Was ich bestimmt nicht sagen muss, denn ich mische mich nicht ein ...
.. und halte dennoch nicht meine Fresse?
Ein Paradoxon. Sicher und so ein Beginn muss auch gleich sehr inkonsequent ja charakterlos wirken:
„Da mische ich mich nicht ein“, „Ja, Bruder, dann mach’s auch nicht.“
An dieser Stelle müsste ich jetzt aufhören zu schreiben, wenn ich denn mich selbst und meine Überschrift ernst nähme. Selbst dann wenn ich begänne zu erläutern, warum ich mich nicht einmische, wäre dies schon Einmischung genug, denn es desavouiert Einmischungen, früherer, gegenwärtiger oder zukünftiger Art. Und als einer jener Meinungstyrannen, die der Herr Generalsekretär der FDP Döring, so schwer erdulden kann, bin auch ich ein Verfechter dafür, dass auch der, der keine Ahnung hat, durchaus seine Meinung haben, mitteilen und mitentscheiden darf.
Die Überschrift, wenn ich so über sie reflektiere, widerspricht also meinen Grundüberzeugungen. Die Überschrift ist wie ein Zwang für mich, sich gegen sie aufzulehnen, sich ihr beständig zu widersetzen. Was natürlich unsinnig ist. Es wäre ein leichtes für mich, sie zu ändern. Ich gab sie mir ja selbst. Es sei denn, es wäre mir unmöglich, die Überschrift zu ändern, es sei denn, die Vorlagen und Papiere, die ich benutze, stünden stets und wie von Zauberhand über diesem vorangestellten Diktat. So als hält es alle meine Gedanken und Ideen wie eine feindliche Besatzungsmacht besetzt und zudem, anders als bei einer realen Besetzung, läge es außerhalb meiner Macht, es zu (ver)ändern. So etwas gibt es nicht? Vielleicht doch.
Nicht so plakativ wie eine Überschrift, aber durchaus und sichtbarer als ein Wasserzeichen im Büttenpapier: Geschichte. Geschichte, oder alles je im Namen oder auf dem Namen dieses Wasserzeichens, Familie, Volks oder Nobelpreisträgers geklecksten, gedachten, verfassten, gesprochenen oder verwirklichten Ideen. Geschichte - auch im Stile eines Avataren - imprägniert alle Vorlagen.
„Da mische ich mich nicht ein.“
„Ja, Bruder, dann mach’s auch nicht.“
Wenn man im libertären englischen Garten, nackt, unbeschnitten und frei in der Sonne liegt und alle Optionen, offen sind oder zu Tage liegen, dann wirkt der Einstieg albern und die Replik nur konsequent, aber wenn dieser Dialog zwischen Zwei an einen Marterpfahl Gefesselten stattfindet, wie im Schuh des Manitu, dann wirkt es auf mich grotesk und die nächste Dialogzeile liegt auf der Hand: „Ja, wie denn?“
„Ja, wie denn?“, das wäre zweifellos die bessere Überschrift gewesen, aber verstanden hätte das keiner und daher musste ich über das traditionelle Büttenpapier kommen und so überrascht wie resigniert: „Ja, wie denn?“ feststellen und aus der Nummer komme ich auch nicht mehr raus. Darin bin ich jetzt gefangen, gefesselt oder wie ein Stein auf Höllenfahrt in den Brunnen der Geschichte gefallen.
Weshalb ich stets skeptisch bin gegenüber einfachen Lösungsvorschlägen a la, dass eine unbehinderte und permanente Kontrolle der oder des Bösen auf allen Seiten, Linderung ver- und Frieden schaffen könne. Ja, schon, aber es erinnert mich an die Idee, dass man einfach nur alle Nichttäter verhaften müsse, um zu wissen, wer die Täter, die Bösen sind. Genau das weiß ich aber nicht.
Keine Ahnung wer der Böse ist, wenn der achtjährige Bruder das Gesicht seines zehnjährigen Bruders durch eine Panzerrakete verbrennen sieht und zeitgleich eine Rakete in die Wohnstube des anderen Achtjährigen einschlägt und dessen Familie aber vor allem überall das unersetzliche Urvertrauen in die Zukunft zerstört.
Soll ich die traumatisierten Achtjährigen zählen? Die Samen die von allen Seiten gestreut werden, um Hass zu säen? Kann ich dann, wenn ich alle Reiskörner auf dem Schachbrett gezählt und geschieden habe, Richter sein? Kann ich dann mein Schweigen womöglich im Stile des Ansinnens der falschen Mutter brechen? Welches Schweigen?
Ja, am Allerliebsten wäre es mir, ich könnte alle Konflikte, alle Geschichten, auch die aus den tiefsten Brunnen, die mit den ältesten Wassern gewaschenen und geschöpften Papiere mit Wasserzeichen, nur mit einem Blecheimer heraufholen und alle Last würde sich in Wohlgefallen auflösen. So schlicht und simpel wie es der Held meiner Kindheit, es Asterix auf Korsika getan hat: Der alte, zum Himmel stinkende korsische Käse, der ein ganzes Schiff explodieren lässt, wird von Asterix mit „Aufhören! Aufhören mit den alten Geschichten!“ zu Wohlgeruch gewandelt.
Leider dreht es sich nicht um Esel, die der eine Urgroßvater dem Anderen nicht bezahlen wollte, leider ganz im Gegenteil und leider gibt es auch keinen gemeinsamen Feind auf dessen Leid man sich ganz im Stile Bismarcks im Hassen einigen könnte.
Mir fällt ums Verrecken keine verschwiemelte, wenn nicht bitter feige Formulierung wie „Nur so ist allen … und auch auch! uns zu helfen“ ein, was mir zu sehr, da bin ich ganz ein Wehner, zu sehr nach wohltemperierter Badetemperatur im Wohlfühlland klingt.
„Nur so ist allen, den Israelis und Palästinensern […] mehr noch, allen Menschen … “ Ja was? Gedient? Also mir nicht. Welche Last lastet denn heute, jetzt und hier ob des Nahostkonfliktes auf mir? Ostern 2012? Also, ich merk‘ nichts. Nichts, welches therapeutisch behandelt werden müsste. Kein bisschen Leidensdruck oder Denkverbot. Keine Todesangst. Keine Existenzangst, keine autoimmun Volksentfremdungsvaskulistes, kein Brennen, kein Durst, kein Verlangen nach einem Brunnen in der Wüste. Nichts.