KLICKS UND CLIQUEN

Synthesen + Analysen in der Matrix


Eine Kolumne von  Bergmann

Samstag, 16. August 2014, 20:16
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Wir suchen Figuren

418. Kolumne


Gibt es da überragende? Sehen wir jetzt auch mal in Dramen nach. Ich schlage Dürrenmatts „Besuch der alten Dame“ vor: Claire Zachanassian. Oder Möbius in „Die Physiker“. Die Stücke müssen aus der Zeit nach 1945 sein. (Bei Dürrenmatt funktioniert’s noch gut, er schließt ja direkt an Wedekind an; aber die neueren Dramatiker haben kein Urgestein mehr erzeugt, das liegt im Wesen der neueren dramatischen Literatur. Alle Figuren sind mehrfach gebrochen, da ragt eben keine mehr heraus. Es ist eine unsinnige Demokratisierung (Vulgarisierung) im Gange. Da wird alles eingewulfft. Handkes Kaspar ist – wie Grass’ Oskar Matzerath eine Kunstfigur, ein Katalysator, eine Gedankenspielfigur. Wenn es hier und da – nach 1945 – noch Charakterklötze gibt, dann sind entweder die Autoren noch sehr konventionell (Zuckmayer, Martin Walser) oder aber sie sind deutlich blasser als vor 1945 (1933) oder gar 1918 (1914). Wir haben es immer mehr mit einer Deheroisierung und Enttragikisierung (Komikaze) zu tun. Die geistige Nivellierung und Einebnung ist Mode und Zeitgeist. Warum? Weil wir nichts mehr glauben können, weder an einen sich aufbäumenden Helden des 19. Jahrhunderts noch an einen Woyzeck oder Peeperkorn. Auch nicht an die kommunistische Utopie. Schon gar nicht an den Kapitalismus. Eher schon an das Dschungelcamp. – Gegen diese Entwicklung kommen auch die Formbewahrer nicht an.

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Kommentare zu diesem Kolumnenbeitrag


 EkkehartMittelberg (15.08.14)
Die Deheroisierung ist mir angesichts unserer Geschichte schon recht. Bedauerlich freilich, dass damit auch Verlust an Tragik einhergeht. Man kann eben nicht alles haben.
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