08 - Im Gurkenfass

Erzählung zum Thema Aufwachen

von  TassoTuwas

Dieser Text ist Teil der Serie  Ferne Lichter so nah.
Es hätte viel zu fragen gegeben, aber die emsige Geschäftigkeit ließ gerade so viel Zeit zu, wie es brauchte um ein paar belanglose Worte zu wechseln. Ununterbrochen reckten sich Hände in die Luft, wurden Bestellungen aufgegeben, wurde nach Bedienung gerufen und dabei hatte er zum erstem Mal ihren Namen gehört, Doro. Doro schlängelt sie sich pausenlos durch die engen Reihen, jonglierte dabei mit akrobatischem Geschick das volle Tablett hoch über den Köpfen, dass er mehr als einmal die Luft anhalten musste, doch immer konnte er danach erleichtert aufatmen.
Die mit ihm rund um den Tisch herum stehenden jungen Männer führten eine angeregte Unterhaltung, unternahmen auch einige Versuche, ihn in ihr Gespräch ein zu beziehen, er antworten nur wortkarg, und so ließen sie ihn schnell in Ruhe. Robert gefiel sich in stiller Beobachtung der Gäste, hauptsächlich aber folgten seine Augen nur dieser einen Person, die mit der Sicherheit einer Seiltänzerin von Tisch zu Tisch schwebte und ihn die Stunden vergessen ließ . Dann kam langsam die Zeit, dass mehr Gäste das Gurkenfass verließen, als neue hinzukamen. Das Stimmengewirr nahm an Lautstärke ab, seine drei Nachbarn sprachen von einen Lokalwechsel, winkten Doro heran und bezahlten. 
"War das Ihre Verabredung für heute Abend?", er sah sie mit gespielter Strenge an.
"Ja, für heute, morgen und übermorgen", sie blickte ihn mit einer entwaffnenden Heiterkeit an.
"Wie schaffen Sie das eigentlich, den ganzen Tag in der stickigen Halle und danach...", er warf einen Blick auf seine Armbanduhr und verwünschte sich augenblicklich im Stillen, mit einer hastigen Bewegung nahm er die Hand vom Tisch,  "...bis Mitternacht hier in Lärm und Qualm?"
"Muss gehen...", war ihre Antwort, "...an zehn Tagen Messe verdiene ich so viel, das reicht für die nächsten Monate!".
Das hätte nicht passieren dürfen, dachte Robert und war sich nicht sicher, ob sie die heftige Armbewegung irritiert hatte, oder ob es ihr zuvor schon aufgefallen war. Es war Doro nichts anzumerken.
"Ich werde gebraucht!", sagte sie und deutete auf einen Tisch, wo eine Gruppe junger Männer ihre leeren Gläser in die Höhe streckten.
Verärgert löste er die Uhr vom Handgelenk, sie wird dich für einen Angeber, einen arroganten Grosskotz halten, dachte er, und ließ die Rolex in der Hosentasche verschwinden.

Robert warf ein paar klobige Scheite in den Kamin, dass die Funken aufflogen. Man muss an die Zukunft denken, dachte er. Noch stand die Sonne über der Terrasse, wenn sie aber zum Nordwesten wegwanderte, würde es schnell kühl werden. Er ließ sich gegenüber dem Kamin in den Sessel fallen. Er leerte das Glas, griff nach der Flasche und goss nach. Die Flammen des Kaminfeuers schlugen knisternd ins Holz und der zuckende Lichtschein verlieh dem Whisky ein Farbenspiel in allen erdenklichen Brauntönen. Er trank und wieder befand er sich in Gedanken an jenen lang zurückliegenden Abend im Gurkenfass.

Kurz darauf hatte Doro am Nachbartisch etwas zu tun, sie lächelte zu ihm herüber und er war sich sicher, sie hatte nichts bemerkt. Er atmete auf, bestellte ein Bier und als sie es brachte und den Strich auch den Deckel machte, nahm er das Thema wieder auf.
"Also, wie schaffen Sie das, zehn Tage lang?",
"Alles Übung...", sagte sie, "...und wenn es vorbei ist, fall ich tot um, wie jedes Jahr!
Sie mussten beide lachen.
"Und warum jobben Sie ausgerechnet hier und nicht im Hühnerbein oder im Pauline?".
Wieder mussten sie lachen, dann wurde sie ernst.
"Hier kann ich mir das ganze Jahr über ein paar Kröten verdienen, da wäre es doch unfair ihn...", sie deutete mit einer leichten Kopfbewegung hinter sich, "...wenn es hier brummt, hängen zu lassen".
Robert blickte zum Tresen, hinter dem ein rundlicher Endfünfziger, der ihm schon beim  Eintreten wegen des Tempos, mit den er das Bier zapfte, aufgefallen war, der jetzt aber eine Pause machte und interessiert zu ihnen herüber schaute.
"Er beobachtet uns", sagte Robert.
"Das ist ein ganz Lieber, ich mag ihn", sie sagte es leise, fast flüsternd. 
Über Roberts Gesicht schob sich ein leichter Schatten der Nachdenklichkeit, Nicht so leicht, dass er Doro unbemerkte geblieben wäre. Es vergnügte sie.
"Charlie, ist mein Onkel!"

Als Robert im Taxi auf dem Wege zum Hotel war, hatte er einen Plan für den nächsten Tag. Da es sein letzter Messetag war, hatte er keine Termine. Wie die Jahre zuvor würde er am Vormittag noch zwei wichtige Geschäftskunden aufsuchen und ein wenig Smalltalk pflegen, dann zurück fahren, dass er am späten Nachmittag in der Firma noch einen kurzen Blick auf seinen Schreibtisch tun konnte.
Diesmal aber hatte er noch vor der Abfahrt, auf einem besonderen Messestand, etwas Wichtiges zu erledigen.

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Kommentare zu diesem Text


 TrekanBelluvitsh (16.09.20)
Ui, eine Person in diesem Teil arbeitet ja wirklich!
;-)

 TassoTuwas meinte dazu am 16.09.20:
Da ist dir möglicherweise etwas, für den weiteren Verlauf der Geschichte, sehr Wichtiges aufgefallen

TT

 ViktorVanHynthersin (16.09.20)
Die Auflösung mit Onkel Charlie hätte ich an den Anfang von 09 verlegt - sonst fand ich es prima!
Herzlichst
Viktor

 TassoTuwas antwortete darauf am 16.09.20:
War auch lange Zeit meine erste Wahl, doch dann gab es noch eine Alternative.

Und ich hab gewürfelt

Liebe Grüße
TT

 AZU20 schrieb daraufhin am 16.09.20:
Würfeln hilft manchmal wirklich. LG

 Didi.Costaire (16.09.20)
Gut, dass die Geschichte nicht in diesem Jahr spielt. Ansonsten müsste Doro bei der Arbeit eine Gurkenmaske tragen.

Liebe Grüße,
Dirk

 TassoTuwas äußerte darauf am 16.09.20:
GURKENMASKE ?

Didi, in was für Etablissements verkehrst du?

Liebe Grüße

TT

 AchterZwerg ergänzte dazu am 17.09.20:

 plotzn (16.09.20)
Lieber Tasso,
endlich sind die Bande geknüpft und einer Romanze steht nichts mehr im Wege, oder?
Wo befindet sich eigentlich das Gurkenfass? Doro ist ja schon so gut wie vergeben, baer das schnell gezapfte Bier hat es mir angetan..

Mit durstigen Grüße,
Stefan

 TassoTuwas meinte dazu am 17.09.20:
Hallo Stefan,
es gibt ja immer weniger Kneipen.
Es sollen ja schon Leute auf der Suche nach einem gezapfen Bier verdurstet sein!
Sei uns dieses Schicksal erspart
Herzliche Grüße
TT

 AchterZwerg (17.09.20)
Diese Onkel-Ehen sind die haltbarsten.
Und von einem Messefuzzi mit Sicherheit überhaupt nicht anzukratzen.
Dann doch besser gleich ins "Hühnerbein." Allerdings ist Obacht geboten: Die Extremitäten der Anwesenden sind vorher durchzuzählen ...

mahnt der8.

 TassoTuwas meinte dazu am 17.09.20:
Lieber Zwerg,
solche wichtigen Ratschläge können nur aus eigenem Erleben stammen!
Als Dank dafür möchte ich dich extremitätengerecht zu einem gemeinsamen Froschbeinessen einladen.

Das ist es mir wert.
TT
Al-Badri_Sigrun (61)
(22.09.20)
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 TassoTuwas meinte dazu am 22.09.20:
Liebe Sigrun,

vielen Dank für deine Treue!

Herzliche Grüße
TT

 TassoTuwas meinte dazu am 22.09.20:
Liebe Sigrun,

vielen Dank für deine Treue!

Herzliche Grüße
TT

 AvaLiam (09.11.20)
Oh man Tasso... hier musste ich wirklich lachen.

Es gibt ja Frauen, die schauen zuerst auf ein Männergesäß und sehen darin oft den attraktivsten Teil eines Mannes.
Manchmal schaue ich da auch gern hin.

Aber zuerst - und zwar IMMER zuerst schaue ich darauf, ob der Mensch eine Armbanduhr trägt - und wenn ja, was für eine.

Ich musste so schmunzeln und fühlte mich ertappt.

Ja, da scheint einer die Frauen zu kennen.


Liebe Grüße - Ava

 TassoTuwas meinte dazu am 09.11.20:
Nein Ava, ich lass mich nicht locken!
Natürlich schaue auch ich zuerst mit besonderem Interesse auf eine bestimmte Körperregion der Frauen, aber ich verrate nichts.
Tatsächlich bin ich im Laufe der Zeit zu der Erkenntnis gelangt, Frauen sind ein Ganzkörperwunder!
Und zu meiner Armbanduhr, wegen der hat noch keine Frau den Pfad der Tugend verlassen
Liebe Grüße
TT

 harzgebirgler (23.11.20)
der onkel hat ein auge schon auf das
was sich scheint's anbahnt da im gurkenfass.

lg
harzgebirgler

 TassoTuwas meinte dazu am 23.11.20:
Er bangt, denn Doro rennt und schafft
sie ist im Gurkenfass die beste Kraft

LG TT

 TassoTuwas meinte dazu am 23.11.20:


Antwort geändert am 23.11.2020 um 14:14 Uhr

 Enni (29.11.20)
Also echt mal, ich muss Doro bewundern ...
Vielleicht kann Robert sie sanft erwecken, wenn sie nach diesen 10 Tagen tot umfällt.

Und das Gurkenfass wäre eine kneipe nach meinem Geschmack (früher zumindest ...)

Lieben Gruß
Enni

 TassoTuwas meinte dazu am 30.11.20:
Hallo Enya,

hier gibt es eine Kneipe, in Nähe des Amtsgerichts, mit dem Namen "Zur letzten Instanz"

Wieso kommt mir jetzt "lebenslänglich" in den Sinn???

Liebe Grüße
TT
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