Film & Fußball
Eine cineastische Mannschafts-Kolumne
Die Kolumne des Teams " Film & Fußball"
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Einer muss immer der Chef sein
von Dieter_Rotmund
Über Shaun the sheep movie, deutscher Verleihtitel Shaun das Schaf, Großbritannien/Frankreich 2015
Wer heutzutage in das Programm der deutschen Multiplexkinos sieht, muss erkennen, dass zeitweise mehr als die Hälfte der angebotenen Streifen Kinderfilme sind – zurzeit etwa Gespensterjäger (mit Anke Engelke) oder Cinderella (die neuste Adaption), und demnächst werden fluffige Jungmädchenträume in Ostwind 2 wahr. Der überwiegende Teil dieser Kinderfilme sind jedoch per Computer hergestellte Animationen, für die Herstellung dieser Filme musste niemand vor die Tür gehen.
Man könnte hier aus dem momentanen Programm Big Hero 6 und Home nennen – die beiden sind aber nur zwei aus einer schier endlosen Reihe von belanglosen US-amerikanischen Animations-Kinderfilmen, die das Brot-und-Butter-Geschäft der Multiplexkinos darstellen. Die Kinderfilme kommen im Multiplexkino übrigens auch nach 20 Uhr – hier manifestiert sich offenbar die Sehnsucht des (erwachsenen) Kinogängers nach cineastischer Kost, die ihn keinesfalls zu überfordern droht.
Warum hier über Shaun the sheep movie, deutscher Verleihtitel Shaun das Schaf sprechen? Der Film ist einer der wenigen, die noch echte Handarbeit sind: Stop-Motion-Technik, bei der jede Bewegung in 25 Einzelschritten zerlegt und einzeln aufgenommen wird. Laut imdb.com arbeiteten 20 animators an dem Film, bei dem sie am Tag nur 40 Sekunden Film schafften. Das heißt, das Set ist ein tatsächlich real vorhandene bunte Puppenstube und steht in der Tradition der TV- Serie Wallace and Gromit's World of Invention und mehrerer Kurz- und Kinofilme mit den Charakteren Wallace, einem exentrischen Erfinder und seinem Hund Gromit. Deren Schöpfer Nick Park war bei Shaun the sheep movie immerhin noch Produzent. Man könnte Shaun the sheep movie auch in der Tradition der sog. Brick films sehen, bei denen Material der dänischen Firma Lego verwendet wird. Deren Kinofilm The Lego Movie aus dem letzten Jahr pervertierte den Stop-Motion-Charme, in dem er nur augenscheinlich in dieser Technik herstellt war, sondern zu 100% aus dem Computer kam.
Zurück zu Shaun the sheep movie: Es ist, wie so oft in den vorangegangen, für das Kinderfernsehen produzierten 130 Siebenminüter: Shaun, das Schaf, versucht das Leben für sich und die kleine Schafherde etwas angenehmer zu machen. Das Resultat ist Chaos, das nur mit den vereinten Kräften (fast) aller Bauernhof-Bewohner wieder in den Griff zu bekommen ist. Für den deutschen Markt hat man sogar eine Version geschaffen, bei dem alle zu sehenden Aufschriften deutsch geschrieben sind. Das ist nicht nur überflüssig, es zerstört auch den ganzen britischen, hemdsärmelig-liebenswerten Charme, die die Serie hatte. Übrig bleibt ein ordentlicher Film, der immerhin ohne Dialoge auskommt, was in der heutigen, völlig verplapperten Zeit sehr angenehm ist. Die Botschaft des Films lautet übrigens: Einer ist der Chef. Der übernimmt dann aber auch mal Verantwortung, wenn es sein muss. Das heißt: Ohne Chef geht’s nicht.