Peter, mein Gott! Du bist wieder daheim!

Erzählung zum Thema Heimweg/ Heimkehr

von  kirchheimrunner

Es ist eine andere Geschichte, die ich heute erzählen werde.
Es ist das Leben meines Onkels Peter, das ich für die Nachwelt festhalten möchte, bevor es für immer verloren geht. Ich fürchte es wird eine lange Geschichte.


Die Generation unserer Großväter war es gewohnt, dass das Schicksal es nicht gut mit ihnen meint und unaufhörlich auf sie spuckt. Besonders auf die kleinen Leute, die sich nicht wehren konnten; - darauf hatten es die Tragödien abgesehen.

Vielleicht kennt ihr schon die Geschichte von Jakob Thalhammer?
1944 war er in der Bukowina, auf den Erdölfeldern Rumäniens von einem russischen Scharfschützen beim Sturm auf ein völlig unbedeutendes strategisches Ziel in den Kopf getroffen worden. Jakob war sofort tot. Ich glaube er war erst 18 oder 19 Jahre alt. Der Dorfpostbote hatte meinen Großeltern den Kondolenzbrief zugestellt. Sein Vater, der alte Thalhammer Jackl zerbrach an dieser Nachricht: 

In aufrichtigem Mitgefühl grüße ich Sie mit
Heil Hitler!
Gerhard Meurice
Lt. u. Kp.Führer


So endete der Brief mit der Hiobsbotschaft.
Am nächsten Morgen, als mein Großvater aufgestanden war um das Vieh zu füttern, waren seine Haare nicht mehr schwarz. Er war über Nacht ergraut.
Er war nun ein alter, gebrochener Mann.
So hat es mir meine Mutter erzählt.

Drei Jahre später kam sein Sohn Peter, Jakobs älterer Bruder aus russischer Strafgefangenschaft nach Hause. Und das ist die Geschichte, die ich heute erzählen möchte:

In welcher Jahreszeit im Nachkriegsjahr 1947 mein Onkel Peter aus der Weite Russlands nach Hause kam, weiß ich nicht. Er hat nie darüber geredet. Die Väter, Großväter Onkel und Brüder  redeten nicht gerne über den Krieg. Es war eine sprachlose, stumme Generation von Männern. Wobei, ehrlich gesagt, - mein Onkel Peter kein Mann war, als er aus Sibirien zurückkam.

Er war erst 20 Jahre alt.   

Im Sinne der Dramaturgie finde ich es schön, wenn es ein warmer, Frühsommertag war, als der Wehrmachtsgefreite Peter Thalhammer zurück in seine Heimat hinter den sanften Hollertauer Hügeln zurückkam. Die lauen Winde, die Stare, die nach Maikäfer jagten und ein schönes Fronleichnamfest; - das alles gönne ich ihm als von Herzen.

Also drehen wir die Uhr zurück. Auf den Donnerstag, den 5. Juni 1947:
Erschöpft, eingehüllt in einen alten Wehrmachtsmantel, mit löchrigen – viel zu großen Schuhen und umgestülpten Ärmeln schlurfte der Kriegsheimkehrer, - bleich wie ein Gespenst durch sein Kirchdorf Reichertshausen.

Der Peter war der Letzte, in einer Reihe von fünf oder sechs armseligen Figuren, die nur eines wollten: Nach Hause! 

Peter war alles ihm fremd geworden;
Die Kirchenglocken, die zum Gottesdienst riefen; - die Großbauern und Kleinhäusler, die wie immer die vorbeiziehenden, bleichen Gespenster mitleidig und argwöhnisch betrachteten.

Er schlurfte an der Kirche vorbei, ganz langsam ging er hinter seinen Kameraden her. Die Blicke der Bauern trafen ihn, sie rutschten an ihm ab, dann senkten die Köpfe und blieben stumm.

Keiner hatte ihn erkannt, als er durchs Dorf ging.
Nicht einmal sein Vater Jakob oder Maria seine Mutter.

Geschweige denn seine Brüder und Schwestern. Sie alle standen vor der Kirchtüre, sie verschwanden im Dunklen, im Kerzenschein; - die ersten Töne der quietschenden Blasebalgorgel verschluckte sie.
Fromm und mit Inbrunst sangen sie

Ein Haus voll Glorie schauet weit über alle Land,
aus ewgem Stein erbauet von Gottes Meisterhand.
Gott, wir loben dich. Gott wir preisen dich.
O laß im Hause dein uns all geborgen sein.



Niemand blickte sich um, als sich die Kirchentüre schloss. Es hätte auch keinen Sinn gehabt, denn ihren vermissten Bruder hatten vor fast 4 Jahren zum letzten male gesehen. Sie hatten ihn bereits verloren gegeben; - sie hatten ihn aus Hoffnungslosigkeit fast schon beerdigt.


Aber der sterbenselende Soldat, der aus tiefen Augenhöhlen in die Welt seiner Heimat blickte; -
der so fremd aussah, so abgemagert, so dünn wie ein Faden; er lebte.
Er lebte und stolperte weiter.

Er schlurfte erschöpft den Kirchberg hinunter, am Wirtshaus vorbei und schleppte sich den staubigen Feldweg nach Willertshausen hinüber.


Vor vielen Jahren, schon lange bevor ihr eine heimtückische Alzheimer Erkrankung alle Erinnerungen raubte, hatte mir meine Mutter an ihren Fingern immer wieder alle Hofnamen von Willertshausen aufgezählt:
Der Bergschuster, der Hofbauer, das Anwesen der Straubers, oben auf dem Hügel, das stattliche Gut der Renkls, der Hof der Thalhammers und am Ortsrand das windschiefe Haus des Kleinhäuslers Glaser.

Der Thalhammer Hof lag unten im Dorf, kurz bevor die Strasse eine Rechtskehre hinüber nach Pfettrach macht. Das Anwesen war klein, und der Ertrag reichte kaum aus, die vielen Mäuler am Tisch zu stopfen. Der Schweinestall lehnte sich an das niedrige Haus, ein Hühnerstall, der Kuhstall, die Scheune und die Hopfendarre. Alles klein, ärmlich aber sauber. Nur der Birnbaum neben der Einfahrt; er war der stattlichste von ganz Willertsausen.

Dort stand nun der Heimkehrer. Er fühlte sich verloren. Der Hof war leer. Hühner gackerten, die Maikäfer brummten und die wenigen Schweine im Stall grunzten und quiekten vor Hunger. Seine Eltern und seine Geschwister waren nicht da.

Peter fühlte sich verlassen und kraftlos. Er wankte zum Haus, lehnte sich an den Türsturz und weinte hemmungslos.

Mindestens eine Stunde stand er so da. Er hörte nicht einmal das Klappern der Pferdehufe und das Knirschen der eisenbeschlagenen Räder, als der Einspänner der Thalhammers auf den Hof rollte.

Peters Vater, der Thalhammer Jackl war ein barmherziger und freigiebiger Mann. Er sah den jungen, in sich zusammengesunkenen Landstreicher und gab seiner Frau ein Zeichen. Sie würden den armen Schlucker zum Sonntagsessen einladen. Es war zu der Zeit gang und gäbe, den umherirrenden, Heimat suchenden Kriegsgefangenen für einen Tag und eine Nacht ein Obdach zu gewähren. 

In der Bäuerin regte sich Mitleid als sie den heruntergekommenen jungen Mann sah. Aber es war ein noch ein anderes Gefühl, das ihr Herz zum rasen brachte. Sie sprang vom Landauer und rannte dem heulenden Bündel entgegen. Sie hätte ihn fast nicht wieder erkannt, so fremd und so kaputt schaute er aus.
Als sie aber in seine tränenden Augen schaute und sein Schluchzen hörte, sank sie auf die Knie, umklammerte seine Beine und schrie, dass die anderen meinten, ihr Herz würde zerreißen.

„Heilige Maria, Mutter Gottes, meine Seel´; - Peter, du lebst, jetzt bist du daheim!“

Das Wiedersehen kann nicht beschrieben werden. Wenn ein tot geglaubter zurückkommt, wenn ein verlorener Sohn wieder nach Hause kommt, sind alle Worte nutzlos und leer.

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Kommentare zu diesem Text


 Lluviagata (28.04.13)
Du kannst erzählen! Ich mag nicht mehr aufhören zu lesen, solange, bis die Geschichte zu Ende ist.
Du erzählst in einem einfachen Erzählstil, der den Augen schmeichelt und der Seele gleich gar, doch - ehe es anfangen will rührselig zu werden, stoppst du den dahingehenden Gedankengang und sagst: So hat es mir meine Mutter erzählt. Du ergänzt fehlende Zeitzeugnisse durch dem Leser behutsam dargereichte Vorschläge, die er einfach nicht ablehnen kann.

Vielleicht schaust du noch mal drüber wegen ein paar Rechtschreibfehlern - z.B.
[Wenn ein tot geglaubter zurückkommt, wenn ein verlorener Sohn wieder nach hause kommt, sind alle Worte nutzlos und leer.]

Liebe Grüße
Llu ♥

 kirchheimrunner meinte dazu am 29.04.13:
Danke liebe Llu...
Als Legastheniker (das ist mein Ernst) hat man es wahrlich nicht leicht...

 Dieter_Rotmund (29.04.13)
Nee, sorry Llu, der Text hat zwar Potential, aber auch einige ganz offensichtliche Schlampigkeiten. Das kann ja wohl nicht sein, dass das mir als einzigem Leser auffällt?
"...dann senkten die Köpfe und blieben stumm", da stimmt doch was nicht, ebenso in: " Es hätte auch keinen Sinn gehabt, denn ihren vermissten Bruder hatten vor fast 4 Jahren zum letzten male gesehen".

Den Anfang und das Ende finde ich recht gut, der Mittelteil ist m.E. nach zu verplappert, zu lang und zu pathetisch.

 Dieter_Rotmund (23.05.19)
Wenn Peter der ältere Bruder von Jakob war, wie du ja schreibst, und Peter 1947 erst 20 Jahre alt war, dann stimmt was nicht, denn dann ist Jakob 1944 quasi als Kind Soldat gewesen.
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