KLICKS UND CLIQUEN

Synthesen + Analysen in der Matrix


Eine Kolumne von  Bergmann

Montag, 24. Juni 2013, 14:58
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Mann macht Macht, Macht macht kaputt. Lorca (Stücke 16)

364. Kolumne

„Mariana Pineda“ von Garcia Lorca

Was für ein großes Stück! Da steht in der Frauengestalt der Mariana Pineda der gebrochene Mensch unserer Zeit, die zugleich an die Urzeit erinnert, auf der Bühne, Heldin und Opfer zugleich, sie ist so etwas wie Christus als Frau, aber ohne frohe Botschaft. Lorca schreibt die Geschichte der legendären Volksheldin Mariana Pineda (1804-31) um, aber er behält das Wesentliche bei: Die Heldin wird ihrer politischen Überzeugung auch im Angesicht des Todes nie entsagen, sie unterwirft sich der Leidenschaft ihrer Liebe, aber nie den Männern, sie bleibt ihrem Freiheitsbegriff treu, der die politisch konkreten Forderungen übersteigt, indem sie Freiheit im privaten Leben fordert, als Frau, als Liebende und Geliebte der politisch aktiven Männer, die sie am Schluss nicht aus den tödlichen Strukturen der Männermacht retten können, weil Marianas individualistische Haltung politische Bedeutung gewinnt.

Das ist ein fatal düsteres Stück auf das Leben, verdammt politisch und doch nie vordergründig politisch, überhaupt nicht ideologisch, keine Verheißung, sondern Protest und Aufschrei. Kein falsches Pathos, keine Sentimentalität, doch voller Sentiment, dazu große Momente des Gefühls.

Lorcas Drama betrifft auch den Geist unserer Zeit, dessen ethische Fortschrittlosigkeit in der archaisierenden Gestaltung Mariana Pinedas. Die männliche Macht in der Politik ist die gleiche Macht, die im individuellen Leben, das den eigenartigen Namen Privatleben trägt, zur Ausbeutung des Menschen durch den Menschen führt. Besonders in der Liebe zeigt sich die Ohnmacht der Frau, es gibt nichts Unpolitisches, es gibt nichts, das sich dem Anspruch der Macht und der Mächtigen entzieht, das Weib die Frau die Liebende die Mutter unterliegt in allen ihren Rollen, auch als Hure oder als Märtyrerin wird sie noch ausgebeutet. In der Welt, wie sie ist, geht auch das Gute an sich selbst zugrunde. Es ist das Großartige, dass Lorca keine reine und gute Heldin vorführt, sondern einen Menschen, der in seinem Freiheitswillen und in seiner Suche und Sucht nach Liebe sich fast verliert und mitschuldig wird, der sich aber nie der Macht verschreibt und ihre bewusste Komplizin wird.

Es gibt einen Moment, wo sich Mariana Pineda noch einmal aufbäumt und gegen ihren Untergang ein Lied herausschleudert: Töne aus Magma - das ist ein ganz großer und immer wieder seltener Theatermoment, da wird Theater überhaupt erst richtig zu Theater, das ist der Moment, auf den wir immer warten, er muss nicht laut sein, nicht immer aus Magma oder Phosphor, auch leise Gifte des Schönen wirken stark, das ist der Grund, warum wir immer wieder ins Theater gehen, weil wir eben doch vollkommen aristotelisch verdorben sind und glauben wollen, dass das was auf der Bühne geschieht in uns selbst geschieht, in solchen Momenten begreift man den Katharsis-Gedanken des alten griechischen Philosophen, da wird eben Kunst und erfahrene oder geahnte Realität eins, Erfahrung und Ahnung decken sich hier wie Vergangenheit und Gegenwart, politische und private Wirklichkeit.

Zu Recht wird gesagt, Lorca sei der Dichter einer weiblichen Welt. Durch sie scheint die männliche umso stärker hindurch, je stärker das Verlangen nach Freiheit durch eine Frau artikuliert wird.

Der Untergang Mariana Pinedas vollzieht sich langsam. Wie ein Stier wird sie besiegt. Hat dieser Kampf für die Männer eine (heimliche) kultische Seite, indem der politischen Macht die Liebe geopfert wird? Soll das ein Sieg der Vernunft über das Gefühl sein, geht es um die narzisstische Rechtfertigung einer Hierarchisierung der Gefühle?
In der Arena des Lebens wiegen und verschaukeln sich alle Personen gegenseitig. Das zeigt die Labilität der Geschichte, der Liebe, des Lebens, Kindheitswelt und Erwachsenenwelt als Kontinuum. Die Arena als Gefängnis und Grab. Mariana fällt, aber sie bleibt bis zuletzt, als sie sich zum Schweigen als Protest entschließt, unbeugsam.

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