Die zwei Königreiche

Parabel

von  hehnerdreck

Es waren zwei Könige, die in unterschiedlicher Weise herrschten, und doch verband sie ein gemeinsames Schicksal. Der erste, im Glanze seines Überflusses lebend, zog unaufhörlich aus seinem Reich alles heraus, was nur zu holen war. Die Felder wurden kahl, die Flüsse verschmutzt und trüb. Die Menschen litten Hunger, ihre Gesichter gezeichnet von Entbehrung und Elend. Ein Leben der Gier und des Übermaßes führte das eine Reich in den Abgrund der Verarmung.

Der zweite König hingegen war ein Mann der Mäßigung und Fürsorge. Mit Bedacht pflegte er sein Land, sorgte für seine Leute, ließ die Erde stetig fruchtbar bleiben. Sein Reich blühte in stiller Schönheit, und die Bevölkerung lebte in Zufriedenheit. Ein Leben im Einklang mit der Natur und dem Gemeinwohl zeichnete sein Wirken aus.

Doch der gierige König blickte neidisch auf den bescheidenen Herrscher und dessen Land mit wachsendem Verlangen. „Ich will dieses Land haben“, sprach er, „es muss mein werden, denn dann werde ich wirklich alles besitzen.“ Und um sein Ziel zu erreichen, bot er dem bescheidenen König einen Teil seiner Reichtümer an, wenn dieser ihm sein fruchtbares Land überlassen würde.

Doch der ehrliche Herrscher war kein Mann der Bestechung. Er machte sich Sorgen um sein Volk und wollte es niemals verraten. Das Angebot lehnte er ab, fest entschlossen, sein Land zu bewahren.

Da entbrannte der gierige König in Zorn. Mit listigen Worten und falschen Zeugnissen verbreitete er überall die Lüge, der bescheidene Herrscher plane, sein Reich zu rauben. Doch niemand glaubte ihm. Das fruchtbare Land des zweiten Königs war weithin bekannt für seine Reinheit und seinen Wohlstand; es gab keinen Grund anzunehmen, dass dieser edle Herrscher ein verwüstetes, ausgebeutetes Land stehlen würde – ein Land, das durch die Maßlosigkeit seines eigenen Königs bereits erschöpft und wertlos gemacht worden war.


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