Süßholz raspeln

Erörterung zum Thema Reichtum

von  loslosch

Divitiae apud sapientem virum in servitute sunt, apud stultum in imperio (Seneca, um die Zeitenwende bis 65 n. Chr.; Epistulae morales). Bei einem weisen Mann ist Reichtum in Knechtschaft, bei einem Narr in Herrschaft. Oder: Der weise Mann versteht es, sich den Reichtum dienstbar zu machen, ein Dummer lässt sich vom Reichtum beherrschen.

Prima vista: Wieder mal einer von Senecas banalen Kalendersprüchen. Vorschnell geurteilt! Der als Philosoph gehandelte Stoiker, der vielmehr ein Rhetoriker und Sprachästhet war, setzt hier wohl auf die Vergesslichkeit seiner Römer. Unter Nero, dem er zur Macht verhalf, hatte er, auch dank der Zuwendungen des Kaisers, beträchtlichen Reichtum erlangt. In den 50er Jahren des 1. Jhs. galt er als einer der reichsten Römer.

Mit dieser im Ruhestand geschriebenen Passage könnte er versucht haben, seine Kritiker in die Irre zu leiten. Eine gekonnte Formulierung eines Opportunisten wäre es dann. Er, der Philosoph, hat seine Reichtümer halt, aber sie bestimmen nicht seine täglichen Entscheidungen, anders als bei einem geistlosen und primitiven Menschen.

Reich-Ranicki mag ironisch beipflichten: Es ist besser, im Taxi eine Träne abzudrücken als in der Straßenbahn.

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Kommentare zu diesem Text


 EkkehartMittelberg (09.10.12)
Vielleicht darf man hier so weit gehen und "sapiens" so übersetzen: Der geistreiche Mann versteht es, sich den Reichtum dienstbar zu machen.
Das Bild von der Träne im Taxi ist geistreich. Ich vermute eher, dass es dir in der Straßenbahn passiert ist. ;-D
AchterZwerg (65) meinte dazu am 09.10.12:
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 loslosch antwortete darauf am 09.10.12:
@all: ihr wollt ja nur meinen vermögensstatus abfragen, gelle! lo
ichbinelvis1951 (64) schrieb daraufhin am 09.10.12:
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 EkkehartMittelberg äußerte darauf am 09.10.12:
@loslosch. Darüber bin ich mir längst im Klaren. Die Straßenbahn passt zu deinem understatement.

 EkkehartMittelberg ergänzte dazu am 09.10.12:
@Klaus. Der geistreiche Mann ist sich selbst genug. Das ist doch der Grund, weshalb sich Lothar noch keine Straßenbahn gekauft hat.

 loslosch meinte dazu am 09.10.12:
@klaus: das könnte horaz in den mund einer frau gelegt haben.

 irakulani (09.10.12)
Auch heute läßt es sich ohne finanzielle Sorgen leicht über ein sparsames Leben philosophieren...

Dennoch, Senenca's Aussage hat etwas: In der Tat ist Reichtum nicht etwas vom Grundsatz her Verwerfliches. Gut genutzt kann er auch viel Gutes bewirken.

Wie bei so vielem - eine Frage der Betrachtung, eine Frage der Ausdeutung dessen, was gemeint ist.

L.G.
Ira

 loslosch meinte dazu am 09.10.12:
seneca schrieb die epistulae, als er den reichtum wohl zum großen teil schon eingebüßt hatte. lo
Gruszka (62)
(09.10.12)
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 loslosch meinte dazu am 09.10.12:
das schrieb cicero. hast du abgeguckt, irene? lo
Gruszka (62) meinte dazu am 09.10.12:
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 ViktorVanHynthersin (09.10.12)
Obwohl, wie man sagt, die dümmsten Bauern die dicksten Kartoffeln haben, glaube ich, die sogen. "Dummen" werden nicht in der Lage sein (in die Lage kommen) zu entsprechendem Reichtum zu gelangen.
Herzliche Grüße
Viktor

 loslosch meinte dazu am 09.10.12:
ausnahmen: dumme erben, aber es gibt nur wenige. danke, viktor lo
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