Rückschläge.

Erzählung zum Thema Unverständnis

von  franky

Das was ich nun hier erzähle, ist nichts für schwache Nerven.

Von einer Krankenschwester aus dem Operationssaal wurde mir gewaschenes Verbandszeug zum Bett gebracht, das sollte ich fein säuberlich aufrollen. Anfangs schien mir das eine unmögliche Sache zu sein. Das war ein großer Knoil, der noch arg nach Borsalbe stank, aber schließlich gelang es mir, das Wirr war zu besiegen. 
In dieser Arbeit lauerte aber eine fatale Gefahr. In den schlecht gewaschenen Verbandszeug konnten sich ansteckende Keime für offene Wunden verstecken. Da mein Amputiertes Bein immer noch verbunden wurde, kam ich auch mit diesen unsauberen Material in Berührung. Meine Wunde fing stark zu eitern an. Das Eiter tropfte durch den Verband auf das Laken. Ein ekelhafter, süßlicher Gestank drang unter meiner Decke hervor. Mutter sagte: „Ich kann diesen süßlichen Gestank schon an der Eingangstüre zum Zimmer sieben riechen.“
Ich begann am lebendigem Leib zu verfaulen. Das kann über Blutvergiftung zum Tod führen, so einfach geht das.   

Mein Schutzengel hielt die Luft an, nicht wegen dem Gestank, sondern um sich frische Überlegungen einzuholen. Der Tod war ganz kurz am Fenster zu sehen, „den geben wir nicht die Möglichkeit erneut seine Ansprüche zu stellen!“ 

Bei jeden Verbandswechsel fuhr Prima Zyper mit einer Spachtel über meine Amputationswunde. Das sogenannte wilde Fleisch musste entfernt werden. Doch die Infektion konnte dadurch nicht gestoppt werden.
Pfleger Franz überraschte mich eines Vormittags mit dem Vorschlag  : „Ich bringe dich jetzt ins Badezimmer, um deine Wunde etwas zu säubern. Ein laues Wasser kann der eiternden Wunde nur gut tun.“
Ich empfand anfangs das Badewasser als gefährlich! Nur langsam war ich bereit ganz ins Nass zu tauchen. Nur nach und nach ging meine negative Spannung zurück und ich schloss Freundschaft mit dem wohligen Badewasser. Nach einem Monat wieder mal frisch gebadet, das tat unheimlich gut.   
Bevor mir Pfleger Franz wieder aus der Wanne half, zupfte er am Stumpf und gab mir dann vom Oberschenkelknochen ein Ringerl, „ein makaberes Souvenir“ In die Hand.
Nach dem Abtrocknen stellte mich Franz Interesse halber auf die Badezimmerwaage: Ich wog gerade mal 20kg. Für einen achteinhalb Jährigen Junge nicht eben viel. So konnte mich Pfleger Franz ohne Probleme  mit seinen starken Armen zurück ins Zimmer tragen. 

Herr Baumgartner mit dem offenen Unterschenkel Bruch, bekam jeden Tag Besuch von seiner jungen, sympathischen Frau. Das verletzte Bein wurde am Fußende des Bettes mit einem Gewicht stabilisiert. Bei meinen Rundgängen bin ich auch mal an dieses Gewicht gerammt, dann hat Herr Baumgartner einen Schmerzenslaut ausgestoßen.

Abends, als fast die gesamte Mannschaft von Zimmer Sieben schon eingeschlafen waren, kamen, zu erst nur sporadisch, von Herrn Baumgartner schmerzliche Stöhner, die immer heftiger und lauter wurden. Die Nachtschwester konnte aus dem Gehabe von Herrn Baumgartner nicht recht klug werden. Nachtschwester reichte Schmerztabletten, die können bestimmt nicht schaden, aber genützt haben sie auch nicht. .
In der nächsten Stunde konnte keine Verbesserung, eher eine Verschlechterung festgestellt werden. Das ging so weiter, Stunde für Stunde bis nach Mitternacht.   
Als sich Pfleger Franz und Nachtschwester gar nicht mehr zu helfen wussten, beschlossen sie Prima Zyper aus der Nachtruhe zu wecken. Mürrisch und verschlafen traf er in Zimmer sieben ein. Nach kurzer Kontrolle bei Herrn Baumgartner, griff er in den  Besteckwagen und dann ging es los!
Habe in meinem Leben vorher  noch nie einen Menschen so vor schmerzen schreien hören.
Zyper operierte ohne irgend eine Betäubung an der offenen Wunde. Eine halbe stunde lang schrie Baumgartner sich die Seele aus dem Leibe. Er schrie und schrie! Ich dachte, so ein unmenschliches Werk müsste man durch irgendwelche Mittel stoppen können! In mir steigerte sich ein Hass gegen Prima Zyper, würde ihn am liebsten per lebendigem Leibe auch einen Haxen abschneiden. 
Ich denke, alle die dieses Gemetzel zugehört haben, krümmten sich vor verständlichem Mitleid. Gegen Ende nahmen die Schmerzensschreie flehentlichen Charakter an, sie
forcierten zu einer regelrechten Hinrichtung.
Dann! Endlich verließ Prima Zyper das Zimmer sieben. 
Die vorher so durchdringenden Schreie, ebbten zu einem normalen Niveau ab. 

 
Im Zimmer sieben wurde noch länger über diesen nächtlichen Einsatz von Zyper diskutiert. Wir waren alle davon überzeugt, dass es mit einer kräftigen Morphiumspritze etwas menschlicher abgelaufen wäre.

© by F. J. Puschnik

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Kommentare zu diesem Text

Bette (70)
(02.04.17)
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MarieT (58)
(04.04.17)
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