Besuch

Erzählung zum Thema Menschlichkeit

von  regenfeechen

Besuch

Heike steigt ins Auto. Mit einem komischen Gefühl im Bauch. Nichts ist mehr, wie es immer war. Sie fährt zu ihrem Sohn Michael und seiner Frau Janina und den beiden Enkelkindern Leah und Elisa.
Dort angekommen geht sie zur Haustür und klingelt. Wie abgemacht, zwei Mal. Dann geht sie zwei Meter zurück in den Garten und wartet.
Janina macht die Tür auf:“ Möchtest du hinten in den Garten kommen, auf der Terrasse haben wir Platz und können Abstand halten.“ Heike nickt und geht um das Haus herum in den hinteren Garten. Auf der Terrasse steht die Familie. Michael grinst sie an: „Hallo, schön, das du da bist!“ Janina nickt und schaut sie an. Die kleine fünfjährige Elisa fragt:“ Oma, dürfen wir dich heute umarmen?“ und schaut ihr fragend in die Augen. „Nein, Elisa, aber schau, ich habe dir etwas mit gebracht“ und sie reicht ihr ein selbst genähtes Kissen. In bunten Kinderfarben und einer durchsichtigen aufgenähten Tasche mit einem Bild von Oma und Opa darin.
„Das ist ein OmaOpaKnuddelkissen, immer wenn du mit uns knuddeln möchtest, kannst du das Kissen knuddeln. Denn noch dürfen wir ja nicht richtig knuddeln wegen dem dummen Corona Virus, das weisst du ja“:
Erst schaut die Kleine traurig und dann lässt sie das Kissen in der nächsten Stunde nicht mehr los und lacht Heike immer wieder an.
Leah ist schon 13 Jahre alt:“Oma, machen wir eine Luftumarmung?“ fragt sie.
„Ja, klar“ lacht Heike und beide öffnen weit die Arme, umarmen sich selbst und schicken sich gegenseitig eine Kusshand. Aber auch Leah bekommt ein OmaOpaKnuddelkissen und freut sich genauso darüber wie Elisa.
Auf Abstand sitzen nun alle auf der großen Terrasse und unterhalten sich.
Michael und Janina erzählen, was in der letzten Zeit alles so geschehen ist. Wie schwer ist es doch Abstand zu halten und sich nicht gegenseitig zu umarmen. Wie anstrengend es ist, die Kinder nun schon seit ein paar Wochen zu beschäftigen, mit der Großen zu lernen. Aber auch wie schön es ist, nun einmal viel Zeit mit den Kindern zu haben. Geschichten zu lesen und zu basteln, einen Fernseh- Kino- Abend miteinander zu erleben. Sie wollen einen Pool und ein Trampolin kaufen, um etwas von den Ferien zu haben, die ja in der nächsten Woche beginnen. Denn in Urlaub fahren geht ja nicht.
Die Kinder spielen unten im Garten und sind ganz lustig drauf. Immer wieder rufen sie: „Oma, guck mal“ oder winken ihr zu.
Heike fährt wieder nach Hause. Einerseits mit einem guten Gefühl, das sie ihre Familie gesehen hat und alle fit sind, andererseits mit vielen Gedanken im Kopf, wie es denn weitergehen kann.
Am Abend schickt Janina ihr ein Foto auf Whatapp. Die kleine Elisa schläft selig in ihrem Bett mit dem OmaOpaKnuddelkissen im Arm.

Als Heike zwei Monate später zu ihnen fährt hat sich die Lage ein wenig entschärft.
Die kleine Familie ist vom Corona Virus verschont geblieben, was hoffentlich auch so bleibt und Heike auch. So haben die Erwachsenen beschlossen,, das in der Familie wieder geknuddelt werden darf. Als sie draußen auf der Terrasse auf Michael, Janina, Leah und Elisa zugeht, rennt die Kleine ihr entgegen und wirft sich in Heikes Arme.
Den ganzen Nachmittag kommt sie immer wieder zum schmusen und auch die große Leah umarmt Heike ganz fest und lange.
Beim Abschied knuddeln sich alle wieder und Michael sagt:“Das hat uns wohl allen richtig gefehlt!“
Im Moment ist die kleine Welt wieder in Ordnung. Und hoffentlich bleibt es auch so und der Virus bricht nicht wieder derart aus, das es einen Lockdown gibt.
Ob die kleinen Kinderseelen das dann verkraften können?


Anmerkung von regenfeechen:

Kinderseelen und Corona

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Kommentare zu diesem Text


 AZU20 (17.08.20)
Die Gefahr besteht natürlich- leider. LG

 regenfeechen meinte dazu am 17.08.20:
Im Moment sieht das leider so aus, ja
Dir einen lieben Gruß

 franky (17.08.20)
Hi liebes Regenfeechen!


Richtig herzlich und lebensnah geschrieben.
Mir gefällt das sehr gut, es verdient ein oder zwei *chen.

Liebe Grüße

von Franky

 regenfeechen antwortete darauf am 17.08.20:
Danke Franky
und liebe Grüße zurück an dich

 AvaLiam (08.10.20)
Hey

Ja - die Kinderseelen trifft es wohl am härtesten und die Langzeitfolgen sind nur spekulativ zu erahnen.

Gewiss werden diese auch generationsübergreifend sein und von den eigentlichen Spuren des Dramas 2020 kann sich niemand wirklich ein Bild machen.
Das ist auch gut so. Es würde nur noch für mehr Mutlosigkeit sorgen.

Schön, wenn Erwachsene sensible (Aus)-Wege finden, den Wirren diesen Jahres entgegenzutreten und für Kinder Möglichkeiten schaffen.

All das findet sich in deinen Zeilen und ruft ganz viele Gedanken auf den Plan - wie auch das Überblicken eigener zwischenmenschlicher Kontakte und wie sie sich verändert haben oder zumindest eingeschränkt sind.

Liebe Grüße - Ava

 regenfeechen schrieb daraufhin am 09.10.20:
Danke Ava,
ja, es wird noch lange brauchen bis die sensiblen Kinderseelen, aber auch die Erwachsenen die Coronazeit verkraften. Wenn es dann endlich besser werden würde.
Hatten wir jetzt eine Zeit miteinander, wo wir uns wieder ein wenig näher kommen konnten, zeichnet es sich im Moment ab, das wir wohl wieder mehr Abstand halten müssen. Die Infektionszahlen steigen explosinsartig an. Vielleicht können wir sogar Weihnachten nicht miteinander feiern.
Für Kinder besonders schlimm, brauchen sie doch die Nähe und Kuscheleinheiten.
Aber wir werden das schaffen. Wenn wir anders füreinander da sind. Vielleicht mal eine Gute-Nacht-Geschichte per Handy rüber schicken und die Kinder so eine Geschichte von Oma hören können. Videoanrufe, oder mal ein Überraschungspäckchen schicken. Einfach zeigen, das man in Gedanken bei den Lieben ist.
All das hilft,
Ich wünsche allen hier eine gute Zeit in der wir lernen auf neue Art und Weise Zuneigung zu zeigen.
Liebe Grüße vom Regenfeechen

Antwort geändert am 09.10.2020 um 11:49 Uhr
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