Zu spät

Gedicht zum Thema Weltuntergang/ Endzeit

von  Galapapa

Ein müder Abend, voll von toten Stimmen,
sie sagen nichts und tun dies unentwegt.
Gesichter ohne Züge scheinen zu verschwimmen,
sind bald ins Nirgendwo hinweggefegt.

Ich sitze, lausche ängstlich in die Stille,
fühl mich bedeutungslos und winzig klein;
dem Gaffer an der Tür beschlägt die Brille,
er sieht mich nicht, es scheint, ich bin allein.

Verbrauchter Luft entflohene Gefahren,
sie sind verfehlt gelebter Tage Lohn.
Die Gäste desertieren leis in Scharen,
von ihren leeren Stühlen grinst der Hohn.

Gleich wird die Uhr im Turme zwölfmal schlagen,
sie zeigt die Zeit, nach der kein Hahn mehr kräht.
Ich hol den Schaumwein und hör auf zu klagen -
für die Vernunft ist es fortan zu spät.

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Kommentare zu diesem Text


 Isaban (13.05.14)
Gar nicht schlecht, dein Gedicht, wirklich.
Es würde noch dazugewinnen, wenn es im heutigen Sprachgebrauch abgefasst wäre. Zwar sind die Bilder stimmig, die Sätze jedoch sind oft (z.B. S3, V2/3) so umständlich und altmodisch formuliert, dass das Gesamtbild etwas verstaubt erscheint. Gegenwartslyrik bedeutet Lyrik im Jetzt und Hier, dazu gehört auch der moderne, gegenwärtige, im Augenblick übliche Sprachgebrauch. Ein Text darf nie ao aussehen, als würde der Inhalt, insbesondere die Syntax, gewaltsam in die Erfordernisse der Metrik gezwängt werden. Je natürlicher der Sprachgebrauch wirkt, desto eingängiger und wirkungsvoller ist ein Text (wenn die Abweichungen vom normalen Sprachgebrauch nicht gerade als stilistisches Mittel eingesetzt wurden).
Mir sind die vielen kleinen Elisionen (meist das Schluss-e) aufgefallen, die in so gehäufter Form besonders ins Auge springen, da könnte man doch bestimmt etwas schrauben.
Das "scheinen" wiederholt sich (S1, V3, S2, V4).
Nicht dass du es falsch verstehst, der Text gefällt mir, man könnte halt noch ein bissl dran feilen.

Ein Text, mit dem ich mich gern beschäftigt habe.

Meine beiden Lieblingsverse:

...sie sagen nichts und tun dies unentwegt.
...sie zeigt die Zeit, nach der kein Hahn mehr kräht.

Liebe Grüße

Sabine

 tueichler meinte dazu am 13.05.14:
", wenn es im heutigen Sprachgebrauch abgefasst wäre. Zwar sind die Bilder stimmig, die Sätze jedoch sind oft (z.B. S3, V2/3) so umständlich und altmodisch formuliert, dass das Gesamtbild etwas verstaubt erscheint. Gegenwartslyrik bedeutet Lyrik im Jetzt und Hier, dazu gehört auch der moderne, gegenwärtige, im Augenblick übliche Sprachgebrauch"
Find ich gar nicht. Ein Text entsteht in einer Stimmung und repräsentiert diese. Dieser Text ist retrospektiv, deshalb finde ich die Sprache angemessen. Außerdem ist 'Gegenwartslyrik' eine Kategorie, der sich der Autor stellen kann oder nicht. Ob ein Text dort zugehörig sein soll, muss der Autor entscheiden, nicht der Rezipient.

Tom

 Isaban antwortete darauf am 14.05.14:
Lieber Tom,

Gegenwartslyrik ist die Lyrik, die gegenwärtig, also heutzutage/heute geschrieben wird. Falls Galapapa daran interessiert ist, noch an seinem Stil und Können zu feilen, sind es Hinweise, wie meine, die ihn - wenn er möchte - erkennen lassen können, woran genau er noch arbeiten könnte. Falls Galapapa seinen Text nur eingesetzt hat, um für das bereits vorhandene Können gelobt zu werden - auch das tat ich, nur eben mit dem Hinweis darauf, wo man eventuell noch "nachschleifen" könnte. Was ein Autor aus seinen Kommentaren macht, sollte ihm selbst überlassen bleiben. Galapapa schrieb einmal, er würde sich - was das Schreiben angeht - gern weiterentwickeln und er würde sich über Kommentare freuen, die ihm dies ermöglichen. Dieser Bitte bin ich mit meiner Rückmeldung hier nachgekommen. Wie gesagt, manche mögen kontruktive Kritik, manche eben nicht. Fakt ist, dass der Autor eines Textes - und nicht etwa die Mitleser - entscheiden muss, ob und welche Anregung oder Kritik er annehmen kann und will und was gut für seinen Text und die eigene Entwicklung als Lyriker ist. Ich selbst hab es z.B. bei meinen eigenen Texten und entsprechend kritischen Rückmeldungen immer als lieb gemeint, aber vollkommen überflüssig empfunden, wenn andere Autoren mir mehr oder weniger aufgebracht gegen "den bösen Kritiker" beispringen wollten, denn es sind immer die kritischen Kommentare, an denen man wächst - zu viel freundschaftliches und lieb gemeintes Lob lässt uns nur stagnieren. Klar, es ist immer schön, wennman gelobt wird und möglichst viele begeisterte Rückmeldungen bekommt, wer genießt das nicht? Wie soll man aber erkennen, wo es noch mangelt, wenn immer alle nur "Das hast du aber wieder toll gemacht!" schreiben?

Liebe Grüße

Sabine

 Galapapa schrieb daraufhin am 14.05.14:
Liebe Sabine,
erstmal danke für Deine lobenden Worte zu meinem Text!
Ich gebe Dir auch Recht, wenn Du sagst, dass mir konstruktive Kritik wertvoll und immer willkommen ist.
Ich muss vorausschicken, dass ich erst seit 2010 schreibe und im Laufe eines grauenhaften Berufslebens mich fast 40 Jahre aussschließlich mit medizinischer Fachliteratur befassen konnte. Dadurch bin ich vermutlich der Unbelesenste und Ungebildetste unter den hier einstellenden Autoren; da lasse ich, um es modern auszudrücken, einfach mal die Hosen runter.
Außerdem bin ich einer der Älteren hier und benutze die Sprache, mit der ich aufgewachsen bin. Wie hätt ich auch dazulernen sollen und ab einem gewissen Alter ist die Bereitschaft, Neues und Modernes noch mitzumachen irgendwann nicht mehr vordergründig vorhanden. Ich glaube, das ist auch relativ normal.
Warum sage ich das alles? Nun, weil ich auf jeden Fall klarmachen möchte, dass mein Schreibstil in keiner Weise eine Nachahmung, bzw. der Versuch dessen ist. Nichts liegt mir ferner, als die Sprache alter Meister nachzumachen!
Hinzu kommt, dass ich für mich selber schreibe, will sagen auch, um mir eine Zeit, in der ich eigentlich gar nicht gelebt habe, von der Seele zu schreiben. Natürlich musste auch ich erst mal lernen, wie man Gedichte schreibt und dabei haben mir die Foren geholfen. Nur deshalb habe ich zunächst meine Texte dort veröffentlicht; heute allerdings, weil ich immer wieder positive Rückmeldungen bekam und Andere gerne teilhaben lassen wollte. Mir geht es also nie um Ruhm oder gar Einkünfte, mit Lyrik sowieso ein hoffnungsloses Zielstreben für einen Anfänger wie mich, denn sonst müsste es mein Bestreben sein, mich erfolgreichen, modernen Texten anzunähern mit meinem Stil.
Aus all dem heraus verstehst Du vielleicht, warum ich an meiner Sprache nichts mehr ändern werde.
Du machst Deine Hinweise insbesondere an der Strophe drei fest und dort am Genitiv, wie ich vermute. Immer wieder ecke ich damit an und mag es einfach nicht einsehen, dass man eine solche Scheu oder Abneigung vor diesen Formulierungen hat. Dass ich dagegen daran festhalte, ist auch als Versuch zu verstehen, diese wohl als angestaubt geltende Ausdrucksweise zu erhalten, zumal in der Umgangssprache sich immer mehr Formulierungen einbürgern, die mir vollkommen widerstreben. Es ist natürlich auch ein Stück weit Geschmackssache, wenn ich den Genitiv in dieser Form Formulierungen mit der Präposition "von" vorziehe.
An den übrigen Versen kann ich nichts entdecken, das ich als veraltet bezeichnen könnte, ein Beleg dafür, dass dies eben meine mir eigene Sprache ist.
Und nun komme ich zum Punkt: Natürlich will und werde ich mich stets weiterentwickeln, an meiner Sprache aber wird sich wohl dabei nichts ändern.
Da ich viel zu wenig gelesen habe, könnte ich auch noch nicht einmal sagen, wie Gegenwartslyrik aussieht.
Andererseits gebe ich auch Tom Recht, wenn er sagt, dass jeder Autor für sich entscheiden muss und soll, welchen Schreibstil er wählt; erlaubt sollte sein, wass gefällt.
Ich habe also sehr wohl verstanden, was Du mir sagen willst und ich werde auch künftig wieder mehr darauf achten, dass meine neuen Texte nicht zu verstaubt daherkommen.
All diese Dinge sind mir nun, zum Teil auch wieder, bewusst geworden, dank Deiner kritischen Anmerkungen.
Dafür danke ich Dir nochmals!
Liebe Grüße!
Charly
gaby.merci (61) äußerte darauf am 18.05.14:
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 niemand ergänzte dazu am 28.05.14:
Ich würde auch sagen: Bleib bei Deiner unverwechselbaren Art zu schreiben. LG niemand

 Galapapa meinte dazu am 29.05.14:
Danke niemand, das werde ich, denn ich kann's nicht anders.
Liebe Grüße!
Charly
Anne (56)
(13.05.14)
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 Galapapa meinte dazu am 14.05.14:
Liebe Anne,
danke für Dein Lob!
Was das Thema angeht, so gebe ich Dir sogar Recht.
Lange habe ich gesucht nach einem passenden und nichts wollte mir zusagen. Schließlich wollte ich das Thema ganz weglassen und dann stand da: "Gedicht - ohne Thema", was mir noch weniger gefallen hat.
Wenn Dir etwas Vernünftiges einfällt, wäre ich Dir dankbar, wenn Du es mich wissen lassen würdest. Ich ändere das dann gern.
Andererseits lassen sich diese Verse auch als Endzeitgedanken interpretieren, wenn man will.
Danke und liebe Grüße!
Charly
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