Liebesbrief V

Text zum Thema Enttäuschung

von  Feuervogel

Mein lieber Freund,

ich warte stündlich auf dein Erscheinen. Ich träume mich noch um meinen Verstand. Wer in mein Innerstes blicken könnte, würde kopfschüttelnd bestätigen, die ist hoffnungslos verloren.
Ich schlafe nach wie vor schlecht. So nehme ich dich immer mit in mein Bett. Dabei weiß ich überhaupt nicht, ob dir das denn auch gefällt. Du liegst da einfach ungefragt und ich genieße meine Hoffnungslosigkeit.
Ich erwarte dich nächsten Freitag. Glaube mir, es wird das Beste sein, wenn du jetzt endlich deinen Koffer packst. Hier brauchst du nicht viel. Bei mir bekommst du Alles.
Aber genau dieses Alles ist womöglich doch zu viel. Wir sind im Ungleichgewicht. Ich gebe und du nimmst. Das ist nicht gut. Eigentlich kannst du ja gut mit Worten. Du drückst dich aus, aber für mich verdrückst du dich. Vielleicht waren ja die Frauen deines Lebens wie Mütter zu dir, du hast genommen und sie haben sich aufopferungsvoll für dich gegeben. Wo sind deine Streicheleinheiten? Wo sind die Worte, die jede Frau so gerne hört? Wo ist das ganz besondere? Es kommt nicht. Du lässt dich nicht ein. Das verflixte daran ist, dass du weder "nein" noch "ja" sagen kannst. Du eierst herum. Bist lieb und nett, während ich am Hungertuch nage. Wenn ich dir zu viel bin, warum sagst du es nicht? Ich könnte mich würdevoll verabschieden. Wenn du mich doch irgendwie willst, warum bringst du das nicht zur Sprache? Es kommt immer das, was ich schon kenne. Aus allen Poren quillt die Furcht. Ich gestehe es dir, manchmal macht mich das wütend. Ja, natürlich verstehe ich dich. Verstehst du mich denn auch?
Ich würde mich selber gerne mundtod machen, einfach schweigen. Wie wäre es, ich mache mich unerreichbar. Würde dir denn etwas fehlen, wenn ich plötzlich weg wäre?
Andrerseits könnte ich mich mit André oder Joe treffen. Da muss ich nur einmal spielerisch grinsen und dann liegen sie flach. Wenn ich richtig wütend bin, dann mach ich sowas. Lauf los, und hau drauf.
Ob das dann gut war oder ist, dass steht auf einem anderen Blatt Papier.Dann geht eben mein Temperament mit mir durch. So bin ich. Leidenschaftlich. Unberechenbar.
Ich schrieb es dir schon, ich könnte dich schütteln und an die Wand knallen,denn dein dich selbst bedauern geht mir heftig auf die Nerven.
Toller Liebesbrief, ich weiß. Aber Liebe ist auf jeden Fall mit Wahrheit gekoppelt. Dort wo die Wahrheit ausgegrenzt wird, findet sich oft keine Liebe mehr. Das weißt du ja am Besten!
Eigentlich bin ich traurig. Wünschte ich doch, du würdest wenigstens ein Fenster öffnen, wenn die Tür noch nicht geht. Du brauchst frische Luft.
Du hast mich gesehen und findest mich süß. Das ist schön. Doch ist das alles. Ich schau dich immer wieder an. Ich suche in deinem Gesicht nach Antworten. Ich suche dich.
Heute fand ich etwas. Nicht in deinem Gesicht, in deinen Worten. Ich fand mich, als es mich noch gar nicht gab. Das war ein Erkennen, dass mich schaudern ließ. Du hast dir dein eigenes Schicksal geschrieben. So ist es, manches was wir so einfach äußern, bestimmte Gedanken, werden plötzlich wahr. Sie kehren zu uns zurück und erwachen zum Leben.
Weihnachten möchte ich mit dir feiern, dass habe ich beschlossen. Nicht hier, sondern dort wo ich herkomme. An der See!
Das zumindest sehe ich heute mit geschlossenen Augen. Ich muss so weit voraus planen, denn so wie ich das sehe, wirst du nächsten Freitag doch nicht erscheinen. Vielleicht hilft es dir ja, wenn ich uns dann auf Weihnachten festlege.


Dein Versprechen




Ela

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