Film & Fußball

Eine cineastische Mannschafts-Kolumne


Die Kolumne des Teams " Film & Fußball"

Donnerstag, 15. März 2018, 09:20
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Gosford Park

von  Dieter_Rotmund


Constance: Tell me, how much longer are you going to go on making films?
Ivor Novello: I suppose that rather depends on how much longer the public want to see me in them.
Constance: It must be hard to know when it's time to throw in the towel... What a pity about that last one of yours... what was it called? "The Dodger"?
Ivor Novello: The Lodger.
Constance : The Lodger. It must be so disappointing when something just *flops* like that.[/b]

(dodger = Schwindler, lodger = Mieter)

Herrlich! Nur Engländer können so bitterböse Sachen sagen und es dabei so höflich und distinguiert klingen lassen.
Dies ist ein Hommage an Gosford Park (USA/GB/Italien 2001) und das Zitat ist aus diesem Film, es spricht die ältliche Gräfin Constance Trentham (Maggie Smith) zum jungen Hollywood-Schauspieler Ivor Novello (Jeremy Northam). Allein der Cast des Films ist eine reine Freude; würde ich hier weitere Größen aufzählen, käme ich ins Schwärmen und dieser Text würde nie zuende gehen. 2002 sah ich ihn im Kino, kürzlich wieder auf DVD. Damals bin ich mit einigen Vorbehalten ins Kino gegangen, hatte ich doch des Regisseurs Prêt-à-Porter (1994) schlecht in Erinnerung behalten: Ein äußerst hektisches, übles Durcheinander ohne Sinn und Tiefe. Welch eine schöne Überraschung war dann Gosford Park! Ein wunderbar choreographierter und äußerst unterhaltsamer Reigen der verschiedensten Figuren. Eine Zweiklassengesellschaft wird ausgebreitet: "below stairs" (Dienstboten und Hausangestellte) und die "upstairs guests". Man feiert die Unterschiede, die sorgsam durchritualisiert sind, aber beide Gruppen können nicht ohne die andere. Mögen Briten beurteilen, ob es diese Teilung heute noch gibt, ich fürchte: Ja, nur die Kennzeichen sind andere.
Eine Figur in Gosford Park "wechselt die Fronten", könnte man sagen und wird dafür von der eine gehasst und von der anderen verhöhnt: "You can't be on both teams at once, sir." sagt eine Dienstbotin dann zum Frontenwechsler. Der Film hat eine latente klaustrophobische Note, weil er zu 95 Prozent in einem dunklen Landhaus, eben Gosford Park spielt, überwiegend in Braun- und dunklen Rottönen gehalten. Die wenigen Außenszenen sind noch weniger von einladender Gemütlichkeit, es schüttet wie aus Eimern oder es werden im kollektiven Dauerfeuer Vögel erschossen (die sog. Jagd, der Grund des Treffens, der aber völlig unwichtig wird).
Beim zweiten Sehen ist mir noch etwas aufgefallen: Der Film beschreibt ein Großbritannien im Übergang, er spielt 1932. Es gibt Repräsentanten der Moderne (US-Amerikaner aus Hollywood) und Anhänger des alten, englischen Empire und ihren steifen Umgangsformen, sowie zarte Anflüge von gesellschaftlichen Grenzüberschreitungen (die jedoch sofort abgestraft werden, wenn auch so diskret wie möglich und unter Deckmänteln).
Keine Überraschung ist, dass Gosford Park die zentrale Inspirationsquelle für die erfolgreiche TV-Serie Downton Abbey (6 Staffeln, 2011 bis 2016) ist. Sie zelebriert ebenso gekonnt eine auf Gedeih und Verderb aufeinander angewiesenen Zweiklassengesellschaft.
Sowohl Gosford Park als auch Downton Abbey-Folgen sind Filme zum Zuhören und Staunen, es werden scharfzüngige Dialog-Feuerwerke abgebrannt und der Zuschauer ist aufgefordert, zarte Unterschiede zu erkennen. Wer schnöde Action blasser Hauptfiguren sehen will, ist dort schlecht bedient. Neben Gosford Park und Downton Abbey fallen mir leider kaum weitere Vetreter dieser erfolgreich umgesetzten "Milieustudie" (welch abschreckenden Bezeichnung!) ein: Vielleicht die ein oder andere Verfilmung eines Jane Austen-Werks oder The Remains of the Day (USA/GB 1993) oder das exquisite Picnic at Hanging Rock (Australien 1975).

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