Der Weihnachtskampf

Anekdote zum Thema Weihnachtsgeschichte

von  KopfEB

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"Geniessen sie jetzt mit mir die Wiederholung des grössten Sportereignisses der letzten 5 Jahre:

Einen schönen guten Abend wünsche ich hier live aus der Noel-Gedächtnis-Arena, wo auch dieses Jahr wieder der Kampf aller Kämpfe stattfinden wird.
Da stehen sie auch schon in ihren Ecken und brennen scheinbar nur darauf, das es endlich losgeht.
Zunächst natürlich das obligatorische Shake-Hands, bei dem die Kontrahenten so tun müssen, als sei alles friedlich-harmonisch, die Familie, das Leben, alles insgesamt. Dieser Teil des Kampfes trägt äusserste Bedeutung in sich, sorgt er doch für die nötige Anspannung der Beiden und liefert erste Munition.
Und da geht es auch schon los. Die Kämpfer umkreisen sich, noch wagt keiner einen ersten Angriff. Aber beide wissen, der Fight hat begonnen.
Da holt sie weit aus und lässt die ersten Nerven fliegen. Er pariert gekonnt mit einem Scheinargument, was sie aber natürlich direkt durchschaut und mit einer Tränen-Attacke kontert.
Uhh, war das nicht vielleicht ein wenig zu früh, um so eine dicke Kelle auszupacken? Nicht, das es ihr am Schluss an Effektivität fehlt.
Jetzt wagt er einen Vorstoss, bringt gekonnt eine Anmerkung über ihre Familie an und ja, man sieht es genau, das war ein Treffer!
Wütend rappelt sie sich wieder hoch und belegt ihn mit einer Hasstirade von Beschimpfungen. Warten sie, ich glaub ich kann etwas davon verstehen... Ja, sein Vater ist gemeint! Das ist immer eine sichere Bank, dagegen kann er sich nicht wehren.
In seinen Augen blitzt hilfloser Zorn und man kann seinem Gesicht ansehen, er muss sich schnell etwas einfallen lassen, sonst ist es das gewesen für dieses Jahr.
Da, sein Mund öffnet sich und... jawohl! Ein wunderschön geführter Leberhaken gegen ihre hausfräulichen Eigenschaften. Der Tisch sei nicht vernünftig gedeckt und - moment, ich muss kurz lauschen - ja, wo habe sie denn bloß den Rotwein hingestellt. Sie wisse doch, dass sein Vater nichts mehr trinkt.
Sie blickt sich hilfesuchend nach dem Schiedsrichter um. Das war doch ein verbotener Rhetoriktiefschlag! Sein Vater ist ihr Argument.
Aber warte nur Bürschchen, das war dein Untergang.
Es war auch wirklich ein gewagter Versuch, ihre Gründe gegen sie zu verwenden. Wie es aussieht kommt er jetzt nicht mehr hoch, sie fährt fort und überzieht in mit Vorwürfen, einer so gekonnt wie der andere. Ob er sich aus diesem Griff wohl noch einmal befreien kann?
Aber was ist das? Ja, seine Geheimwaffe und wundervoll eingesetzt! Das steinerne Gesicht. Ich habe das Gefühl, dass es jedes Jahr noch emotionsloser wird.
Sie strauchelt, weiß nicht wohin mit ihrer Wut. Von ihm prallt alles ab. Was nun? Die Tränennummer? Nein, das würde nichts mehr bringen, zu früh verschossen all das Pulver.
Nun gut, wenn man nicht mehr gewinnen kann, muss man halt ein Remie herbeiführen. Also dreht sie sich um und lässt ihn allein in der Küche stehen, mit all den Pfannen, Töpfen, Tigeln. Soll er doch alleine zusehen, ich glaub das war ihr Schlußsatz.
Und ja, sie verlässt den Ring und er kann sie nicht davon abhalten. Ein klassisches Patt, keiner kann sich mehr bewegen, weder von dem anderen weg, noch zu ihm hin. Also werden wir wohl auch dieses Jahr wieder warten müssen, wie es im Nächsten ausgeht und ob es dann endlich einen Sieger gibt, der mit den Scheidungspapieren belohnt wird.
Aber, liebe Sportfreunde, das hebt doch nur die Spannung!
Also schalten sie auch nächstes Jahr wieder ein, wenn es heißt "Alle Jahre wied..."
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Mein Gott, was freu ich mich auf morgen.


Anmerkung von KopfEB:

Was bin ich froh, dass das seit 2 Jahren vorbei ist.
Die Beiden haben wohl verstanden, das es keinen Sieger geben muss, damit beide gewinnen können, nicht immer nur das Gefühl zu verlieren empfinden müssen. Früher war Weihnachten für mich der schrecklichste Tag im Jahr, jetzt nicht mehr. Ich freu mich mittlerweile wirklich sehr auf Morgen, denn die Harmonie ist nicht mehr nur gespielt und ohne Shake-Hands gibts keinen Fight.

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Kommentare zu diesem Text


 BrigitteG (23.12.05)
Ja, das kann ich nachvollziehen, E. Meine Eltern gehören noch zu der Generation, die aus Pflicht zusammenbleibt - und geheiratet wurde aus demselben Grund. Mit dem Ergebnis, dass sie jahrelang nebeneinander her gelebt haben. Aber wahrscheinlich ist ein andauernder Kampf wirklich unerträglicher als Gleichgültigkeit. Unterhaltsam geschrieben, übrigens, mit einem gemeinen Schluss. LG Brigitte.

 KopfEB meinte dazu am 23.12.05:
Andauernder Kampf oder Gleichgültigkeit, schreckliche Aussichten.
Ich bin so glücklich und dankbar, das meine Eltern sich wiedergefunden haben, nachdem der Auszug von mir und meinem Bruder alles sehr in´s Wanken gebracht hatte. Die Pflicht war gegangen, was nun? Für Gleichgültigkeit hat´s zum Glück nicht gereicht, ich hätte zwei Vorbilder verloren. So hab ich zwei gewonnen.
KeinB (25)
(23.12.05)
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 KopfEB antwortete darauf am 23.12.05:
Sogar diesen Streit gibts in unserm Haus seit kurzem nicht mehr. Ich hab keine Ahnung, wie wir das machen, aber plötzlich ist der ganze Abend wirklich friedlich.
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