Die Fabel vom Nabel

Text zum Thema Gott

von  Shagreen

Und Gott drehte den Tieren den Rücken zu. Sogleich trat die Schlange, die listiger war als alle Tiere, auf den Plan und ringelte sich auf den Baum in der Mitte des Gartens hinauf. Am Fuße des Baumes lag eine Löwin und genoss den kühlen Schatten, den das Blätterdach bot.
"Du, meine Liebe", rief die Schlange herunter, "koste doch einmal von der Frucht dieses schönen Baumes, unter dem du liegst." Darauf ließ die Schlange eine Frucht zur Erde fallen.
"Dies zu tun, hat uns Gott verboten. Wir dürfen nur alles grüne Kraut fressen", erwiderte die Löwin.
"Willst du nicht klug werden wie die Menschen, die Gott geschaffen hat? Wenn du davon isst, werden dir die Augen aufgehen und du wirst über alle Tiere des Feldes herrschen können."
Da nahm die Löwin einen Bissen von der Frucht, denn sie sah sehr schön und appetitlich aus. Und sie gab auch ihrem Mann von der Frucht.
Da gingen beiden die Augen auf und sie entdeckten eine kleine Vertiefung an ihren Bäuchen. Das war seltsam. Noch vorhin waren ihre Bäuche ohne jeden Makel. Und jetzt, ganz sonderbar, befand sich da etwas Ungewöhnliches. Interessiert leckten sie daran. Es kitzelte. "Das war kein Makel", dachten sie, "dazu macht es viel zu viel Spaß". Sie konnten gar nicht mehr damit aufhören, an dem Ding herumzuspielen. Und auch den anderen Tieren präsentierten sie stolz ihre Bäuche.
Da drehte Gott den Tieren wieder das Angesicht zu. Die Tiere horchten auf, aber Löwe und Löwin nahmen keine Notiz davon.
"Was betreibt ihr da für eine Nabelschau?", fragte Gott traurig Löwe und Löwin. "Habt ihr etwa von dieser Frucht gegessen?", und er zeigte auf den Baum in der Mitte des Gartens.
"Die Schlange hat uns verführt. Da haben wir davon gegessen", stammelte der Löwe.
"Weil ihr dies getan habt, wird Zwietracht unter euch sein. Auflauern und beißen werdet ihr euch gegenseitig. Und schließlich wird euer Stolz mit euch sterben. Doch am Ende der Tage werdet ihr wieder Stroh fressen und in Frieden mit allen Tieren und Menschen leben."
Und Gott scheuchte die Tiere aus dem Garten.


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