Bakschisch

Text

von  Winterwanderer

Von einem Hund, der Geld riecht.

Bakschisch


Paul läuft mit Bakschisch den Waldweg. Entlang der Straße, setzt er sich auf die Bank. Der Hund macht Platz.
Die Ruhe währt kurz. Bakschisch springt auf, läuft an die Straße und bellt.
Ein Motorrad rast an, dicht gefolgt von der Streife. Der Fahrer lässt die Maschine vor der Kurve
aufheulen und legt sich rein. Er wirft den Beutel beim Rausbeschleunigen ab. Der Polizeiwagen  bricht in der Kurveneinfahrt aus, prallt fast gegen die Leitplanke und schlittert beim Gegenlenken auf die falsche Bahn. Der Polizist kriegt den Wagen in Griff, lenkt zurück auf die rechte Spur, fährt übervorsichtig  weiter.
Paul ist beeindruckt, Bakschisch schon ganz woanders. Der hat was gewittert, hält die Schnauze tief, rennt der Spur nach. Paul ruft den Hund, den interessiert s nicht.
Das Motorrad hält an der Parkbucht. Der Fahrer bockt die Maschine auf, legt den Helm ab, läuft über die Straße. Er sucht die Abwurfstelle, sieht das Zeug am Waldrand liegen, rennt dorthin, ist schon erleichtert, da schnappt ihm Bakschisch den Beutel weg und rennt fort.

Bakschisch springt aus dem Dickicht, kreuzt Pauls Laufweg. Der Hund macht kehrt, rennt ihm nach, der Motorradfahrer hinterher.
„Bleib´ stehen, Arschgeige!“
Paul schaut nach dem Verfolger, tritt gegen eine Wurzel und schlittert mit Karacho auf den Boden. Der Hund bleibt stehen, rupft den Beutel auf und vergräbt die Schnauze darin. Beim Schnauben verpufft das Pulver in weißen Wolken aus den Rissen in der Tüte. Plötzlich springt Bakschisch mit Katzenbuckel in die Höhe und so im Zickzack umher.  Paul steht auf, rennt weiter. Der Große bleibt bei Bakschisch stehen.
Paul ruft: „Zu mir!“ Der Hund lässt von der Tüte ab und kommt.
Der Mann kniet vor die Fetzen, sammelt Geld ein, blickt auf, sieht dem Hund nach.

1.)

Paul hat im Haus der Oma ein Zimmer. Bakschisch ist lieber bei Oma oben. Paul rasselt mit
der Leine. Der Hund rennt die Stiegen runter. Sie gehen laufen.

Es ist Sommer, Sonne, richtig heiß. Seit der Geschichte mit den Rockern ist Zeit vergangen. Er wähnt sich in Sicherheit, wagt mit Bakschisch die Runde durch den Wald.
Ein Fehler, denn als die beiden das Waldstück verlassen, schneidet ihnen ein Transit den Weg ab. Die Schiebetür geht  auf. Paul erschreckt beim Anblick des Großen. Ein Dicker und ein Kleiner steigen auch mit aus. Der Fahrer kommt rum, ist hager, sieht nicht doof aus. Alle tragen Kutten, die Unterhemden waren mal weiß. Bakschisch macht Sitz, ist gelangweilt, tut desinteressiert. Der Dicke rammt Paul mit dem Bauch zum Kleinen, der weicht aus, stellt ihm das Bein. Paul macht einen Satz in den Dreck. Die Rocker lachen. Er hustet  etwas Staub aus, steht auf, klopft Hemd und Hose ab.
„Los!“ „Du und der Hund steigen ein!“
Der Kleine zieht die Schiebetür auf.
Paul sagt: „Nein!“
Er kriegt hinter die Ohren. Der Kleine steht auf Zehenspitzen, um Pauls Backen zu erreichen. Paul erträgt es. Bakschisch ist es Wurst, schaut ganz wo anders hin.
„Willst du noch Nachschlag?“ will der wissen.
Paul weiß dazu nichts und steigt in den Bus. Bakschisch springt rein und macht bei ihm Sitz. Der Große fährt. Der Rest sitzt hinten. Es geht los, stadtauswärts. Paul spürt, dass er angeglotzt wird, kuckt aus dem Fenster, will den Blick des Kleinen nicht streifen. Bakschisch kratzt am Boden unter Paul, schnaubt und grunzt dabei, will den Teppich  mit den Zähnen vom Boden reißen.
„Siehst du das?“ fragt der Dicke.
Der Kleine nickt: „Das Fach!“
„Ganz genau!“
„Der Hagere sagt: „Was?“
Der Kleine schaut mitleidig zum Hageren, der nun frägt, was mit seinem Herrchen geschehen solle.
„Den behalten wir, bis der Hund uns gehört!“ Der Kleine lächelt an Paul vorbei.
„Hallo? Ich bin noch da!“ ruft Paul, winkt in den Blick des Kleinen, bekommt dafür eine an die Ohren. Paul will ihm an die Gurgel. Der Dicke quetscht  Paul ein, nimmt ihn in den Schwitzkasten:
„Jetzt darf der auch schon was sagen?“
Die Rocker lachen ab. Paul wird die Luft knapp, ist still, kann gar nichts sagen.

Sie fahren in das Ziegelwerk. Paul ist hier schon mit dem Hund gelaufen. Da sind Werkstätten, Firmen, eine Diskothek und wohl auch die Rocker. Der Transit hält mit roter Wolke vor dem Haus. Ein richtig massiger Mann kommt aus dem Haus. Ein Schäferhund rennt um den Fetten ins Freie. Der Bus geht auf. Bakschisch springt raus und rennt zum anderen Hund. Beide springen sich an, spurten einander nach, rennen umeinander herum. Paul steigt im Griff der Rocker aus.
„Unser Anwärter ist da!“ freut sich der Boss.
„Zwick mich!“ meint Paul.
Der dreht ihm das Ohr ab. Paul geht in die Knie
„Grüß den Boss!“ befiehlt der Boss ihm. Alles lacht.
Paul sagt leise: „ Hallo!“
Er lächelt zufrieden, greift Paul unter die Arme, zupft ihm Steinchen von der Schulter:
„Hast du Geld?“
Paul sagt: „Nein!“
„Dann lass uns rein!“
Die Rocker fallen ihm um den Hals, dass es in Pauls Genick nur so knackt. Sie riechen männlich, reiben den Schweiß an ihm ab, lachen dazu dreckig. Der Fette nimmt Pauls Kopf unter den Arm und zerrt ihn in den Klub. Der Rest folgt. Er stellt ihn hinter der Bar ab. Die andern nehmen vorne  Platz.
„Du hast Glück! Das Geld war da, aber was dein Hund geschnupft hat, musst du bezahlen! “
Alle setzen sich dazu. Einer sagt:
„Oder Anwärter!“ 
Der andere schreit: „Zapf Bier!“
„Und wenn nicht?“
Der Kleine wirft ein Glas hinter die Theke. Es zerklirrt neben Pauls Kopf.
Der Anwärter zuckt zusammen, sagt: „Ok!“
„Erst Aschenbecher leeren, Theke wischen, dann zapfen!“ Der Große zeigt ihm die Faust. Darauf steht was. Paul sammelt die Aschenbecher ein, geht hinter die Theke und wischt sauber, muss dem  Kleinen zwischendurch ein Bier zapfen. Der droht ihm nun mit einer Ohrfeige, wenn es nicht schneller ginge. Paul zupft den zweiten Glassplitter aus der Schaumkrone und stellt ihm das Glas hin.
Da stehen drei Frauen, als stünden die schon die ganze Zeit da. Paul überlegt, woher die plötzlich sind?
Die Mittlere sagt: „Hallo Arschgeige!“
Der Boss: „Schenk  ein!“
Alle lachen.
Paul macht den Frauen was zu trinken, dann den anderen, dann allen. Er ist nur noch am Bedienen.  Die Bande ist besoffen. Keiner beachtet ihn mehr. Da ist euphorisches Geschrei und irres Gelächter. Der Boss erhebt sich: „Du räumst hier auf!“
Er zeigt auf Paul und geht nach hinten. Die Bande folgt ihm dorthin, nicht die Mittlere, die bleibt  sitzen. Paul beachtet sie gar nicht.
„Ich heiße Katja!“ sagt sie extra laut.
Bakschisch und der Schäferhund  laufen ein und gleich ins Zimmer des Fetten.
„Ist das dein Hund?“
„Der Schwarze?“
Paul findet sie hübsch, sehr sogar: „Das ist sein eigener Hund!“
„Der kann Sachen riechen!“ Sie ist neugierig.
„Bakschisch war Diensthund. Er kann das!“
„Was machst du außer Hund?“
„Nichts!“
Katja steht auf und geht ins Hinterzimmer. Der Boss will Schnaps. Paul stellt eine Flasche mit Gläsern auf das Tablett und läuft nach hinten. Der Dürre kommt aus dem Zimmer. Paul geht rein. Niemand nimmt ihn wahr. Alle machen Liebe, halbnackt auf dem Sofa, oder nackig im Stehen und auf Knien, Katja mit dem Langen, sogar Bakschisch und der Schäferhund. Er stellt das Tablett ab, geht.
Der Hagere steht hinterm Tresen und spült die Gläser.
„Das ist mein Job!“ Er scheint fast beleidigt. Paul lässt ihn links liegen, geht aus dem Klub, will nur heim. Bakschisch holt ihn an der Pforte zur Ziegelei ein.

Draußen hupt wer irre. Paul geht ans Fenster. „Ist doch nicht wahr?“ Bei dem Krach frägt Oma, was da los sei?
„Einen Moment Oma!“ Ich schau nach.
„Wirst du etwa abgeholt?“ hakt Oma nach.
Paul öffnet die Tür. „Woher wisst ihr, wo ich wohne?“ ruft er.
Der Große sitzt am Steuer und wedelt mit Pauls Geldbeutel: „ Komm raus, Anwärter, sonst gibt es auf die Schnauze!“ Er zeigt die geballte Faust: „Und nimm den Hund mit!“
Oma fragt: „Hast du Bekannte?“  „Nein hab ich nicht, Oma!“ Er rasselt mit der Leine. Bakschisch kommt runter. Sie steigen in den Transit. 
Er ist zornig: „Kann ich den Geldbeutel  haben?“ Der Fette quetscht Paul gegen die Transitwand, nimmt ihn in den Schwitzkasten:
„Ganz ruhig!“ „Schau aus dem Fenster! “
Der Boss presst Pauls Gesicht gegen die Scheibe. Der Große wirft den Geldbeutel  aus dem Fenster.
Paul sieht ihn fliegen.
„Siehst du, jetzt hast du deinen Geldbeutel!“ 
Er krächzt im Würgegriff: „Ja, fliegen sehen!“
„Ja, fliegen sehen können!“ Der Boss setzt die Faust an Pauls Auge an, starrt in das andere.
„Wir müssen pfänden und brauchen den Hund!“
Er sagt; „Lass Bakschisch aus dem Spiel, er ist in den besten Jahren, wenn Du verstehst!
Der Fette lässt ihn los: „Es hat gut mit uns geklappt, bis jetzt?“
Paul schweigt.
Der Boss schaut sanft: „Du hältst einfach die Schnauze und machst, was wir dir sagen!“
Er ist eingeschüchtert, blickt entsetzt um sich, kreuzt den Blick des Kleinen, bleibt daran kleben. Das zieht den Kleinen an. Er rückt Paul auf die Pelle, kommt mit dem Mund näher. Paul dreht den Kopf zur Seite. Der Kleine macht ihm am meisten Angst.
„Das ist ganz leicht!“ flüstert er ihm süß ins Ohr.

Sie halten vor dem Wohnblock. Der Lange steigt aus, läuft um den Bus, öffnet die Türen.
Der Boss steigt aus, läuft gleich zum Gebäude. Der Rest folgt. Am Eingang brüllt der Dicke: „Los!“
Sie stürmen, bleiben im zweiten Stock vor der Tür stehen, warten auf Bakschisch. Der Hund steigt nicht gern Treppen. Der Große tritt die Tür ein, die mit hallendem Krach aus dem Schloss fällt. Der Nachbar steht am Spion, macht aber nichts. Man schert sich hier nur um sein Zeug.  Die Rocker stürmen die Wohnung. Es klirrt. Paul und Bakschisch zögern.
„Los jetzt!“ Der Hagere droht mit Schlägen.
In den Etagen gehen Türen auf, man lauscht. Es klirrt.
Paul betritt den vernebelten Flur. Bakschisch folgt. Ein alter Mann steht erstarrt vor den Scherben eines Suppentellers, den er vor Schreck fallen ließ. Die Einlage ist verstreut.
„Was wollt ihr von mir!“ frägt er mit klapperigen Ton.
„Unser Geld natürlich!“ faucht der Kleine, während er Fächer aus den Schränken reißt und alles durchwühlt.
„Ich habe das Geld nicht! Sie haben es mir abgezogen!“
Der Dicke geht zum Hund: „Such!“ Der Hund trabt in die Küche, und dort an einen Fressnapf. Die Rocker folgen. Bakschisch frisst, während das Zwergvieh des Alten unter der Eckbank zittert.
Der Hund schmatzt nochmal, dreht sich in die Runde und guckt blöd.
Der Boss sagt: „Such!“
Bakschisch blickt Paul mit raushängender Zunge an.
„Mach du mal“ fordert der Dicke, schupst Paul zum Hund.
Paul sagt: „Such!“
Der Hund geht sofort in den Suchlauf, läuft schnaubend und im Zickzack durch die Zimmer, schnüffelt auch an Möbelstücken, in Schränken und den aufgewühlten Schubladen. Bakschisch juckt ins Bett und am Nachttisch wieder raus. Die Bande folgt gespannt.
„Der geht ab, wie ein Staubsauger?!“ meint der Dicke ganz begeistert.
Bakschisch kratzt die Tapete über der TV- Dose auf.
„Wer zahlt mir die Tapete?“
Der Große zieht das Messer, der Opa schluckt kurz, er hebelt die Dose aus der Wand.
„Steckt ihr mir den Fernseher wieder ein?“  hakt der Alte nach.
„Nein!“ antwortet der Kleine, weiß, dass es noch Backenfutter gibt und freut sich schon. Der Große findet hinter der Abdeckung  gefaltetes Geld, gibt es dem Kleinen. Der rupft die Scheine auseinander, behält den Alten im Augenwinkel.
Er faltet es wieder, steckt es in den Hosensack, wendet sich an den Dieb und schmiert ihm eine. Der fällt seitlich ab, bleibt am Boden liegen. 
„So fest war das doch gar nicht!“ Er stupft ihn. Der alte Mann regt sich, begreift es aber noch nicht.
„Der Sack hat doch markiert!“ sagt er zu allen: „Der steht gleich wieder auf!“
Paul läuft nach vorne, bittet die Bande, ihn in Ruhe zu lassen.
Der Kleine baut sich auf.
„Was ist, wenn nicht?“
Paul sagt: „Ohne mich sucht Bakschisch nicht, ihr habt es gesehen!“
Der Boss nickt, starrt den Kleinen kritisch an, bis er ihn in Ruhe lässt, sogar den Alten ins Bett bringt.  Sie rücken ab. Es geht zum Klub.

Bakschisch geht zum Schäferhund, Paul muss an die Theke. Er zapft Bier und richtet Kurze.
Die Frauen kommen rein. Katja streift Paul im Vorbeigehen und sagt: „Hallo Paul!“ Paul sieht ihr nach. Das gefällt dem Langen gar nicht. Der schlingt den Arm um Pauls Hals, zieht ihn ran und hält ihm die Faust vors Gesicht.  Auf der sind vier Buschstaben eintätowiert  - L O V E.
„Das ist das Letzte was du siehst, bevor dir die Lichter ausgehen!“ weiß der Große. Paul frägt aus dem Schwitzkasten, warum es eigentlich nur fünf Mitglieder gäbe.
Der Lange lässt von Paul ab, stößt ihn weg:
„Wir waren mal zehn!“
„Wo sind die anderen?“
„Ali war der Boss. Er sitzt für immer, hat wem mit dem Hammer den Schädel eingeschlagen!“ Es ist
kurz still.
„Im Affekt!“ beteuert er, blickt Paul besonders irre an.
„Soll ich weiter erzählen?“
„Nein!“ Paul geht an die Baar, zapft sich selbst ein Bier.
Alle anderen sind bald sturzbetrunken.
„Lass die CD laufen!“ jubelt der Dicke.
Paul geht an den CD-Spieler und drückt die Wiederholtaste. Es geht los, die Rocker gehen ab, flippen aus und grölen zu den Liedern. Paul kann es nicht mehr hören. Die Dicken laufen richtig Amok, stampfen wie Sumo-Ringer aufeinander zu, prallen mit den Bäuchen zusammen, rangeln durch den Klubraum, reißen einander mit allen Tricks und wüsten Beschimpfungen um.


Es ist bereits hell. Die Rocker sitzen an der Theke. Bakschisch und der Schäferhund  liegen beim
Boss. Die Frauen sind auch da.
Der Dicke stößt Paul an: „Wenn du Such sagst, dann sucht der Hund!“
Paul weicht einen Schritt zurück: „Bakschisch macht, was er will, er hat es sich auch verdient!“ 
„Du machst jetzt den Hund wach und lässt ihn suchen!“ schreit ihm der Kleine ins Ohr. In Pauls Kopf hallt das Gebrüll  nach:
„Muss das sein?“
Der Kleine steht unter Druck, bläht sich vor ihm auf, platzt fast vor Irrsinn. Ein blutiger Splitter kommt zwischen den zugepressten Lippen zum Vorschein:
„Wir haben was versteckt!“
„Ok!“ Paul schreitet zum Hund, kniet an seine Seite, rubbelt ihn fit und sagt: „Such!“
Der Hund macht gar nichts, bleibt neben Paul im Sitz und wedelt mit dem Schwanz.
„Vielleicht will der Hund erst fressen, bevor er  sucht!“ glaubt der Hagere: „Wie beim alten Sack!“ Der Kleine schaut den Hageren verdutzt an. Der Boss sieht auf den Kleinen herab.
„So doof ist der nicht, wie du klein bist!“ sagt er. Der Kleine grinst angestrengt.

Der Boss holt eine Schale und Futter. Die Hunde folgen ihm bei Fuß in den Garten. Er stellt die Schale zum Napf und teilt die Dose unter den ungestüm fressenden  Hunden auf.
Die Bande ist um die Näpfe versammelt. Bakschisch hat leer, blickt mit hängender
Zunge zum Ernährer.
„Such!“ sagt der Boss.
Bakschisch rennt an die Bank beim Grillplatz und gräbt. Die Rocker grinsen, klatschen sich ab.
Paul steht an der Regentonne, kann Bakschisch nicht verstehen, senkt betrübt den Kopf, grübelt,
starrt auf eine quecksilbrige Pfütze, die den Himmel  spiegelt, ihn schillern lässt. Er geht hinten rein und vorne wieder raus, will weg, heim. Am Ende des Geländes stoppt er und blickt zurück. Da ist kein Bakschisch, weit und breit nicht. Er sieht jemand. Es ist Katja:
„Warte!“ ruft sie. Paul geht lieber weiter. Sie hakt sich ein: „Das Arschloch tut mir leid!“

2.)

Es ist Samstagabend, Kaiserwetter! Die Leute waren am See baden oder genossen den Tag beim Grillen, hatten einfach draußen Spaß. Die Tische unter den Schirmen und Kastanien füllen sich mit luftig gekleideten Menschen. In der Gartenwirtschaft vor der Disko wird bei Kaffee oder Kaltgetränk ganz entspannt pallabert. Die Jungen feiern schon mal vor, trinken Bier oder sürpfeln an Cocktails, sie lachen und tanzen sich ein. Die Autos rollen in Kolonnen in die Ziegelei. Die Plätze für Fahrräder und Roller sind überfüllt. Es wird um die Disko laut, Party! Donnernder Bass kitzelt die Haut. Da ist Umtrieb und Tumult im Eingangsbereich. Die Gäste drängen in den Tanzpalast.

Unweit des Trubels, hocken die Rocker am Tresen. Die Hunde lümmeln im Klubraum.
„Wann bekomme ich mein Weib wieder?“ will der Lange unbedingt wissen, pocht auf Antwort.
Der Boss wischt mit harter Hand über dessen Kopf. Der fällt fast vom Hocker.
„Wir ziehen dem Abt die Lieferung ab!“ Er blickt jeden einzeln an. „Er wird den Stoff irgendwo verstecken müssen!“ Am fragenden Blick des Hageren, bleibt
der Boss kleben. „Weil es viel ist!“ sagt er.
Der Hagere ist zufrieden. Der Boss erklärt: „Wo der Stoff ungefähr gebunkert ist, findet Lilli raus!“ Lilli nickt. „Wo genau, wird der Hund uns zeigen!“ Die Bande mustert Bakschisch. Der nimmt kurz Notiz, streckt alle Viere von sich und gähnt, lässt den Kopf wieder fallen. Im Blick des Fetten leuchtet Habsucht: „Und wann es der Abt  kriegt?“ Er ist sich sicher: „Das werde ich wissen!“
Der Dicke schreit in Richtung Küche: „Kurzer?“
Der Kurze hat Crystal gekocht, hält einen Pott brodelnder Schlacke aus dem Fenster, sagt, es wäre jetzt kristallin, kippt den Abschaum ab.

Oma sitzt beim Tee, sammelt und scharrt die jüngsten Ereignisse ein, ist entzückt, schmunzelt verschmitzt, freut sich für Paul. Der Junge ist ohne Bakschisch heim gekommen, dafür hatte er ein Mädel dabei. Der Hund kommt sowieso  zurück.

Katja nimmt ihn richtig ran, zeigt Paul, was sie unter Sex versteht. Dem gefällt´s. Es ist morgen. Sie liegen in unbeschwerter Vertrautheit und eng umschlungen beieinander, streicheln sich, sind zärtlich zueinander. Katjas Berührungen sind normal, so schön normal. Paul ist verliebt, glücklich, und frägt sich, wie er das Leben nur ertragen hatte. Sie fühlt sich sicher und geborgen. Er hat Muskelkater.

Lilli und Ivanka springen ausgelassen auf der vollen Tanzfläche umher, drehen unter Hochdruckbeschallung und Blitzlichtgewitter total durch. Sie jubeln, reiben sich an Männern, machen  denen schöne Augen, lassen sich berühren. Wie von Geisterhand, vertickt sich das Crystal wie von selbst. Es geht weg, wie warme Semmeln.
Ivanka sitzt mit einem  Kerl an der Bar, lässt sich einladen. Er riecht gut, ist ganz nett. Sie reden angeregt, berühren einander erst beiläufig und machen sich dann richtig an. Ihre Blicke streuen Sterne. Er will was kaufen, hat aber nicht genug Geld, frägt Ivanka, ob sie kurz mit ans Auto käme, dort hätte er noch Kohle liegen. Sie lächelt erst überheblich, dann grinst sie lüstern, sagt: „Ja!“
Ivanka läuft in Schlangenlinien hinter dem Kerl her. Lilli sieht das und folgt dem Paar raus. Sie laufen an die Parkplätze. Dort steht abseits der Wagen.
Er hilft ihr auf den Sitz, steigt selbst zur Fahrerseite ein, rutscht gleich zu ihr rüber. Die ersten Küsse erwidert Ivanka noch. Doch es ist ihr hundeelend. Sie mag nicht mehr, stößt ihn von sich, verdreht die Augen und verliert den Kopf. Lilli schleicht nah an die Scheibe.
Der Kerl dreht das Rad am Sitz, zieht den Rock hoch, lässt die Hose runter. Sie sieht das und rennt in den Klub. Dort steht die Bande um die Feuerstelle. Der Boss macht Feuer. Der Lange zündet den Grill an.
Lilli rennt aufs Grundstück, ist außer Atem: „Da will einer der Ivanka an die Wäsche!“ Der Dicke und der Kurze schrecken auf.
„Wo?“ fragen beide gleichzeitig.
„Hinterm Fahrradshop!“ Lilli keucht, legt die Hände auf die Knie: „In einem roten Golf!“  Die Rocker rennen los.

„Da ist der Golf!“ Der Kurze schleicht an die Seite und macht die Tür auf. Der Dicke zieht den Kerl von Ivanka ab und aus dem Wagen, nimmt ihn in den Polizeigriff. Der Typ ist zu Tode erschreckt, rudert panisch mit den Armen, schreit laut: „Hilfe!“ Der Dicke drückt ihn in die Knie.  Der Kurze stopft den Schreihals mit einer Handvoll  Kies. Die Hand des Dicken kommt von hinten, hält den Mund des Typs zu, dreht ihm den Kopf um. Sie stehen wieder auf.  Der Kerl beißt vor Schmerz auf einen spitzen Stein, schreit wie am Spieß: „Mmmmmpf!“
Der Kurze zieht das Messer, nimmt sein  bestes Stück  in die Hand. Der Typ erstarrt im Moment zur Salzsäule, gibt allen Widerstand auf. „Wenn wir dich noch mal sehen!“ Er setzt das Messer an, zieht kurz die Klinge an. „Wir lassen dich laufen! Machst du einen Mucks, dann ist er gleich weg!“ Er wischt das Messer am Kittel ab. Sie lassen von ihm ab. Er fällt auf die Knie, speit und würgt blutigen Kies aus.
„Hau jetzt ab!“ Der Kerl zittert.
„Los!“
Der Kerl  steht auf, zieht die Hosen hoch und läuft wankend in sichere Menschenmengen. Der Dicke hilft Ivanka aus dem Wagen. Sie zupft die Klamotten gerade. Das Mädel wankt, friert, hat Schüttelfrost. Sie ist aschfahl.
„Wie viel hast du gemacht?“ will der Kurze wissen.
„Ich habe genug!“ Sie stützt sich am Dach ab und kotzt in den Golf. 

Die Bande steht ums Lagerfeuer. Es knistert und knackt. Die Flammen lodern in den Himmel und speien Funken in die Nacht. Der Boss ist stockbesoffen, torkelt ums Feuer, fällt fast rein, rollt sich  noch ab, aber die Kutte brennt. Der Lange leert Bier drüber. Es zischt und qualmt. Alles lacht im Wahn, der Boss am lautesten.  August springt  auch durch die lodernde Glut, kichert irre, fängt auch gleich Feuer. Er tut so, als würde ihn das nicht kümmern, steht normal rum, während der Feuerring  die Kutte frisst. Der Lange schüttelt das Bier richtig durch, lässt einen Spalt zwischen Daumen und Flaschenhals, besprüht die Flammen, erstickt sie im Schaumteppich. Sie freuen sich, wie kleine Kinder. Bakschisch und Trixi sind angesteckt vom Trubel, rennen durch den Garten, machen Fangen. Lilli sitzt auf der Bank, starrt ins Feuer, denkt traurig an Helmut.  Früher waren es nur Eierdiebereien, doch jetzt?
„Wo ist eigentlich Ivanka?“ fragt sie den Boss, der gerade aus dem Klubhaus wankt.
„Sie sitzt auf dem Küchentisch!“ Er grinst.
„Hä? Was macht sie dort?“
„Sie schäkert mit dem Dicken!“ Der Boss lacht schadenfroh: „Und der Kurze darf nur kucken!“

Es ist hell. Der Boss erwacht, hat einen bösen Kater, sieht sich erstaunt um. Der Lange und August liegen um die Feuerstelle,  grunzen ganz entsetzlich. Lilli sitzt immer noch auf der Bank, starrt in die Asche. Er setzt sich zu ihr.
„Was ist los?“
Die Antwort dauert eine Weile. „Nichts!“ Ihr Blick bleibt in der Asche stecken.
„Na dann!“
Er will zur Verabredung, steigt wacklig aufs Motorrad, besinnt sich und fährt los. Der Abt lebt auf einem alten Kloster im abgelegenen Wald.

Der Boss hält am Klostertor. Er klingelt, grinst in die Kamera. Die Hunde rennen ans Tor, fletschen die Zähne, knurren so einprägsam urwüchsig, dass es dem Boss durch Mark und Bein geht. Plötzlich sind die Hunde still und rennen weg. Das Tor geht auf. Er lässt das Motorrad an und fährt durch den Park ans Anwesen. Dort wird er von einem Mann im grauen Anzug erwartet. Wer diesen Herrn nicht kennt, sagt Professor!
Er zieht den Helm ab
„Hallo Helmut!“ grüßt der Abt.
Helmut steigt die breite Treppe zum Eingang hoch, sagt auch: „Hallo!“ Die Hunde flankieren den Eingang, einer sitzt links, einer rechts, Statuen gleich.
„Es gibt Tee!“ meint der Abt mit Akzent, legt die Hand auf Helmuts Rücken. So führt er ihn durchs Foyer. Sie gehen auf schönem Marmor durch einen  Saal, vorbei an Gemälden und einem vergoldeten Spiegel. Helmut grinst sich an.
„Dort aßen einst die Mönche!“, sagt der Abt mit beiläufiger Handbewegung.
„Aha!“
Sie kommen über die Terrasse in den Garten und setzen sich in die Pergola am Pool. Eine Dame bringt Tee und Gebäck, macht einen Knicks. Geht’s noch, denkt Helmut.
„Wie viel willst du?“ Der Abt kommt gleich zur Sache.
Helmut blickt übers glitzernde Wasser auf den schönen Park, schweift über die Klostermauern.
„Tausend!“ will Helmut.
Der Abt dreht am Spitzbart: „Da!“
„Bis wann?“
„Morgen!“
„Übergabe auch?“
„Da!“
„Wie viel?“
„Fünfunddreißig!“
Das scheint Helmut günstig. Er trinkt Tee, nimmt einen Keks.
„Da!“ Helmut schabt Krümel vom Bauch.
Der Abt steht auf, deutet durch Verneigung an, er möge nun gehen.
„Also!“ Er tut das.
Der Abt sieht ihm nach, dreht grübelnd den Spitzbart.

Es ist Abend, sommerlau. Lilli richtet sich auf der Anhöhe nah am Kloster ein. Sie stellt den Korb ab, breitet die Decke aus, legt das Fernglas aufs Flies und sitzt ab. In der Nacht müsste was geschehen, denkt sie beim Öffnen der Flasche Wein. Helmut sagte ja, er es wüsste es. Lilli füllt den Becher, trinkt aus, legt sich auf die Decke, entdeckt einen schrulligen Doppeldecker, der knatternd  in die Abend fliegt, und den sie hinter den Baumkronen verliert. Die Sonne geht unter. Die Wolken leuchten rot. Der ganze Himmel leuchtet. „Das Leben kann schön sein!“ murmelt Lilli weinlaunig. „Und ich mach so einen Scheiß hier!“ Sie hört was rascheln, macht sich flach, ist mucksmäuschenstill, spickt durch den Löwenzahn hindurch. Zwei Männer mit Hunden streifen knapp an ihr vorbei. Sie bleibt im Gegenwind unentdeckt, atmet auf. Es dämmert. Die verschwimmenden Formen sind ihr unheimlich. Die Wachen gehen ums Kloster, das kann sie noch sehen. Sie sieht Lichtkegel, die sich mit der Straße drehen. Da fährt ein Wagen vor. Lilli schaltet die Nachtsicht am Fernglas zu und späht. Das Tor ist auf, die Kutsche rollt auf grobem Pflasterstein zur Villa. Zwei Männer steigen aus, kommen ins Kloster. Lilli sieht die Gestalten durch eine Reihe Fenster den Saal entlang laufen. Die Männer tragen über die Terrasse Pakete  bis an die Klostermauer. Sie gehen in die Knie, nehmen die Pakete in den Schoß und verschwinden im Entengang  hinter Efeuranken. Lilli denkt an einen Geheimgang, beobachtet und wartet. Nach einer Weile, krabbeln die Männer durchs Efeu ins Kloster zurück. Die Pakete haben sie nicht mehr. Lilli hat genug gesehen, setzt eine Kurzmitteilung ab und packt die Sachen. Sie knipst die Taschenlampe an, blickt die Anhöhe hinab, leuchtet den Weg ums dornige Gestrüpp aus. Im Schein der Lampe winken knöcherne Glieder von überall her. Lilli hat beim Abstieg Gänsehaut gekriegt. Helmut will im Morgengrauen die Suche beginnen. Sie läuft den Pfad durch den Wald bis zum Schotterweg. Dort wartet August auf der Enduro. Sie klemmt den Korb an den Gepäckträger und sitzt auf.

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