For whom the bell tolls

Prosagedicht zum Thema Leben/Tod

von  Shagreen

In Gedenken an Matthias und den 10.07.2019

Herr, ich suche deine Ruhe
fern vom Getöse dieser Welt.


Manchmal muss man dafür auf den Friedhof gehen
und an einer Beerdigung (an)teilnehmen.
Um zur Besinnung zu kommen,
die Stille zu spüren.
Abzuschalten.
Selbst das Handygebimmel verstummt so
für eine geschlagene Stunde,
nur Totengeläut weht von der Kirche herüber,
wie ein Klingelton aus der Cloud.
Die Vögel dagegen schalten nicht in den Flugmodus.
Für die Großen gibt es heute kein Bankett,
und die Kleinen twittern lieber von den Bäumen,
singen ein Ständchen.

Also lasst uns, die wir lebendig sind,
das Tote in unserem Leben begraben.
Statt einer weißen Rose,
schmeißt das Smartphone ins Grab.
Besuche lieber deinen Bruder,
sei an seiner Seite, solange er lebt.
Pflege keine "virtuelle Gemeinschaft",
dieser postmodernen contradictio in adjecto.
Im toten Winkel einer Webcam
könnte eine Gefahr für deinen Nächsten lauern.

Niemand ist eine Insel, in sich ganz;
jeder Mensch ist ein Stück des Kontinents,
ein Teil des Festlandes.
Wenn eine Scholle ins Meer gespült wird,
wird Europa weniger,
genauso als wenn's eine Landzunge wäre,
oder ein Landgut deines Freundes oder dein eigenes.
Jedes Menschen Tod ist mein Verlust,
denn ich bin Teil der Menschheit;
und darum verlange nie zu wissen,
wem die Stunde schlägt;
sie schlägt dir selbst.


Time's running out.


Anmerkung von Shagreen:

Erste Zeile: Martin Pepper, Auge im Sturm
Letzte Strophe: John Donne, Meditation XVII
Johannes 5, 20-29

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