11 - Monologe

Erzählung zum Thema Aufwachen

von  TassoTuwas

Dieser Text ist Teil der Serie  Ferne Lichter so nah.
Ein kleines rotes Cabrio bewegte sich mit rasanter Geschwindigkeit auf dem dreispurigen Stadtring durch den dichter werdenden Abendverkehr. Der rechte Fuß der Fahrerin sprang, im Bestreben schnellstmöglich voran zu kommen, mit der Präzision einer Stepptänzerin zwischen Gas- und Bremspedal hin und her.
"Es wird allerhöchste Zeit, dass wir nach Hause kommen...", sagte Dorothee, "...wir sind spät dran!"
Sie warf einen kurzen Blick auf die Uhr am Armaturenbrett, "Du hast mir einen schönen Schrecken eingejagt, und für heute reicht es mir mit den Aufregungen!"
Neben ihr auf dem Beifahrersitz lag Pasche zusammengerollt mit halb geschlossenen Augen.
"Kannst dich schon mal darauf einrichten, für die nächste Zeit gibt es nur noch Püriertes!"
Die Schwanzspitze zuckte, Pascha blinzelte schläfrig.
"Wie kann man nur so verfressen sein. Weist du eigentlich wofür die Steaks gedacht waren?"
Der Kater rührte sich nicht, woher sollte er es wissen.
"Du und dein Chef, ihr könnt euch die Pfote reichen, ihr seid schon ein verrücktes Gespann!"
Weit voraus auf Doros Spur flammte das Rot der Bremslichter auf, Mit einem schnellen Rundblick erkannte sie die Lücke auf ihrer linken Seite, trat auf das Gaspedal und scherte mit einem ruckartigen Haken hinein. Der erschrockene  Fahrer schickte ihr nach überstandener Schrecksekunde ein paar derbe Worte und ein Feuerwerk an Lichtblitze hinterher. Er war nicht der Erste, dem das rote Cabrio vor die Nase gesprungen war.Tut mir leid, ging nicht anders, murmelte Doro, nachdem ihr ein Blick in den Spiegel zeigte, dass ihr Manöver ohne Folgen geblieben war.
"Männerfreundschaft, dass ich nicht lache, hat Frau da überhaupt eine Chance?"
Sie sah zur Seite, "He, sag was!"
Pasche hatte den Kopf zwischen die Pfoten gesteckt. 
"Ja, halt dir ruhig die Ohren zu. Ich sage dir eins, heute Abend wird es sich entscheiden. Da könnt ihr euch beide taub stellen, fünf Jahre und keinen Tag mehr!"
Die nächsten zwei Ampeln passierte sie mit dem letzten Gelb, was von Vorteil war, denn die nächste Ausfahrt war ihre, und so konnte sie gefahrlos von ganz innen nach außen wechseln.
"Und fangt nicht an, mir was von Gleichberechtigung zu erzählen. Es gibt ein paar Dinge, auf die legt auch die Frau von heute noch Wert!"
Pascha rührte sich nicht, sein Atem ging gleichmäßig, man konnte glauben, er wäre wieder eingeschlafen..
"Ich habe dir das Leben gerettet. Interessiert dich das überhaupt? Hörst du mir eigentlich zu. Wie wäre es mit einem Dankeschön!", sie seufzte,
"Ich bin ja selber schuld, warum musste ich mich auch gleich in zwei Machos verlieben?"
Die Betäubung schien ihre Wirkung zu verlieren. Pasch hob den Kopf und streckte eine Pfote in ihre Richtung.
"Ist ja gut!", Dorothee strich ihm über den Kopf, "...wir sind gleich zu Hause". 

"Gerade noch rechtzeitig", hatten sie in der Tierklinik gesagt und sich sofort über Pascha hergemacht. Danach sagten sie, er müsste noch zwei Tage zur Beobachtung da bleiben, aber Doro hatte darauf bestanden, ihn wieder mitzunehmen.
"Das ist ein zäher Bursche...", hatte sie gesagt, "...der hat schon einen Bürgerkrieg überstanden!"

Robert hatte den letzten Rest Whisky ins Glas geschüttet, sehr vorsichtig, und bedacht darauf, keinen Tropfen dabei zu verlieren, denn die Flasche war inzwischen verdammt zittrig geworden. Nichts daneben gegangen stellte er fest und nickte selbstzufrieden. Dann stemmte er sich mühsam in die Höhe. Durch seine Adern rollte das verwirrende Erzeugnis schottischer Braukunst, pochte der Puls hinter der Stirn und vor den Augen waberten Nebelfetzen.  Für einen Moment verharrte er, um seine Standfestigkeit zu testen und griff, nachdem er festgestellt hatte, nichts könnte ihn umwerfen, nach dem Glas. Ihm war warm geworden.
So ein Kamin heizt doch mächtig ein, dachte er, schwankte zu Terrassentür und stakste mit ungelenken Schritten hinaus. Er atmete tief ein, die Abendluft macht ihn vollends betrunken.
War es nicht ein wahrhaft grandioser Ausblick, hier, hoch über der Stadt, in der jetzt die bunten Lichter angingen. Er wollte es genau sehen, noch näher dran sein, viel näher, torkelte bis zur Umfassungsmauer, setzt das Glas auf ihr ab und blickte staunend hinunter. Er hatte die Höhe noch nie so bewusst zur Kenntnis genommen, wie in diesem Augenblick, klein, ganz klein, spielzeugklein die Straßen, winzig die Autos, die Menschen kaum zu erkennen.
So hoch bin ich, dachte er, das ist ja fantastisch, und wenn einer es so hoch hinauf gebracht hat, da muss er doch auch in die Ferne gucken können, über die Stadt hinaus und viel weiter, warum nicht über die Grenzen. Warum ist mir die Idee erst heute gekommen?
Er stellte sich auf die Zehenspitzen, reckte sich, schwankte, die Mauer gab ihm Halt. Da weit hinten, die verschwommenen Lichter, was konnte das sein, vielleicht Beirut? Oder lag das mehr dort drüben, auf der anderen Seite, dann könnte es auch Edinburgh sein oder anders herum? Das sollte doch zu erkennen sein. Ich brauche unbedingt einen Kompass, kam es ihm in den Kopf, und ein Fernglas. Jetzt waren die Geschäfte zu, morgen würde er es kaufen.

Für heute hatte er schon eine andere Idee.

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Kommentare zu diesem Text


 Moja (29.09.20)
Hm, und wieder geht's nicht weiter, gerade jetzt..., also dann übe ich mich in Geduld, warte auf die Rückkehrs des Katers und der resoluten Doro...

Grüßchen,
Moja

 TassoTuwas meinte dazu am 29.09.20:
Hallo Moja, Dorothee gibt doch schon Vollgas.
Schneller geht's nicht, sie ist schon 2x geblitzt worden. Das wollte ich aber nicht erwähnen, sie erfährt es eh früh genug!
Liebe Grüße
TT

 EkkehartMittelberg (29.09.20)
hallo Tasso, dein Text lebt von zwei Inneren Monologen. Dazu gibt es viel Theorie. Ich weiß aber, dass du so etwas einfach aus dem Gefühl heraus hinkriegst. Prima!
Herzliche Grüße
Ekki

 TassoTuwas antwortete darauf am 29.09.20:
Hallo Ekki,
so ist es, wenn von Dreien nur zwei was von sich geben.
Nr. 3 hatte wohl die Warnung in Ohren, "Alles was Sie jetzt sagen kann später gegen Sie verwendet werden".
Herzliche Grüße
TT

 AZU20 (29.09.20)
Auf die bin ich gespannt. LG

 TassoTuwas schrieb daraufhin am 29.09.20:
Es strebt der Mensch nach Höherem!
LG TT

 TrekanBelluvitsh (29.09.20)
Beirut und Edinburgh? Ich glaube ja, es sind Wanne-Eickel und Bottrop.

 TassoTuwas äußerte darauf am 29.09.20:
Das ist echte Heimatverbundenheit!
Woll
TT

 AchterZwerg (30.09.20)
Falls Pascha mal zur Adoption freigegeben werden sollte ...
;-)

ichmeinjanur

 TassoTuwas ergänzte dazu am 30.09.20:
Aber sischer!

Passt ja auch größenmäßig
Al-Badri_Sigrun (61)
(30.09.20)
Dieser Kommentar ist nur für eingeloggte Benutzer lesbar.

 TassoTuwas meinte dazu am 30.09.20:
Ja Sigrun, du hast es erkannt.
Pascha wäre fast an den Steaks erstickt.
Aber du fahr bitte vorsichtiger, Doro ist zweimal geblitzt worden!
Liebe Grüße
TT

 plotzn (03.10.20)
Zum Glück leide ich nicht unter Höhenangst, Tasso, sonst hätte ich diesen Höhepunkt kaum unbeschadet überstanden.
Ob die beiden monolog noch in einem Dialog münden?

fragt sich gespannt
Stefan

 TassoTuwas meinte dazu am 03.10.20:
Stefan, und ich leide unter Höhenangst. Dieses Kapitel war für mich eine fast übermenschliche Herausforderung, und ich bin riesig froh, sie unbeschadet überstanden zu haben!
Glaub mir, zukünftige Geschichten werden sich nur noch im Parterre abspielen

Liebe Grüße
TT

Antwort geändert am 03.10.2020 um 14:32 Uhr

 AvaLiam (13.11.20)
Cool find ich ja, dass du Partei für die autofahrenden Damen ergreifst und sie gekonnt auch flotte und freche Manöver fahren lässt.

Robert hat heute schon eine andere Idee....

Wie habe ich gehofft, dass er nicht auch noch Auto fahren wollte mit dem ganzen Sprit im Tank. :-P


LG - Ava

 TassoTuwas meinte dazu am 14.11.20:
Aber Ava, du weißt doch wie das Autofahren zur feuchtfröhlichen Feier geregelt ist.
Er fährt hin und sie zurück

Liebe Grüße
TT

 harzgebirgler (19.11.20)
selbst mit einem im kahn
faßt er noch manchen plan
und das find' ich beweist
was trinkfestigkeit heißt.

lg
harzgebirgler

 TassoTuwas meinte dazu am 19.11.20:
Wenn´s rings um dich wild tobt und knallt
vertrau, dann gibt dir eine gute Flasche Halt

LG TT
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