Das Zehnchen, ein Doppelgenre

Szene zum Thema Neuanfang/ -orientierung

von  FrankReich

Die Kleinstpoesie,- bzw. prosa besitzt seit jeher den Vorteil, vom Leser schneller aufgenommen werden zu können, als auch den, einen ewigen Platz in seinem Gedächtnis zu gewinnen, falls Poem oder Spruch denn prägnant genug sind. Bisher haben sich diese Bedingungen stets in Gedichtformen wie Haiku, Senryu oder den europäischen Arten Elfchen, Epigramm und in prosaischen Aussagen gleich Aphorismen niedergeschlagen, doch der Speicher eines Gelegenheitskonsumenten vermag sich durch seine Spezialisierung auf die technischen Errungenschaften kaum noch ausführlicher mit solch immer nebensächlicher werdenden, sowie den Bereich der Philosophie touchierenden Darbietungsformen belasten, so dass es längst schon erforderlich erscheint, auf eine Spielform zurückzugreifen, die die Wurzeln der Sprache um etliches verdichtet, ohne diesen Minimalismus jedoch unbedingt auf Kosten des Ausdrucks, der Sinnhaftigkeit oder der Struktur betreiben zu müssen.
Der Modifizierung aus international übergreifenden Kleinkunstprogrammen nun verdankt ein Abfallprodukt seine Existenz, das sowohl aus Ermangelung eines besseren Terminus 'Zehnnchen' getauft wurde, als auch eine logische Assoziation zum Elfchen erweckt, obzwar es sich auf die Silbenzählung bezieht, und somit mehr Verwandtschaft zur europäisieren Form des Haikus, bzw. Senryus aufweist. Seine zehn Silben können zum besseren Verständnis sowie der Speicherung in herkömmliche Versfüße wie Jamben, Trochäen und Daktylen eingebunden werden, ebenso wie die Reimform zwar zuträglich, jedoch keineswegs vorgeschrieben ist. Während die aphoristische Form höchstens als Zweizeiler gestaltet werden kann, sieht sich auch die haikureske bis auf ihre drei Verse an keine weiteren Vorgaben gebunden. 
Im Besonderen erinnert die Wortschöpfung 'Zehnchen' an den Ausdruck 'Zähnchen', der sich als bissiges Element im Kopf des Rezipienten festsetzen dürfte, um damit weitere Missionsarbeit für diese Kurzform des Aphorismus leisten zu können, .Das Zehnchen als Imagination eines kurzen Sachverhaltes, Bildes oder Sinnspruches kann neben diesem knappen Aphorismus somit auch ein kleines Naturgedicht oder eine sonstige Aussage darstellen, je nachdem, wie es angeordnet wird, und welche Ansprüche es erfüllen soll. Auch philosophische und humorvolle Ansätze sind denkbar, denn sein Grundprinzip besteht wie bereits erwähnt, lediglich darin, dass es aus zehn Silben besteht, zusätzlich aber auch mit dem Begriff 'Szenchen' assoziiert werden soll, da diese Variation der haikuresken Vorstellung recht nahe kommt.

Es folgen drei Beispiele, die sowohl die aphoristische als auch die haikureske Form verkörpern, ohne sie inhaltlich zu bewerten::

1.
In der Not nur/ werden/ Vögel flügge.
werden/
Vögel flügge.

2.
Wie nichts versinkt/ der Traum/ in Zeit und Raum.
der Traum/
in Zeit und Raum.

3.
Rückenwind/ fördert den/ Reifeprozess.
fördert den/
Reifeprozess.

Zwar wird erst die Zeit zeigen, ob das Zehnchen trotz seiner Themenvielfalt und der geraden Silbenzahl anderen, konventionellen Gedicht,- und Prosaformen Paroli bieten kann, bis auf Widerruf gilt jedoch die folgende Option:
Alles kann, nichts muss, bis auf zehn leicht eingängige und schnell zugängliche Silben.


Anmerkung von FrankReich:

Zum Zehnchen

Das Alte steht/ Neuem/ meist erst im Weg.
Neuem/
meist erst im Weg.

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Kommentare zu diesem Text


 Teichhüpfer (25.10.20)
ende
ein punkt
zwei oder drei
da folgen viele von
anfang

 FrankReich meinte dazu am 26.10.20:
Danke Jens, von Zeit zu Zeit ist es wohl wirklich angebracht, mich darauf aufmerksam zu machen, dass ich das eine oder andere Projekt auch mal überarbeiten und zu einem Abschluss bringen sollte.
Nettes Elfchen übrigens, überraschend, dass Du Dich auch damit beschäftigst.
Ciao, Frank

 Teichhüpfer antwortete darauf am 26.10.20:
Yo Ralf, seit dreiundzwanzig Jahren.
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