Kopf und Körper (19.05.2024)

Essay

von  Hamlet

Wer zu viel nachdenkt, läuft Gefahr, das Bewusstsein dergestalt aus dem Körper in den Kopf zu ziehen, dass er nicht mehr weiß, wie er sich bewegen soll. Auch erscheinen uns manche Denker und Mathematiker zuweilen etwas linkisch. Möglich, dass jemand verlernt, seinen linken Arm zu heben, wenn er zu sehr über das Wunder des Armhebens nachdenkt. Denn das Bewusstsein ist nicht primär im Kopf, das den Arm hebt, sondern im Arm selber. Wer zu sehr über den Körper nachdenkt, ohne ihn zugleich zu fühlen, verlässt den Körper, sodass er langfristig an manchen Organen erkrankt. Denn psychosomatisch (z. B. nach Rüdiger Dahlke) entsteht Krankheit dort, wo das Bewusstsein von seinen Organen abgezogen wird. Jede Krankheit zwingt uns zurück in den Körper, oft so obsessiv, dass wir an nichts anderes mehr denken können. Erst wo das Leben stockt, entsteht der Denker, der das Leben wieder in den Fluss bringen will.

Dagegen ist das naive, blühende Leben sich selber unbewusst. Was die meisten gesunden Kinder spielend und nachahmend lernen, beherrschen sie fast nur unbewusst, wie etwa das Laufen und Sprechen. Insofern das Philosophieren aus einer Lebenshemmung gestiegen ist, verstärkt es die körperlichen Hemmungen zunächst sogar noch, bis sich der Denker immer wieder anweist, nicht mehr zu denken, sondern in der Körpermitte fühlend zu ruhen.

Wer nun vom vegetativen und animalischen Bewusstsein über das rationale Bewusstsein wieder zum vegetativen und animalischen Bewusstsein zurückkommt, schließt einen Kreis. Ein Zen-Meister gewinnt die Anmut eines bezaubernden Mädchens, doch eine erhabene Würde dazu. Wer also vom Prä-Rationalen über das Rationale zum Trans-Rationalen gestiegen ist, verliert seine ganzheitliche Vitalität nicht mehr so schnell, wie es dem Naiven jederzeit passieren kann. Denn durch seine Besonnenheit wird ein trans-rationaler Denker weniger Fehltritte machen, während der Naivling nur zufällig blüht, ohne sich selber zu verstehen, sodass ein böserer Zufall ihm alles Glück nehmen kann. Schafft es der Denker allerdings nicht, aus seiner Rationalität zum Trans-Rationalen aufzusteigen, bleibt er dem gesunden Naivling immer unterlegen, was das Leben angeht.



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Kommentare zu diesem Text


 uwesch (20.05.24, 09:57)
Volle Zustimmung :) LG Uwe
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