Komödie und Tragödie

Erörterung zum Thema Literatur

von  Graeculus

Eine Tragödie kann tatsächliche Ereignisse (etwa historische) darstellen: Aischylos, Shakespeare, Schiller usw.

Eine Komödie hingegen muß anscheinend fiktive Stoffe verwenden. Oft benötigt sie sogar Wunder (den deus ex machina) oder das rechtzeitige Abblenden (vor dem Beginn des Alltags in einer Liebesbeziehung).

Das Gesetz der Realität, welches es der Komödie so schwer macht, realistisch zu sein, könnte lauten: Man muß jedes Glück bezahlen – mit Verlust anderer Möglichkeiten, mit Illusionen (Ausblenden unangenehmer Wirklichkeiten) etc.

Aber warum bietet der Humor im Angesicht der traurigen Realität der Komödie keinen Stoff? Vielleicht gelingt das manchmal. Gibt es Galgenhumorkomödien auf der Basis von Realität?


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Kommentare zu diesem Text


 EkkehartMittelberg (20.09.24, 20:14)
Ich gestehe, dass ich mich mit dem Begriff "Galgenhumorkomödie" schwer tue. Es fällt mir leichter, über Tragikomödien zu reden. Dürrenmatt ist sogar der Ansicht, dass es gar keine echten Tragödien mehr gebe, sondern nur noch Tragikomödien:
"000);">Tragikomödien im neueren deutschen Theater
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Nach 1945 nahm die Zahl der tragikomischen Dramen stark zu.  Friedrich Dürrenmatt schrieb über die Gattung, sie „sei die einzig mögliche dramatische Form, heute das Tragische auszusagen“. Denn die Tragödie setze, wie Dürrenmatt in seinem Text Theaterprobleme von  1955 sagt, „Schuld, Not, Maß, Übersicht, Verantwortung“ voraus, um ihr Ziel, die  Läuterung des Einzelnen, zu erreichen. In der Unübersichtlichkeit der modernen Welt, so Dürrenmatt, werde Schuld verwischt und abgeschoben, der Moderne komme nur die  Groteske bei. [1]
Bekannte Beispiele sind:


Kommentar geändert am 20.09.2024 um 20:16 Uhr

 Graeculus meinte dazu am 20.09.24 um 23:08:
Puh. Du verschiebst mein Thema etwas.
Daß Dürrenmatt mit seiner These, es gebe (nach 1945 meint er wohl) keine Tragödien mehr, sondern nur noch Tragikomödien, recht hat, sehe ich nicht so.
So ist z.B. Carl Zuckmayers "Des Teufels General" tragisch, aber nicht komisch. Und dieses Beispiel paßt auch zu meiner eigentlichen These: Die Realität, die historische etwa, gibt das her. Sein Harras ist der historische Fliegegeneral Udet; und auch sein Suizid ist historisch.

Des Österreichers Werner Schwab Dramen sind entsetzlich und überhaupt nicht komisch. Da sie autobiographisch sind (exzessives Trinken), kann man sogar sagen, sie basierten auf Realität.

Jetzt aber zu der Frage, ob auch Komödien von dieser Art (also auf realer Grundlage, evtl. historisch sein können).
Das klassische Beispiel ist ohne Zweifel Shakespeare: Jede Menge historischer Tragödien hat er geschrieben, doch wenn er komisch wird, wechselt er in die Fiktion.

Ich bin mir bewußt, daß Aristophanes eine Ausnahme zu meiner These darstellt, denn viele, fast alle seiner Komödien beziehen sich auf die politische und geistige Realität seiner Zeit. Sogar Sokrates kommt vor ... und ist komisch. Er bildet freilich die einzige mir bekannte Ausnahme für Komödien, die auf Fakten beruhen.

Der italienische Film "Das Leben ist schön" ist eine Komödie, die in einem Konzentrationslager spielt. Allerdings nicht in einem wirklichen Konzentrationslager, und eine solche Szenerie hat es dort auch nie gegeben.

Ich bin mit insgesamt nicht sicher - wer kennt schon alle in Betracht kommenden Beispiele? -, aber vorläufig möchte ich bei meiner These bleiben. Die Realität gibt wenig Stoff zu Komödien her, wohl aber zu Tragödien.

 Graeculus antwortete darauf am 20.09.24 um 23:28:
Mir fällt noch ein, daß es zur Zeit des Aristophanes, also der sog. Alten Attischen Komödie, noch weitere Beispiele gegeben hat: politisch, aktuell und komisch. Die Werke dieser Autoren sind allerdings weitestgehend verloren.
Anscheinend ist damit ein ganzes Genre untergegangen.

 EkkehartMittelberg schrieb daraufhin am 21.09.24 um 13:02:
Es ist auf jeden Fall schwierig, Komödien zu finden, die auf Historie beruhen. Wenn deine Hypothese zutrifft (viel spricht dafür), stellt sich die Frage, was daraus folgt. Ich meine: Das Leben bietet wenige Anlässe zum Lachen: Man muss sie fiktiv konstruieren.

 Graeculus äußerte darauf am 21.09.24 um 17:17:
Das Leben bietet wenige Anlässe zum Lachen: Man muss sie fiktiv konstruieren.

Das ist die etwas pessimistische Schlußfolgerung. Da ich nur einen geringen Teil der Weltliteratur überblicke, lasse ich mich allerdings auch gerne belehren.

Vielleicht kann ich hier noch eine zweite literarische Beobachtung hinzugesellen: Ich habe den Eindruck, daß eine glückliche Ehe in der abendländischen Literatur kaum vorkommt. Außer der "Odyssee" (die immerhin zeigt, daß man daraus sehr wohl ein dramatisches, spannendes Geschehen ableiten und beschreiben kann), fällt mir dazu nicht viel ein ... gerade mal ein paar Liebeslieder/-gedichte zugunsten der eigenen Ehefrau.

 S4SCH4 (20.09.24, 20:31)
Es ist schwer die Komik rüberzubringen, da man sie im realen Leben ja (bei sich) zu meiden versucht, als ein ernster und "aufrichtiger" Teil der Gesellschaft. Auch will in einem Werk wohl eher der große Lacher gelingen, die vielen kleinen subtilen Dinge des Alltags sind wohl unbefriedigend dafür und zehren an der Aufmerksamkeit. Man möchte eben "herzhaft" lachen.

P.S. Ich schrieb ein Buch, in dem ich versuchte die "reale" Komik darüber laufen zu lassen, das die Betrachtung ganz normaler Dinge von jemanden erfolgte, der es wiederum jemanden erzählte, der es vollkommen falsch interpretierte und sich echauffierte. Diese irgendwie verschiedenen und doch gleichen Vorfälle sind beide real und im Widerspruch und der Deutung lustig, so empfand ich es jedenfalls.

 Graeculus ergänzte dazu am 20.09.24 um 23:13:
Das klingt nach einer Groteske. Das müßte eigentlich funktionieren, auch wenn Grotesken gerne übertreiben. Aber sie können sich auf etwas Reales beziehen.

Fällt Dir ein Stück dazu ein?
Wie steht es mit Charlie Chaplins "Der große Diktator"? Vielleicht ist das eher, in Ekkeharts Sinn, eine Tragikomödie.
Eigentlich meine ich: so richtig lustig, meinetwegen auch mit Happyend, aber real, aus dem tatsächlichen Leben gegriffen.

 S4SCH4 meinte dazu am 21.09.24 um 11:44:
Mir fiel spontan "Der eingebildete Kranke" ein, aber das Werk ist auch schon asbachuralt; auch erinnere ich mich nicht mehr genau an den Inhalt. 

In der moderneren Literatur finden sich zu Hauf witzige Dinge, die über einen längeren Zeitraum zum Schmunzeln anregen und wirklich Humor haben. Es sind triviale Geschichten (ich muss die mir sich aufdrängende Schublade namens Trivialliteratur verarbeiten), die schön erzählt sind. 

Die Luft wird enger je "geistreicher" der Anspruch wird, da will man in der Regel auch nicht nur geradlinig komisch sein. Mir scheint es ein wenig so, als suchten wir eine eierlegende Wollmilchsau.

 Graeculus meinte dazu am 21.09.24 um 17:18:
Die Luft wird vor allem dann dünner, wenn man die Bedingung einführt, es solle sich um die Verarbeitung eines tatsächlichen Geschehens handeln.
Unsere heutige Version davon ist die Satire; aber bei der handelt es sich ja nicht um Dramen/Komödien/Theater.

 Graeculus meinte dazu am 21.09.24 um 17:19:
"Der eingebildete Kranke" ist ein fiktiver Stoff.

 S4SCH4 meinte dazu am 21.09.24 um 17:36:
Sicherlich wird in vielen Werken ausgeschmückt, aber sofern der Kern des Werkes ehrlich komödiantisch und ist (wie im Beispiel, jemand glaubt an die immer wiederkommenden Heilsversprechungen der Ärzte und sieht überall Gefahren) ist doch schon viel gewonnen, es ist sehr real "verarbeitet". Oder suchst du eher (auto)biografisches Material? 

P.S. Die Einteilungen Satire / Groteske usw. würde ich vielleicht auch sekundär vornehmen. Sicherlich muss man nicht die Nadel im Heuhaufen suchen, also den komödiantischen Kern, aber ebensowenig muss man es sich nach allen Regeln der Kunst erschweren indem man es verstellt. Grauzonen, Graeculus. :)

 Graeculus meinte dazu am 21.09.24 um 23:43:
Es versteht sich, daß auch die Komödie an irgendwie reale Verhältnisse anknüpfen muß; das bedeutet allerdings nicht, daß sie historische Stoffe bearbeitet.
Wäre Schillers "Wallenstein", Puschkins "Boris Godunow" als Komödie denkbar? Ich glaube nicht, denn diese Personen sind gescheitert.
Aber Trump müßte als Komödie möglich sein, und immerhin hat Chaplin Komisches an Hitler dargestellt ... obgleich sein Film "Der große Diktator" letztlich keine Komödie ist.

Eine dieser Grauzonen hat Ekkehart schon erwähnt: die Tragikomödie.

 Mondscheinsonate (20.09.24, 21:12)
Ich bin Wienerin. "Is eh schon wurscht", Galgenhumorkomödien liegen WienerInnen im Blut.

 Graeculus meinte dazu am 20.09.24 um 23:19:
Ja, das liegt den Wienern. Aber gibt es dazu eine Komödie mit Realitäts- oder historischem Bezug?
Ich kenne nur: entweder ist es historisch, dann ist es tragisch, oder es ist komisch, dann ist es fiktiv.
Grillparzer ("Ein Bruderzwist im Hause Habsburg") und Nestroy sind die Beispiele, die mir spontan einfallen.

Werner Schwabs Dramen, die ich oben erwähnte, kann man als realitätsbezogen, weil autobiographisch, ansehen; aber komisch sind sie ja nun ganz und gar nicht. (Abgesehen davon, daß Schwab kein Wiener, sondern ein Grazer war.)

 Mondscheinsonate meinte dazu am 20.09.24 um 23:27:
Bravo, genau an die beiden dachte ich auch, suchte den Link, dann las ich deinen Kommentar...
https://www.projekt-gutenberg.org/auernhei/grillpar/chap014.html

 Graeculus meinte dazu am 20.09.24 um 23:41:
Das erwähnte Lustspiel basiert auf einer Legende.

Es stimmt schon, was dort eingangs steht: Drama ist seit der Antike der Oberbegriff, Tragödie und Komödie (nebst dem damals existierenden Satyrspiel) sind die Unterbegriffe.

Wobei ich nach Komödien suche, die sich - nach Aristophanes - auf reale Verhältnisse beziehen. Das gab es einmal, aber gibt es das noch heute? Oder sind Komödien heute stets fiktiv.

Dabei meine ich doch, daß jemand wie Trump durchaus den Stoff für eine Komödie böte.

 Mondscheinsonate meinte dazu am 20.09.24 um 23:50:
Zum Beispiel. Oder die Türkisen, die gegen Diskriminierung aller Geschlechter ein Gesetz beschloss und jetzt meint, das war ein Versehen, sie müssen es ändern. 😂😂😂

 Graeculus meinte dazu am 21.09.24 um 00:05:
Darüber gibt es sicher Satiren; aber das ist ja kein Stück, kein Drama, kein Theater, sondern ein anderes Genre.

Politiker werden an einen Lügendetektor angeschlossen, der bei jeder Lüge sofort piept.
Zuerst der CDU/ÖVP-Mann: "Ich denke, daß wir die effizientere Politik für unser Land machen!" Piep! Piep! Piep!
Dann der SPD/SPÖ-Politiker: "Ich denke, daß wir die gerechtere und sozialere Politik für unser Land machen!" Piep! Piep! Piep!
Schließlich der AfD/FPÖ-Mensch: "Ich denke ..." Piep! Piep! Piep!

Antwort geändert am 21.09.2024 um 00:16 Uhr

 Mondscheinsonate meinte dazu am 21.09.24 um 12:04:
Denk an den "Lieben Augustin", die tragische Figur, besoffen wie Sau, der aus der Pestgrube rauskroch. Angeblich wahr. Es wird auch mit Humor erzählt, obwohl die Zeit nicht lustig war. Oder der Simplicissimus, alles andere als eine lustige Zeit, manchmal lacht man sehr.

 Graeculus meinte dazu am 21.09.24 um 17:21:
Den "Lieben Augustin" und vor allem Grimmelshausens "Simplicissimus" kenne ich nicht als reale Figuren. Überhaupt: den Schelmenroman nicht. Das ist komödiantisch, jedoch fiktiv.
Sollte ich mich beim "Lieben Augustin" irren, dann hätte ich was dazugelernt.

 Mondscheinsonate meinte dazu am 21.09.24 um 17:39:
Den gab es wirklich. :)
https://www.sagen.at/texte/sagen/oesterreich/wien/1_bezirk/derliebeaugustin.html
Ob es sich so zugetragen hat, das ist, da gebe ich Dir Recht, fraglich.

Antwort geändert am 21.09.2024 um 17:40 Uhr

 Graeculus meinte dazu am 21.09.24 um 17:50:
Das klingt schon ziemlich konkret-historisch, zugegeben. Möglicherweise ein origineller Mensch, um den sich Legenden gerankt haben - darin dem Baron von Münchhausen vergleichbar.

Menschen lieben solche Originale; gerade deshalb hat mich mein Eindruck irritiert, daß sie nicht - oder selten - zu Figuren von Komödien werden.

Morgen wird in Österreich gewählt, ja? Danach ist Schluß mit lustig.

P.S.: Mir fällt gerade ein - in Düsseldorf gab es den Schneider Wibbel, auch er wohl eine historische Figur ... und Protagonist einer gleichnamigen Komödie. Die ist in Düsseldorf weltbekannt!
(Daran hätte ich als Düsseldorfer aber denken müssen.)

Antwort geändert am 21.09.2024 um 17:53 Uhr

 Mondscheinsonate meinte dazu am 21.09.24 um 18:03:
Nein, nächsten Sonntag. Dann gibt es wieder Pferde. :D

 Graeculus meinte dazu am 21.09.24 um 23:35:
Oh. "Nächsten Sonntag", das habe auch ich gelesen ... und auf morgen bezogen.

Was ist mit den Pferden gemeint?

 Graeculus meinte dazu am 21.09.24 um 23:54:
Von anderer Seite höre ich, daß Shakespeares "Heinrich IV." mit seiner Falstaff-Figur auf eine historische Person zurückgeht, und das hat ja komische Züge; allerdings kenne ich da Verdis Oper besser.

 Mondscheinsonate meinte dazu am 22.09.24:
Pferde... Kickl als Innenminister kaufte alte Klappergäule, weil er sich einbildete, wir brauchen eine berittene Polizei. Das war eine Gaudi. Ging von hinten bis vorne schief und er war das Gespött des Volkes. So einen wollen's jetzt als Kanzler.

 Graeculus meinte dazu am 22.09.24 um 00:15:
Danke für die Erklärung. Soviel Stoff für eine Komödie! Bei Juvenal heißt es: "Difficile est satiram non scribere - Da ist es schwer, keine Satire zu schreiben."
Wo ist derjenige, der eine Komödie daraus macht? Inzwischen bin ich überzeugt, daß an dieser Stelle heute die Satire einsetzt.
Geist (99)
(21.09.24, 08:20)
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 Graeculus meinte dazu am 21.09.24 um 17:24:
"Realkomödien" ist ein guter Begriff für das, was ich meine.

"Der Hauptmann von Köpenick" ist eine historische Figur. Aber ist das Stück darüber eine Komödie? Ekkehart hat es oben als Tragikomödie eingeordnet. Entscheidend für eine Komödie ist das gute Ende.
Geist (99)
(21.09.24, 08:41)
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Geist (99)
(21.09.24, 09:30)
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 Graeculus meinte dazu am 21.09.24 um 17:26:
Kenne ich beide nicht bzw. nur dem Namen nach. Das ist das Problem mit meiner These: Es gibt soviel, was ich nicht kenne; deshalb möchte ich von einer Hypothese sprechen und ende mit Fragezeichen.
Geist (99)
(21.09.24, 21:22)
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 Graeculus meinte dazu am 21.09.24 um 23:38:
Kenne ich wiederum nicht.
Anscheinend sprechen wir hier auch nicht über Hochliteratur à la Aischylos (Die Perser), Shakespeare (die historischen Dramen), Schiller (Wallenstein, Don Carlos), Puschkin (Boris Godunow), Grillparzer (Ein Bruderzwist im Hause Habsburg) und Zuckmayer (Des Teufels General): alles Tragödien.

Wie gesagt, in der Theorie müßte es auch bei der Komödie möglich sein - und Du nennst Beispiele dafür.
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