pop-Punk richtig mit Bands wie Blink-182 und Sum 41 noch erwähnen könnte. Problem am Punk ist, dass für die echten, wahren Punks sowieso alles Kommerz ist, wenn eine Band mehr als X Platten verkauft. Ich auf einen Konzert mal jemand getroffen der meinte "Wenn eine Band ein Musikvideo dreht, dann höre ich die Band nicht mehr"
Der Begriff Punk wird in letzter sowieso viel zu oft verwendet, wenn ich höre wenn Jennifer Rostock oder sogar Madsen mit Punk(rock) in Verbindung gebracht werden...
P.S. sicher könnte man die ein oder andere Band z.B. Social Distortion noch erwähnen, ist aber Ansichtssache.
P.P.S. Die Ramones kommen aus New York City

 Matthias_B (22.01.13)
Mir fehlen in der Kolumne die Bands aus den Sechzigern, die diesen aggressiven Stil schon etwas mehr als halb vorweggenommen haben. Wenigstens die Stooges ("I wanna be your dog" (http://www.youtube.com/watch?v=BJIqnXTqg8I), "No fun" (http://www.youtube.com/watch?v=vvRkJzVQBP0)) und MC5 ("Kick out the jams" (v.a. live) (http://www.youtube.com/watch?v=yvJGQ_piwI0)) könnten genannt werden.

 BLACKHEART (22.01.13)
@ süßerMacho:

Natürlich müssen SOCIAL DISTORTION in diesem Zusammenhang genannt werden (was ich an anderer Stelle auch schon getan habe).

BLINK 182 und SUM 41 gehören ebenso wie BILLY TALENT in die Pop Punk-Sparte (falls es so etwas gibt), da hast du absolut Recht.

Und wie du schon ganz recht angemerkt hast, ist das hier nur ein grober Überblick über die Szene. Von daher möge man es mir verzeihen, wenn die eine oder andere Band nicht genannt wurde.
Von daher: Danke für deine Anmerkungen und Ergänzungen.

LG BLACKHEART

 BLACKHEART (22.01.13)
@ Matthias_B: Zumindest THE STOOGES hatte ich auch im Hinterkopf (zumal ich sie 2011 auch live gesehen habe), aber ich wollte nicht unnötig unübersichtlich machen. Zumindest nicht mehr, als es so schon ist.
Natürlich liegen in den 60ern die Grundsteine für so ziemlich alle Arten harter bzw. härterer Stromgitarrenmusik. Diese Wurzeln haben ihre Wurzeln widerum im Blues der 30er bis 50er Jahre. Und so weiter und so fort.
Ich wollte mich hier auf ein Subgenre beschränken und keinen musikalischen "Stammbaum" aufbauen. Vielleicht entwickelt der sich ja im Laufe diverser Kolumnen? Der Samen ist zumindest gestreut.

Nichtsdestotrotz danke ich auch dir für deine Anmerkungen und Ergänzungen.

LG BLACKHEART

 Melodia (23.01.13)
ah THE STOOGES wollte ich auch schon anbringen... aber auf jeden fall fehlen BLACK FLAG, BAD BRAINS und DEAD KENNEDYS!! sonst gute kolumne, auch wenn ich mich mit der verwendung des begriffes "anarchistisch" in zusammenhang mit angezündeten zelten schwer tue.
@dieter: ah es geht nichts über klischeebeladene bilder! als ob sie alle so rum rennen würden. als ob alle metaler lange haare hätten. kennst du einen kennst du alle, oder wie?
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