Mein Vater
Kurzprosa zum Thema Krieg/Krieger
von Ganna
Kommentare zu diesem Text
holzköpfchen (31)
(02.02.14)
(02.02.14)
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Danke für den Hinweis...habe es geändert.
holzköpfchen (31) antwortete darauf am 04.02.14:
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Danke, Du bist viel gründlicher als ich, die Zahlen waren mir gar nicht so wichtig in ihrer Genauigkeit...
Viele, die im Krieg waren, ganz gleich wie sie dorthin gekommen sind, lügen sich etwas vor.
Die Männer der Enola Gay, des Bombers, der die Atombombe über Hiroshima abgeworfen hat, haben immer behauptet, dass das den Krieg im Pazifik beendet hätte, eine These die von vielen nichtkonservativen amerikanischen Historikern bezweifelt wird. Die Frage ist: Was hätten sie anderes tun sollen? Hätten sie sagen können, dass dem nicht so war? Dann hätten sie die Verantwortung - zumindest einen Teil - für den Abwurf (mit-)getragen. Niemand kann mit einer solchen Verantwortung leben.
Der Adjutant des Lagerkommandanten von Ausschwitz Robert Mulka behauptete während des Auschwitzprozess (ab 1963) nichts vom Massenmord gewusst zu haben. Und auch wenn dabei natürlich prozesstaktische Gründe zu berücksichtigen sind, war auch das eine Flucht, nicht nur aus der Verantwortung vor der Welt, sondern auch vor sich selbst, um mit sich im Reinen zu sein. (Man muss sich von der Vorstellung lösen, dass alle am Holocaust beteiligten grundsätzlich Sadisten waren.)
Aber auch der Frontalltag, gerade nach dem deutschen Überfall auf die Sowjetunion, war für einen ganze Generation von Männern prägend. Sie wurden Zeugen und selbst Opfer von brutalster Gewalt - und waren oft auch Täter!. Die Flucht in ein rigides hierarchisches System hat nach dem Krieg vielen den Alltag erst ermöglicht, hat ihnen den nötigen Halt gegeben. Und für manche ist die Erfahrung der Gewalt unumkehrbar geworden
wobei interessanterweise nicht für alle. Denn letztlich hat der Mensch immer eine Wahl.
Gerade das du am Ende diese Unterscheidung machst, gefällt mir sehr gut, denn viele verstehen - auch in anderen Zusammenhängen - bis heute nicht den Unterschied zwischen Erklärung und Entschuldigung.
Und wie du alleine an der Länge meines Kommentars merkst, hat mich dein Text mit auf die Reise genommen. Ich denke, sehr viel mehr ist kaum möglich.
Die Männer der Enola Gay, des Bombers, der die Atombombe über Hiroshima abgeworfen hat, haben immer behauptet, dass das den Krieg im Pazifik beendet hätte, eine These die von vielen nichtkonservativen amerikanischen Historikern bezweifelt wird. Die Frage ist: Was hätten sie anderes tun sollen? Hätten sie sagen können, dass dem nicht so war? Dann hätten sie die Verantwortung - zumindest einen Teil - für den Abwurf (mit-)getragen. Niemand kann mit einer solchen Verantwortung leben.
Der Adjutant des Lagerkommandanten von Ausschwitz Robert Mulka behauptete während des Auschwitzprozess (ab 1963) nichts vom Massenmord gewusst zu haben. Und auch wenn dabei natürlich prozesstaktische Gründe zu berücksichtigen sind, war auch das eine Flucht, nicht nur aus der Verantwortung vor der Welt, sondern auch vor sich selbst, um mit sich im Reinen zu sein. (Man muss sich von der Vorstellung lösen, dass alle am Holocaust beteiligten grundsätzlich Sadisten waren.)
Aber auch der Frontalltag, gerade nach dem deutschen Überfall auf die Sowjetunion, war für einen ganze Generation von Männern prägend. Sie wurden Zeugen und selbst Opfer von brutalster Gewalt - und waren oft auch Täter!. Die Flucht in ein rigides hierarchisches System hat nach dem Krieg vielen den Alltag erst ermöglicht, hat ihnen den nötigen Halt gegeben. Und für manche ist die Erfahrung der Gewalt unumkehrbar geworden
"Nicht jeder, der aus dem Krieg kam, vergewaltigte seine Kinder, nicht jeder, der selber geschlagen wurde, schlug seine Kinder
Gerade das du am Ende diese Unterscheidung machst, gefällt mir sehr gut, denn viele verstehen - auch in anderen Zusammenhängen - bis heute nicht den Unterschied zwischen Erklärung und Entschuldigung.
Und wie du alleine an der Länge meines Kommentars merkst, hat mich dein Text mit auf die Reise genommen. Ich denke, sehr viel mehr ist kaum möglich.
...wichtig ist, denke ich, zu zeigen, dasss wir als soziale Wesen, deren Überleben von der Gemeinschaft weitgehend abhängt, fest mit dieser verbunden sind...auch wenn es also richtig ist, dass jeder eine Wahl hat, so erfordert es Mut und Stärke, diese auch anzunehmen...und Verantwortung zu leben...in diesem Sinne ist es sogar mutig, eigene Fehler zuzugeben, wenn dies das Handeln der Gesellschaft in Frage stellt...die Verurteilung der Gruppe, den Ausschluss aus der Gruppe, das ist immer die schlimmste Strafe...
Danke für Deine Worte und das Sternchen,
LG Ganna
(Antwort korrigiert am 03.02.2014)
Danke für Deine Worte und das Sternchen,
LG Ganna
(Antwort korrigiert am 03.02.2014)
janna (66)
(02.02.14)
(02.02.14)
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...darüber muss ich nachdenken, sicherlich war die Seele meines Vaters sehr geschädigt, aber war sie zerstört?...er hatte keine Kraft, doch weshalb haben andere in vergleichbarer Lage diese Kraft?
Danke für Deine Worte und das Sternchen,
LG Ganna
Danke für Deine Worte und das Sternchen,
LG Ganna
Es ist richtig, dass man zwischen Entschuldigung und Erklärung unterscheiden muss.
Aber welche innere Kraft erfordert allein schon die Erklärung, die du mit diesemText abgibst.
Liebe Grüße
Ekki
Aber welche innere Kraft erfordert allein schon die Erklärung, die du mit diesemText abgibst.
Liebe Grüße
Ekki
Danke Ekki, Deine Worte sind mir eine Freude, die Sternchen auch...LG Ganna
Ein sehr berührender Text - für einen wie mich, dessen Vater unwesentlich älter war, und ebenfalls an der Ostfront kämpfen musste, dann leider ein Bein verlor, und zum Glück in amerikanische Kriegsgefangenschaft geriet. Es sollte nie vergessen werden, dass damals Denunziation auch innerhalb der Familie einfach an der Tagesordnung war - so sagten mir es auch meine Eltern. Einer der Brüder meiner Mutter war Nazi, der andere Kommunist. Paradoxer Weise waren sie das auch noch nach dem Krieg - nur umgekehrt.
Letztlich glaube ich mein ganzes Leben zutiefst an das was Trekan sagt: "Denn letztlich hat der Mensch immer eine Wahl". Auch wenn diese Wahl in letzter Konsequenz den eigenen Tod bedeutet hätte. Leicht gesagt, schwer verwirklicht. Der Versuchung zu widerstehen. Durchzuhalten. Dein Vater hätte noch - wieviel? - 2? Jahre durchhalten müssen, ohne diese Vereinbarung, bis zur Amnestie 1955. Vielleicht hatte er das Gefühl, dies nicht mehr zu schaffen.
Letztlich kann jede Fehlentscheidung korrigiert werden. Peter Gläser, der "Cäsar" von "Renft", unterschrieb eine Vereinbarung als IM für die Stasi, aber er erfüllte sie nicht. Wenigstens das. Ehe man zum Tier wird, sich von Systemen zum Tier machen lässt: Hinschmeissen. Ausreiseantrag stellen. Selbstzentriert leben. Sich nicht das einzige Leben so fremdbestimmt versauen lassen. Leicht gesagt. Dein Vater hat es nicht geschafft; meiner hat (nicht in der SED, nicht bei der Stasi) lange geglaubt, die Bürger der DDR würden dereinst "Ostpakete" nach drüben schicken. Erst in den letzten Lebensjahren wurde er nonkonform und ein selbstzentrierter, unbequemer Querkopf. Wie der Zufall so spielt, hätte er heute Geburtstag. Einer der zirka 20 in ihm verbliebenen Granatsplitter wollte es 1975 anders.
Was können wir aus all dem lernen? Wir müssen es besser machen. Auch, wenn dies oft bedeutet, zu scheitern (in Bezug auf Status in der Gesellschaft, usw.). Ein wenig habe ich es geschafft, innerhalb der DDR keinerlei Zugeständnisse zu machen, keine Schuld auf mich zu laden, passiven Widerstand zu leisten. Ein Held war ich nie, auch wenn ich in Maschinengewehre (1989, beim Laufen um den Leipziger Ring) gestarrt habe. Zwei Stasi-Verhöre, vorher. Tadel in der Schule. FRP hört westliche Beatmusik, ist nicht in der FDJ. Will nicht in die Partei. Wenigstens das.
Letztlich glaube ich mein ganzes Leben zutiefst an das was Trekan sagt: "Denn letztlich hat der Mensch immer eine Wahl". Auch wenn diese Wahl in letzter Konsequenz den eigenen Tod bedeutet hätte. Leicht gesagt, schwer verwirklicht. Der Versuchung zu widerstehen. Durchzuhalten. Dein Vater hätte noch - wieviel? - 2? Jahre durchhalten müssen, ohne diese Vereinbarung, bis zur Amnestie 1955. Vielleicht hatte er das Gefühl, dies nicht mehr zu schaffen.
Letztlich kann jede Fehlentscheidung korrigiert werden. Peter Gläser, der "Cäsar" von "Renft", unterschrieb eine Vereinbarung als IM für die Stasi, aber er erfüllte sie nicht. Wenigstens das. Ehe man zum Tier wird, sich von Systemen zum Tier machen lässt: Hinschmeissen. Ausreiseantrag stellen. Selbstzentriert leben. Sich nicht das einzige Leben so fremdbestimmt versauen lassen. Leicht gesagt. Dein Vater hat es nicht geschafft; meiner hat (nicht in der SED, nicht bei der Stasi) lange geglaubt, die Bürger der DDR würden dereinst "Ostpakete" nach drüben schicken. Erst in den letzten Lebensjahren wurde er nonkonform und ein selbstzentrierter, unbequemer Querkopf. Wie der Zufall so spielt, hätte er heute Geburtstag. Einer der zirka 20 in ihm verbliebenen Granatsplitter wollte es 1975 anders.
Was können wir aus all dem lernen? Wir müssen es besser machen. Auch, wenn dies oft bedeutet, zu scheitern (in Bezug auf Status in der Gesellschaft, usw.). Ein wenig habe ich es geschafft, innerhalb der DDR keinerlei Zugeständnisse zu machen, keine Schuld auf mich zu laden, passiven Widerstand zu leisten. Ein Held war ich nie, auch wenn ich in Maschinengewehre (1989, beim Laufen um den Leipziger Ring) gestarrt habe. Zwei Stasi-Verhöre, vorher. Tadel in der Schule. FRP hört westliche Beatmusik, ist nicht in der FDJ. Will nicht in die Partei. Wenigstens das.
...das Vorhaben, es besser machen zu wollen ist sicher ein lobenswertes, aber haben es nicht alle Menschen? ...sie kommen zu unterschiedlichen Schlussfolgerungen bei ähnlicher Vergangenheit, Du schreibst es ja, der eine Nazi, der andere Kommunist.
Wie weit können wir unser Schicksal bestimmen? ...ist es neben den äußeren Umständen nicht auch entscheidend von unserer inneren Befindlichkeit abhängig? Darum geht es wohl. Ich bin heute überzeugt, mein Vater konnte es nicht anders machen. Etwas in ihm hat ihn so reagieren lassen, weil bestimmte Eigenschaften in ihm angelegt waren. Das ist auch keine Entschuldigugn, denn er war intelligent und wusste, was er tat.
Jeder hat die Wahl, ja, aber nicht jeder hat die Stärke, die Wahl auch in Anspruch nehmen zu können. Was bleibt, das scheint mir die Frage. Mehr miteinander reden, damit weniger aus Angst und Scham geschwiegen wird, denn im Schweigen wächst heran, was nächste Generationen zerstören kann...
Ich danke Dir für Deine anregenden Gedanken und das Sternchen,
LG Ganna
Wie weit können wir unser Schicksal bestimmen? ...ist es neben den äußeren Umständen nicht auch entscheidend von unserer inneren Befindlichkeit abhängig? Darum geht es wohl. Ich bin heute überzeugt, mein Vater konnte es nicht anders machen. Etwas in ihm hat ihn so reagieren lassen, weil bestimmte Eigenschaften in ihm angelegt waren. Das ist auch keine Entschuldigugn, denn er war intelligent und wusste, was er tat.
Jeder hat die Wahl, ja, aber nicht jeder hat die Stärke, die Wahl auch in Anspruch nehmen zu können. Was bleibt, das scheint mir die Frage. Mehr miteinander reden, damit weniger aus Angst und Scham geschwiegen wird, denn im Schweigen wächst heran, was nächste Generationen zerstören kann...
Ich danke Dir für Deine anregenden Gedanken und das Sternchen,
LG Ganna
Gringo (60)
(09.05.15)
(09.05.15)
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Liebe Gringo,
jeder hat die Wahl, aber in wie weit stimmt das wirklich? Charakter, innere Stärke, Unabhängigkeit des Denkens und Fühlens, Bildung fehlten ihm.
Nicht jeder hat die Größe, groß zu handeln, die wenigsten, denke ich mal, sind dazu in der Lage, denn sonst hätten wir heute eine andere Welt.
...und natürlich ist er verantwortlich für sein Tun.
lg Ganna
jeder hat die Wahl, aber in wie weit stimmt das wirklich? Charakter, innere Stärke, Unabhängigkeit des Denkens und Fühlens, Bildung fehlten ihm.
Nicht jeder hat die Größe, groß zu handeln, die wenigsten, denke ich mal, sind dazu in der Lage, denn sonst hätten wir heute eine andere Welt.
...und natürlich ist er verantwortlich für sein Tun.
lg Ganna