Film & Fußball

Eine cineastische Mannschafts-Kolumne


Die Kolumne des Teams " Film & Fußball"

Dienstag, 15. Februar 2022, 09:35
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Schattenstunde beim Moonfall auf dem Mulholland Drive

von  Dieter_Rotmund


"Dieser (der Katastrophenfilm als Genre, Anm. des Kolumnisten) hat in den letzten Jahrzehnten seine Formelhaftigkeit und Wiederholbarkeit noch weiter perfektioniert", schrieb Tobias Sedlmaier am 4. Februar 2022 in der NZZ über Roland Emmerichs Moonfall (China/GB/USA 2022). Mit anderen Worten: Haste einen gesehen, haste alle gesehen. Der Film ist eigentlich keine Besprechung wert. Wer diesen Werk dennoch eine abringt, ist ein guter Rezensent, aber den Film macht es vermutlich um keinen Deut besser. Basta.

Ein ganz anderes Werk ist Schattenstunde (D 2021), der sich inhaltlich irgendwo zwischen Michael Hanekes großartigen Der siebente Kontinent und Terence Mallicks Ein ungelebtes Leben befindet. Hölzern wirken die in Schattenstunde formulierte Monologe über Gott, die direkten Ansprachen an Jesus sind geradezu rührig. Das ist Absicht: Zur eigentlichen Schatten- bzw. Sterbe-Stunde ist Gott dann abwesend, denn es geht in diesem Film darum, ein selbstbestimmtes Leben zu führen. Mit letzter Konsequenz, das heißt: Ich bestimme auch, wann und wie ich sterbe, kein übernatürliches mythisches Wesen (und schon gar nicht die Nazis!), bittschön! Deus absconditus scheint da zuerst der passende Fachbegriff zu sein, aber es ist eher so, dass Gott nicht (mehr) existiert. Das führt die Figuren zu dem, was sie als Menschen ausmacht: Zu ihren Erinnerungen, die sie bis zum letzten Atemzug austauschen. Der Film arbeitet auch mit dem Bild-Format (Seitenverhältnis von Höhe und Breite), da hätte man aber mehr mit machen können. Nun, ja. Die Zweifel der Hauptfigur Jochen Klepper werden ausführlich dargestellt, die der Ehefrau und die der Tochter nicht - ein Defizit. Dennoch: Ein durchaus gelungenes, kurzweiliges Werk, dass unsere eigene Sorgen klein erscheinen lässt - wie schön.
Meinem Nachbar im Kino während Mulholland Drive (USA/F 2001) war so langweilig, das er während des Films anfing, auf seinem Handy rumzutippen. Das war nicht weiter schlimm, so lange es zwischen den Knien hielt. Aber irgendwann hielt er es auf Augenhöhe. Das fand ich dann doch sehr kurios, die hinter ihm sitzenden Zuschauer müssen sich ja arg gestört gefühlt haben, dachte ich. Aber kaum gedacht. schlängelte sich eine Hand von hinten an mir und dem Handytipper vorbei und klopfte ihm sanft auf die Schulter. Das Handy verschwand dann während des Rests des Films.
Ich gebe zu, Mulholland Drive ist ein reichlich kryptischer Film, dessen Erzählweise losgelöst von den üblichen Konventionen ist. Zur Neuerscheinung vor rund 20 Jahren hatte ich ihn zwei Mal gesehen (ein Mal deutsche Synchro, ein Mal OmU) und war begeistert. Toll, dass viele Kinos ihn nun als Wiederaufführung zeigen. Ob nun "4k-restauriert", oder nicht, das ist mir eher egal. Der Saal war ziemlich voll, wie ungewohnt! Schön, dass viele junge Menschen da waren - wobei ich über deren Motive nur rätseln kann. Vielleicht weil bisher kaum was noch um 21:15 Uhr gezeigt wurde? Ansonsten sind außer mir oft nur noch weitere alte  Knattersäcke im Kinosaal. Nicht so dieses Mal. Erklären kann man Mulholland Drive nicht, aber sich mit Vergnügen jedes Mal einen anderen Reim auf den Inhalt machen. 

 Cowboy: Well, just stop for a little second and think about it. Will ya do that for me?

 Adam Kesher: [sarcastic tone] Okay, I'm thinking.
 Cowboy: No, you're not thinkin'. You're too busy being a smart aleck to be thinkin'. Now I want ya to "think" and stop bein' a smart aleck. Can ya try that for me?

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