März 2020

Elegie zum Thema Gegenwart

von  Didi.Costaire

Dieser Text ist Teil der Serie  Choronik
Nun haben wir eine choronische Krise,
von der wir nicht wissen, wie lange sie dauert,
und ob man nicht selbst bald schon Nächste betrauert.
Man zählt all die Kranken und mancher macht Miese.
 
Wir sitzen daheim, doch wir stehen im Regen.
Was gut ist, soll schlecht sein, das Gegenteil richtig.
Zusammensein schadet und Abstand ist wichtig.
Man muss sich bewusst statt natürlich bewegen.
 
Verlierer sind Taxis und Öffis und Pendler,
Lokale, in denen gekocht wird mit Liebe,
Artisten, Hotels und die kleinen Betriebe,
Gewinner Discounter und Internethändler.
 
Gewohntes, was Spaß bringt, kommt meist zum Erliegen.
Theater und Festhallen bleiben geschlossen,
in Stadien wird längst kein Tor mehr geschossen.
Wir müssen zuvorderst Corona besiegen.
 
Die Lage ist brenzlig und ziemlich beschissen,
Toilettenpapier in den Läden vergriffen.
Man fühlt sich gemein in den Hintern gekniffen
und zeigt auf die Hamsterer ohne Gewissen.
 
Auch Sport ist fürn Arsch ganz alleine zu Hause.
Zu blöde sind heimische Langhantelbänke.
Das Joggen in Städten belastet Gelenke,
Vereine und Fitnessclubs haben jetzt Pause.
 
Da passt man sich an und man schluckt lauter Kröten
und darf sich nicht frei wie ansonsten entfalten,
wird selber ein Teil der gebeugten Gestalten,
gepeinigt von Sorgen und Ängsten und Nöten.
 
Nur einige Dinge, die weiß man zu schätzen,
zum Beispiel die gradezu himmlische Ruhe,
bequeme und hinten oft offene Schuhe,
genüssliche Stunden als Bettgirl und Bettman,
 
gemütliche Tage in eigenen Wänden,
die Muße zum Schreiben zu langer Gedichte,
zum Lesen und Kochen gesunder Gerichte,
kein schlechtes Gefühl, mal die Zeit zu verschwenden,
 
auch dass Politik sich entschieden drum kümmert,
das Elend, so weit es noch geht, abzuwenden.
Zum Glück gibt es Menschen mit hilfreichen Händen.
So hofft man, dass sich das Problem nicht verschlimmert.

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Kommentare zu diesem Text


 IngeWrobel (30.03.20)
"... die Muße zum Schreiben zu langer Gedichte ..."
lässt mich Schmunzeln.
Eng verdichtet (in Neudeutsch "komprimiert") würde ich früher zu Deinem Krisengedicht sagen "das hebt!"
Sag ich auch heute.
Liebe Grüße
Inge

 Didi.Costaire meinte dazu am 30.03.20:
Danke Inge,
das freut mich sehr und du hast es zudem besonders elegant ausgedrückt.
Beste Grüße, Dirk

 AchterZwerg (30.03.20)
Ja, das "hebt!" *lächel)

Das Gedicht parodiert sich in seiner Überlänge selbst und führt uns den schlurfenden "Bettman" (köstlich!) deutlich vor die Augen.
Die sonst forsche Gangart verliert sich im Epischen und man hofft mit dem Verfasser, "dass sich das Problem nicht verschlimmert."

Für Idee und Ausführung gibt es von mir 100 Punkte.

Liebe Grüße
der8.

 Didi.Costaire antwortete darauf am 30.03.20:
Danke Achter,
das ist nett. So viele Punkte bekommen ja nicht einmal die Bayern in einre kompletten Saison.
Herzliche Grüße, Dirk

 ViktorVanHynthersin (30.03.20)
Fein beobachtet und beschrieben. Ich bin auf April 2020 gespannt

Herzlichst
Viktor

 Didi.Costaire schrieb daraufhin am 30.03.20:
Danke, Viktor.
Ich vermute auch, dass es so einen Text von mir geben wird...
Beste Grüße, Dirk

 Dieter_Rotmund (30.03.20)
Von wegen himmlische Ruhe! Die Handwerker sind weiterhin mit Hochdruck in meiner Nachbarschaft unterwegs und hämmern, sägen, klopfen usw. usf.
Man kann als Normalmensch übrigens gut 5 bis 6 Mal in der Woche joggen, ohne gesundheitliche Probleme.

 Didi.Costaire äußerte darauf am 30.03.20:
Tja Dieter,
dieser "Normalmensch" überlebt wahrscheinlich auch Corona ohne größere Probleme. Allerdings ist nicht jeder so einer...
Danke fürs Kommentieren und beste Grüße, Dirk
Jo-W. (83)
(30.03.20)
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 Didi.Costaire ergänzte dazu am 30.03.20:
Danke Jo, das freut mich sehr.
Beste Grüße, Dirk

 TassoTuwas (30.03.20)
Hallo Didi,
schön verreimt, die Liste der Dinge, deren Abwesenheit plötzlich und unerwartet auffällt!
Vieles ist eben Gewohnheit geworden, und die werden eben nicht geschätzt.
Wenn alles vorbei ist, steigen die "Überlebenden", genau da wieder, ins Tagesgeschehen ein, wo sie es mal verlassen haben
Wetten dass
Herzliches Wiedersehen in der neuen alten Welt.
TT

 AchterZwerg meinte dazu am 30.03.20:
Da halte ich nicht gegen, Tasso. *seufz

 Didi.Costaire meinte dazu am 30.03.20:
Hallo Tasso,
es ist eine spannende Frage, ob und was sich in der Zukunft durch Corona ändert und was nicht. Ich hoffe, wir können zu einem späteren Zeitpunkt darauf zurückkommen.
Danke fürs Kommentieren und liebe Grüße, Dirk
Al-Badri_Sigrun (61)
(30.03.20)
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 Didi.Costaire meinte dazu am 30.03.20:
Hallo Sigi,
es freut mich, dass dir meine Verse gefallen.
Danke für deinen Kommentar
und liebe Grüße, Dirk
Sin (55)
(30.03.20)
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 Didi.Costaire meinte dazu am 30.03.20:
Das stimmt, Sin, und als HSV-Fan kennst du dich ja mit Krisen aus wie kaum ein anderer.
Beste Grüße, Dirk

 LottaManguetti (30.03.20)
Ich bin mal gespannt, welche Krise nach Corona kommt.
Hinter uns liegen ja schon einige: BSE, Vogelgrippe, Schweinegrippe, Bankenkrise, Flüchtlingskrise ...



Aber, egal welche Krise, du schaffst es, jeder das Optimum abzugewinnen, poetisch! :D

Lotta

 Didi.Costaire meinte dazu am 30.03.20:
Hallo Lotta,
am wenigsten schlimm wäre es ja eigentlich, wenn ich mal eine dichterische Krise hätte... :)
Danke fürs Kommentieren und beste Grüße, Dirk

 AZU20 (30.03.20)
Keine Zeile zu viel. LG

 Didi.Costaire meinte dazu am 30.03.20:
Ich danke dir! :)

 Jorge (30.03.20)
Ein länger werdender aber nicht schlechter werdender Text, der mir aus dem Herzen spricht.
Ich klammere mich an meine Hoffnung
LG, Jorge

 Bergmann meinte dazu am 30.03.20:
Mit Recht bekommt deine abstrakt-balladeske Corona-Elegie so viele ausnahmlos lobende Kommentare, lieber Didi.Costaire-Kaestnair!

 Didi.Costaire meinte dazu am 30.03.20:
@ Jorge: Danke dir!
Ich hoffe, du hast viel davon.
Liebe Grüße, Dirk

 Didi.Costaire meinte dazu am 30.03.20:
@ Bergmann:
Große Worte, Uli. Schade eigentlich, dass du sie unter einem anderen Kommentar versteckt hast.
Beste Grüße, Dirk

 Emotionsbündel (30.03.20)
Ereignisse wollen festgehalten werden.
So hast du, lieber Dirk, auch dieses, an dem gerade niemand vorbei kommt, in deiner gewohnt guten und kurzweiligen Art in dein Dichterjahr aufgenommen.

Liebste Grüße,
deine Judith

Die Wortschöpfung "eine choronische Krise" gefällt mir am besten: beängstigend (wahr) und gleichzeitig innovativ amüsant

 Didi.Costaire meinte dazu am 30.03.20:
Danke, meine Liebe,
das hört sich gut an und gibt mir frischen Schwung für den Rest des Dichterjahres. 🤓
Allerliebste Grüße,
Dein Dirk 🐧

 Bergmann (30.03.20)
Mit Recht bekommt deine abstrakt-balladeske Corona-Elegie so viele ausnahmlos lobende Kommentare, lieber Didi.Costaire-Kaestnair!

 Didi.Costaire meinte dazu am 31.03.20:
Danke nochmals, Uli, deine Worte gehen runter wie Öl.

Liebe Grüße, Dirk

 plotzn (01.04.20)
Sehr ge-Lungen, Dirk!

Und die Stimmung darin zwischen Hoffen und Bangen und der Entdeckung ganz neuer Erfahrungen ist ansteckend aber erfreulich

Liebe Grüße,
Stefan

 Didi.Costaire meinte dazu am 01.04.20:
Danke Stefan,

jetzt hoffen wir mal, dass wir und unsere Lungen alles gut überstehen.

Liebe Grüße, Dirk

 harzgebirgler (03.04.20)
die elegie ist wirklich lesenswert
während das virus an den nerven zerrt.

beste dankesgrüße und bleib gesund!
henning

 Didi.Costaire meinte dazu am 03.04.20:
Danke, Henning!

Leider gab's noch keine eleganten
Elegien, die Krankheiten verbannten...

Bleib auch du gesund!
Viele Grüße, Dirk

 harzgebirgler (07.09.20)
mit wen'ger licht als schattenseiten
wird er uns noch lang begleiten
dieser keim aus fernem osten
und nicht nur viel leben kosten.

tolle elegie; gerne gelesen.

beste grüße zum wochenanfang
henning

 Didi.Costaire meinte dazu am 10.09.20:
Vor allem hat sich etliches verändert,
dass keiner mehr so leicht durchs Leben schlendert,
und das ist Stoff für einige Gedichte,
doch hoffentlich auch ziemlich bald Geschichte.

Danke und beste Grüße,
Dirk

 harzgebirgler (01.12.21, 19:10)
zwei jahre später im märzen
fehlt uns wohl auch grund zum scherzen
so wie dieses virus mutiert
und 'man' viel zu spät reagiert.

beste abendgrüße
henning
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