Er ist Rassist. Und sagt es

Innerer Monolog zum Thema Egoismus

von  eiskimo

„Oh, ja. Und was für ein Rassist ich bin. Man sieht es mir nicht an. Keine Springerstiefel, keine HJ-Frisur. Es ist viel sublimer. Es steckt in mir: Da trage ich sie,  all meine Vorurteile. Es sind tiefsitzende, und keine, die ich rational begründen könnte.
Jedenfalls wittere ich sofort die Sorte Leute, die ich ablehne. Manchmal muss ich sie gar nicht wittern, denn sie hauen mir ihre Andersartigkeit derart eklatant um die Ohren, dass ich ohne Hast die Straßenseite wechseln kann. Oder meine Haustür vor ihnen verschließen. Nicht, dass sie anders sprächen oder eine andere Hautfarbe hätten. Das ist völlig irrelevant. Auch Herkunft und familiärer Hintergrund sind mir völlig schnuppe.
Nein, es sind die mit dem Winner-Gen, die ich nicht ab kann! Die Sieger-Typen. Das ist für mich eine Rasse, von der ich mich mit jeder Faser abgrenze. Nicht dialogfähig, von sich selbst total überzeugt, stets den eigenen Vorteil suchend und die Schwächen der Anderen ausnutzend – sorry, dieser Super-Spezies gegenüber kann ich tatsächlich nur Schranken aufbauen. Ich muss mich vor ihrer Selbstsicherheit, ihrer plumpen Spaßkultur und lautstarken Jovialität schützen, also meide ich sogar ihre physische Nähe.  Natürlich schaffe ich dieser Rasse damit Spielraum zur weiteren Entfaltung, das weiß ich. Ich lasse die Dominanz dieser auf Selbstoptimierung gezüchteten Art zu. Egal. Denn ich kann mich ihnen einfach nicht anpassen, es ist geradezu allergisch.
Worauf ich insgeheim hoffe: Dass sie sich in ihrem permanenten Konkurrenzkampf selbst zermürben, dass sie vielleicht ermattet zum Nachdenken kommen und dann tatsächlich so etwas entdecken wie das Sich-In-Frage-Stellen, die Rücksichtnahme oder gar ein bisschen Miteinander. . Das hat ja auch etwas Ansteckendes.“

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Kommentare zu diesem Text


 AZU20 (20.07.20)
Wollen wir Letzteres hoffen. LG

 tueichler (20.07.20)
Nun ja, da brauchts wohl Geduld. Bis es dann mal soweit ist, kanste Dir ja ne Tüte anzünden, dann biste eben ein Grasist

 eiskimo meinte dazu am 20.07.20:
Nee, lieber Luftgitarre, tiefe Töne, dann mach ich den ......., du weißt schon!
ciaoi
Eiskimo

 niemand (20.07.20)
Man könnte, im ersten Moment des Lesens, versucht sein den "Monolog-Drescher" abzulehnen. Tja, nur, gegen wen hat er eine dermaßen starke Abneigung? Gegen die Spezies, welche auch gegen jeden, der ihrer Art nicht entspricht, eine innere/wie äußere Ablehnung/Abneigung hegen. Die mit oben benannten Eigenschaften Behafteten, stehen ihm in keiner Weise nach, außer, dass sie in größeren Mengen agieren. Man begegnet solchen in der Tat jeden Tag. Dieser Text hat eine Art "Ausgewogenheit", denn hier spielt ein Egoismus gegen den anderen und man weiß letztlich nicht ob man sich überhaupt auf eine der Seiten schlagen möchte.
Eigentlich möchte man sich von beiden "Arten/Rassen" distanzieren. Ablehnung, wie Annahme haben immer wieder einen Grund. Extrem Handelnde/sich Gebende sind nicht grade mögenswert. Momentan tendiere ich sogar dazu, mich von den
[übertriebenen] "Selbstoptimierern" abgestoßen zu fühlen.
Was mir durchaus sympathisch erscheint ist, dass der "Monolog-Drescher" [selbstkritisch] von eigenen "Vorurteilen" zu sprechen bereit ist. Das wird man bei den Selbstoptimierern"
wohl eher selten erleben dürfen. LG niemand

 eiskimo antwortete darauf am 20.07.20:
Sehr fein auseinander gelegt, diese Darlegung. Da spielt sich ja viel nur im Kopf ab, wie Du auch sagst, im Bereich der Vorurteile.
Danke für die intensive Beschäftigung damit!
Eiskimo

 TrekanBelluvitsh (20.07.20)
Wissen sie, ich verrate ihnen noch etwas, das ich nicht leiden kann: sie! Und zwar nicht wegen ihrer Herkunft oder ihrer Abstammung. Ich kann sie einfach nicht leiden. Und sie haben selbstverständlich das Recht, mich nicht zu mögen, solange sie das aus den richtigen Gründen tun. Und wenn ihnen das nicht gefällt, können sie mich am Arsch lecken.
- John Becker - aus: Becker; S01E10"

 eiskimo schrieb daraufhin am 20.07.20:
Super! Das kannte ich noch nicht. Lohnt sich, mehrfach zu lesen.
vG
Eiskimo

 AvaLiam (21.07.20)
So ein bisschen meint er ja auch sich selbst.

LG - Ava

 Regina (21.07.20)
Könnten Frauen da den Schnösel mit dem toxischen Selbstbewusstsein, den Brutalo, den Psychopathen, den Zyniker, den Verantwortungslosen, den Egoisten, den Lügner und den Kriegstreiber vermittels Gebärverweigerung herauszüchten? Das wäre positiver Rassismus in deinem Sinne. Aber.........

 Thomas-Wiefelhaus (07.08.20)
Möglicherweise gibt es tatsächlich so ein Winner-Gen? Aber vieles ist auch umweltbedingt, etwa durch die Konkurrenz im Elternhaus oder der Schule entstanden. Mit 14 Jahren hatte ich so einen lauten und rücksichtslosen Winnertypen als Lehrer. Leider habe ich mich von ihm „unterbuttern“ lassen, statt die Chance, das „sich wehren lernen“ zu nutzen. Was ich nicht ahnte, ich hätte damals wirklich ALLES tun und sagen können, stattdessen war ich leise und es kam trotzdem (oder gerade auch deswegen) schlimmer, als ich es mir hätte vorstellen können. Selbst die frechste Antwort hätte nichts schlimmer machen können.
Übrigens sind manche Winnertypen laut, um ihre Angst zu verstecken.
Was ich noch weniger ab kann, sind die Sippe der BEFEHLSEMPFÄNGER, die so tun, als wäre nichts schlimmes passiert, nur weil sie ihre Anweisungen zur GEWALTAUSÜBUNG hatten. Schließlich lebte ich, als Jugendlicher mitten in einem leider sehr realen Milgram Experiment! Da wurde nicht gefragt, was ich will, z.B. Test-“Medikamente“ einnehmen! Leider gibt es wohl noch mehr Befehlsempfänger, als Winnertypen und wenn beide zusammenkommen: Gute Nacht!

Am liebsten sind mir die eher leisen und eigen-verantwortungsvollen Winnertypen. Ich wäre gerne selbst so einer.

 eiskimo äußerte darauf am 08.08.20:
Danke! Ein sehr beeindruckender Kommentar. Dein Schluss-Satz trifft es gut. Arbeiten wir dran!
lG
Eiskimo
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