KLICKS UND CLIQUEN

Synthesen + Analysen in der Matrix


Eine Kolumne von  Bergmann

Mittwoch, 25. Dezember 2019, 20:32
(bisher 193x aufgerufen)

Cura sui

701. Kolumne


In dem Band „Ästhetik der Existenz. Schriften zur Lebenskunst“ behauptet Michel Foucault anhand seiner Untersuchung verschiedener Quellen aus der griechisch-römischen Antike unter Einbeziehung christlicher Quellen der Spätantike (wenn auch mit einiger Abgrenzung) und alles das, was später daraus wurde bis heute:

Die cura sui (Sorge um sich selbst) im Kontext einer culture de soi sei „eine der ältesten Traditionen des Westens ... war bereits etabliert und tief verwurzelt, als Augustinus seine Bekenntnisse zu verfassen begann.“ Foucault versteht darunter folgende Techniken (~ Künste):
- Denkzettel, Notizen mit Gedanken, auch ganz konkreten Erlebnissen des Alltags, Wünsche, Pläne, Gelesenes ... etc.
- meditatio: auch tagsüber, vor allem abends: Sich-Erinnern, Prüfung des Getanen, Erreichten, Ungetanen, Unerreichten, Vergleichen, Selbstbeurteilung - recht konkret und in der Antike ohne jede Buße, Reue, ...
- Leitmotiv: Nosce te ipsum im Sinne der Selbstvervollkommung und Aktivierung aller Kräfte - erst im christlichen Zeitalter Selbstaufgabe im (religiös motivierten) Dienst am Nächsten, im Gottes-Dienst.
- Schreiben als Selbstvergewisserung in privaten Aufzeichnungen und Briefen - permanent. Auch der Dialog (Korrespondenz) dient der cura sui.
- Einteilung des Lebens als Erwachsener: gestaltende Teilnahme am öffentlichen Leben - ohne Vernachlässigung der cura sui, die stets Voraussetzung ist für eine Sorge um andere(s). / Rückzug aus dem öffentlichen Leben in ein privates, gestaltendes: otium als besonnenes Leben: Forschen, Erinnern, Schreiben (Sachtexte, Dichtung, Korrespondenz).

In dieser Tradition sehe ich mich auch sehr stark beheimatet. - Meine Frage an dich, werter Kenner östlicher Lebens-téchne (vor und nach dem chinesischen Freiheits- und Sündenfall):
Ist das, was Foucault hier eine ausgesprochen westliche Kultur nennt, so ganz anders im Osten? Wo sind die Unterschiede?
Wenn ich Ciceros Briefe oder des jüngeren Plinius Briefwechsel mit Kaiser Trajan lese (sehen wir hier einmal davon ab, dass sie ‚reale Kunstbriefe’ sind), so bietet sich ein Bild hochentwickelter Aufgeklärtheit und Mündigkeit - wenigstens in gebildeten und unabhängigen Schichten. 11.8.2019

-

Hinweis: Du kannst diesen Text leider nicht kommentieren, da der Verfasser keine Kommentare von nicht angemeldeten Nutzern erlaubt.

Zur Zeit online:
keinVerlag.de auf Facebook keinVerlag.de auf Twitter keinVerlag.de auf Instagram