-kaputt-

Gleichnis zum Thema Behinderung

von  Anifarap

Die Hände sind ungeschickt. Zwar liegt in ihnen ein Stift oder Pinsel, als wäre es ein zusätzlicher Finger, aber wenn es um das Nähen eines Knopfes oder um das Ausschneiden eines Musters geht, da versagt die Motorik.
Durch das Fenster scheint die Sonne auf die staubige, geblümte Tischdecke, die unter dem Funkeln der polierten Scherben noch ein wenig mehr verblasst.
Verblassen. Die Gegenwart verblasst, wie die Tischdecke. Hervorstechen, gleißen im Licht, die Scherben. Vergangenheit.
Zwischen dem Gleißen, das in den Augen brennt, sie derart blendet, dass es dunkel wird, blitzt die Zukunft in roten Kreisen auf, wie eine Warnung, wie etwas Bedrohliches. Und der Staub, die Tischdecke, die Gegenwart verschwinden ganz.

Die Ränder der Scherben wurden gereinigt, von abertausenden Schichten Kleber befreit, doch noch immer hängen Reste hier und da an Rändern. Wie oft diese Vase schon zerbrochen ist, ist eine Frage der Ahnungsfähigkeit oder eines erfahrenen, geschulten Auges.
Doch den Händen ist solches gleichgültig. Sie wandern unruhig drüber hinweg, die Fingerkuppen streichen über das Glatte. Verlieren sich in ungesehenen Bildern, versuchen Scherben zu sortieren, vorzubereiten zum 'Kitten'.

Der Kleber hat sich mit den Jahren entwickelt. Heute ist man in der Lage mit ihm Wunden zu schließen, also müsste es doch mit in der Sonne gleißenden Vasenscherben auch funktionieren.
Die letzten Male hat es auch funktioniert. Doch ein Glück können Hände nicht denken, noch reden. Es herrschen Vergangenheit und Zukunft über die staubige Gegenwart und irgendwo, irgendwo schlägt das Huf eines Pferdes zig Mal auf, kommt nicht zur Ruhe.
Die Scherben werden Rand für Rand mit Kleber benetzt und Stück für Stück mit zittriger Hand einandergefügt.
Es dauert lang, denn Altes und Unbekanntes, stören immer wieder Struktur und Konzentration. Doch mit einem Mal verschwindet das Gleißen. Die Sonne ist gewandert. Das Tischtuch wird wieder voller an Farbe und das Ticken einer Standuhr gewinnt an Boden.

Die Vase wackelt etwas, wird eine Stütze brauchen, wenn sie wieder eine Weile halten soll. Bis das Auge sich ihrer erinnert,  die Hand sie berührt, zerbricht.

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