"Auf der Sonnenseite" - ein lesenswertes Buch von Franz Alt
Rezension zum Thema Weltgeschehen
von Heor
Der grosse Abschied
Buchtipp von Harry Popow
Notruf an alle - das Feuer muß weg!! Das Feuer, das jahrtausendelang die Menschen erwärmt, ihnen Kraft und Energie gespendet hat. Das Feuer, das aus der in der Erde gespeisten Sonnenenergie wie Kohle und Gas herausgepresst, ausgeraubt und aufgebraucht wurde. Zu den fossilen Rohstoffen gesellten sich unglücklicherweise noch die atomaren. Und nun ist die Ozonschicht beschädigt, das Klima steht vor dem Kollaps – hauptsächlich durch Menschenhand verursacht - , die Rohstoffquellen sind am Versiegen. Schätzungen ergaben: Bei gleichbleibendem Verbrauch sind nur noch verfügbar: Uran 30 Jahre, Erdöl 40 Jahre, Erdgas 63 Jahre, Braun- und Steinkohle circa 180 Jahre.
Das Lösungswort heißt Energiewende. Franz Alt hat dazu ein hochinteressantes Buch mit dem Titel „Auf der Sonnenseite. Warum uns die Energiewende zu Gewinnern macht“ geschrieben. Er ist Journalist und langjähriger Berater von Konzernen und Regierungen, studierte Politikwissenschaft, Geschichte, Philosophie und Theologie, promovierte 1967. Von 1968 bis 2003 arbeitete er überwiegend beim Südwestfunk (SWF, heute: SWR), für den er 20 Jahre lang das ARD-Politmagazin Report moderierte.
Optimistisch bemerkt der Autor auf Seite 248: „Wir müssen nicht länger nach Kohle, Gas, Öl und Uran in dunklen Löchern buddeln, wir können endlich das neue, große Lagerfeuer am Himmel anzapfen, nur dort gibt es die ewigen ´Fleischtöpfe´. Die Energieträger des alten Lagerfeuers gehen zur Neige, aber das solare Lagerfeuer – bestehend aus Sonnen-, Wind- und Wasserkraft, aus Bioenergie, Erdwärme und Wellenkraft – steht uns auch in Jahrmillionen noch zur Verfügung.“
Franz Alt bezeichnet die Energiewende als Schlacht um die Sonne, als Kultur- und Zivilisationswende. Sie schickt uns kostenlos Energie – alle dreißig Minuten soviel, wie die Menschheit in einem Jahr konsumiert. „Wenn wir nur 1,15 Prozent der Fläche Deutschlands zur Produktion von Solarstrom nutzen würden, (…) wären alle Elektrizitätsprobleme für immer gelöst“, so der Autor. (S. 32)
Gehen wir also dem Morgenrot entgegen. Nie wieder Ressourcenprobleme? Nie wieder Kälte in den Wohnungen? Nie wieder hohe Stromkosten? Nie wieder Zwistigkeiten zwischen den Völkern? Nie wieder fossile-atomare Brennstoffe? Nie wieder Ängste vor dem Klimawandel? Franz Alt als Kenner der Materie stellt in seiner brisanten Analyse auf 268 Seiten nicht nur die Fakten einer bisherigen Vorreiterrolle Deutschlands vor, sondern entlarvt auch die Bremser, die Lobbysten der Energiepolitik, was, wie es im Klappentext heißt, auf wenig Gefallen stoßen wird.
Über 91 Prozent der Deutschen seien laut Umfragen von der notwendig raschen Umsetzung der Energiewende überzeugt. So sehe man auf Dächern zunehmend Photovoltaik-Anlagen (Solarzellen). Die Zielstellung aus dem Jahre 2000, bis 2012 12 Prozent Ökostrom zu nutzen, sei beispielsweise mit 25 Prozent überschritten worden. Der Autor kommentiert: „Beachtlich ist, dass dieses Etappenziel gegen den politischen, publizistischen und wirtschaftlichen Mainstream erreicht wurde.“ (S. 33)
EU-weit war für das Jahr 2030 71.000 Megawatt Windstrom prognostiziert worden. Tatsächlich wurde dieses Ziel bereits 2009 erreicht, viermal so schnell wie vorausgesagt. Der Unterschätzung der erneuerbaren Energie – in diesem Fall von der Internationalen Energieagentur (IEA) in Paris -, stehe die Überschätzung der Ölpreisentwicklung gegenüber, so Franz Alt. Die gleiche Agentur ging nämlich davon aus, dass das Barrel Öl im Jahr 2030 etwa 30 Dollar kosten würde. Doch bereits 2008 kletterte der Ölpreis auf 147 Dollar, sank 2009 auf 40 Dollar, stieg aber 2012 wieder auf 110 Dollar. Er könne, so die Schätzungen, 2020 bei über 200 Dollar liegen. (S. 35) Fakt ist: Der Ökostrom behält zunehmend die Oberhand. Er ist die Zukunft.
Mit zahlreichen Beispielen belegt Franz Alt, dass mit dem Mix von Solarenergie, Wasserkraft, Windkraft, Chemie, Bioenergie, Geothermie und auch Meereswellen die Zukunft der Menschheit mit einer sauberen und nahezu kostenlosen Energie gesichert wäre. Sein geflügeltes Wort: Die Sonne schickt keine Rechnung.
Er weist auf die Gefahren hin, die bei einer „Immer-Weiter-so-Philosophie“ der Menschheit ins Haus stünden. Nicht nur die von Profitjägern hauptsächlich verursachte Klimakatastrophe, auch die Verknappung der Ressourcen würde zu Kriegen führen. Der Kollaps sei vorprogrammiert. „Jeden Tag rotten wir durch Abholzung, industriebedingte Erosion, Raubbau an Bodenschätzen und Emissionen unwiederbringlich 150 Tier- und Pflanzenarten aus. Die Natur braucht 30.000 Jahre, um eine Spezies zu schaffen. Ohne Tiere und Pflanzen wird es auch keine Menschen geben können.“ (S. 68) Die Geschwindigkeit der ökonomischen und ökologischen Selbstzerstörung sei atemberaubend, schreibt der Autor auf Seite 70. Es sei keine Zeit zu verlieren, die Wende in der Energiepolitik herbeizuführen.
Unbarmherzig nimmt er deshalb auch die Bremser einer Kehrtwende aufs Korn. Er widerlegt die Lüge vom teuren Strom, die Politiker, die die „Energiewende mit freundlicher Unterstützung von E.ON, RWE und Co“ organisieren wollen, was aber scheitern muss. „Den Großkonzernen geht es primär darum, einen Verlust ihrer Marktanteile zu verhindern. Die Energiewende ist für sie allenfalls drittrangig“, meint Franz Alt. (S. 238) Ins Visier nimmt er u.a. das Projekt, riesige Überlandleitungen für den Stromtransport von der Nordsee nach Bayern und Baden-Württemberg verlegen zu wollen. Das sei Ausdruck alten Denkens in zentralisierten Strukturen (S. 48), denn der Süden habe genügend Wind, man müsse die Windräder nur höher bauen, meint Alt an anderer Stelle. Mehrmals gerät besonders der BRD-Wirtschaftsminister Philipp Rösler unter Wortbeschuss, der mit „sogenannten Hermes-Bürgschaften Atomprojekte im Ausland unterstützt (S.65), der im Sinne der Atomlobby gegen die Solar-Einspeisevergütung gewettert hatte (S.106), der zudem den Photovoltaikstrom auszubremsen gewillt ist.(S. 141)
Keiner macht sich da was vor: Vier große Energiekonzerne bestimmen den Strommarkt in Deutschland. Sie rechnen jährlich mit steigenden Milliardengewinnen, denn sie geben die sinkenden Preise am Energiemarkt nicht an ihre Kunden weiter. Nicht zu leugnen ist auch dies: Seit 2007 sind die Verbraucherpreise beim Strom um mehr als ein Viertel, auf heute 26 Cent pro Kilowattstunde im Durchschnitt, gestiegen. Für die Großverbraucher aber sind sie seit dem Jahr 2008 um 22 Prozent gesunken. Gerechtigkeit sieht anders aus.
Einen Spagat vollführt der bekennende Christ und einstige CDU-Mitglied, wenn er an verschiedenen Stellen seines Buches den Raubtierkapitalismus, den neoliberalen Gier-Kaptalismus, das Missmanagement zentraler Ressourcen wie Wasser, Böden, Waldbestände und Fischgründe angreift (u.a. S. 71), gleichzeitig aber an Einsicht und Vernunft appeliert. So schreibt er in Bezug auf die neuen Energieträger von einem neuen Humanismus des 21. Jahrhunderts, von einer dadurch zu erreichenden besseren Welt, vom ewigen Frieden und vom Wohlstand für alle, der allein durch die Energiewende nun möglich werde. An dieser Stelle möchte wohl der Autor nicht so recht glauben, dass den Kapitalmächtigen mit Appellen an die Vernunft nicht beizukommen sei: auch wenn sie auch hierbei Gewinne erzielen – es bleibt beim Klassenkonflikt zwischen Besitzenden und Ausgebeuteten. Einige Seiten weiter allerdings mahnt er, „dass das westliche Modell, das auf ewigen Wachstum und Ausbeutung der Naturressourcen setzt, niemals als weltweites Prinzip funktionieren kann.“ (S. 92)
Während Energieriesen schnelle Fortschritte hin zu erneuerbaren Energien ausbremsen, setzt Franz Alt auf das Volk, auf Genossenschaften, es gäbe „immer mehr kleine Stromer, die eine Energie-Revolution von unten vorantreiben.“ (S. 37) So gab es im Herbst 2012 in Deutschland bereits 138 Regionen, die bis 2020/2030 oder 2050 bei der Stromgewinnung komplett erneuerbar und autonom sein wollen. (S.36/37). Und was soll das kosten? Der Autor meint: Die weltweite Energiewende kostet bis 2030 etwa 100 Billionen Dollar, „ungefähr die Hälfte des Betrags, den wir ohne diese Wende allein für Brenstoffe, Kraftstoffe und Strom weltweit ausgeben müssten“. (S. 39) Er setzt noch einen drauf: Seit 2004 wurde eine Kilowattstunde Solarstrom um 70 Prozent preiswerter, das Erdöl aber um 200 Prozent teurer.
Das Verdienst des Franz Alt: Dies Buch ist gut und spannend zu lesen. Die Diktion ist klar, nicht „hochwissenschaftlich“ verkorkst, sondern auch für Otto Normalverbraucher verkraftbar und lesenswert. Der hohe Anspruch des Autors besteht in seinem moralischen Anliegen, durchsetzt mit knallharten Fakten.
DER GROSSE ABSCHIED von dem alten energiespendenden Feuer und die Besinnung auf erneuerbare Energien – Franz Alt bezeichnet diese Wendezeit als Reformation des 21. Jahrhunderts. Der Abschied von den alten Feuern - er kommt ohne Größe nicht aus. Es braucht eine Zeit, die heute mehr denn je „Riesen an Denkkraft, Leidenschaft und Charakter, an Vielseitigkeit und Gelehrsamkeit“ braucht, wie Friedrich Engels in der Einleitung zur „Dialektik der Natur“ einst die Reformationszeit von 1517 bis 1648 charakterisierte. (Karl Marx/ Friedrich Engels - Werke. (Karl) Dietz Verlag, Berlin. Band 20. Berlin/DDR. 1962. »Dialektik der Natur«, S. 311-327.)
Erstveröffentlichung der Rezension in der Neuen Rheinischen Zeitung
Mehr über den Rezensenten: http://cleo-schreiber.blogspot.com
Buchtipp von Harry Popow
Notruf an alle - das Feuer muß weg!! Das Feuer, das jahrtausendelang die Menschen erwärmt, ihnen Kraft und Energie gespendet hat. Das Feuer, das aus der in der Erde gespeisten Sonnenenergie wie Kohle und Gas herausgepresst, ausgeraubt und aufgebraucht wurde. Zu den fossilen Rohstoffen gesellten sich unglücklicherweise noch die atomaren. Und nun ist die Ozonschicht beschädigt, das Klima steht vor dem Kollaps – hauptsächlich durch Menschenhand verursacht - , die Rohstoffquellen sind am Versiegen. Schätzungen ergaben: Bei gleichbleibendem Verbrauch sind nur noch verfügbar: Uran 30 Jahre, Erdöl 40 Jahre, Erdgas 63 Jahre, Braun- und Steinkohle circa 180 Jahre.
Das Lösungswort heißt Energiewende. Franz Alt hat dazu ein hochinteressantes Buch mit dem Titel „Auf der Sonnenseite. Warum uns die Energiewende zu Gewinnern macht“ geschrieben. Er ist Journalist und langjähriger Berater von Konzernen und Regierungen, studierte Politikwissenschaft, Geschichte, Philosophie und Theologie, promovierte 1967. Von 1968 bis 2003 arbeitete er überwiegend beim Südwestfunk (SWF, heute: SWR), für den er 20 Jahre lang das ARD-Politmagazin Report moderierte.
Optimistisch bemerkt der Autor auf Seite 248: „Wir müssen nicht länger nach Kohle, Gas, Öl und Uran in dunklen Löchern buddeln, wir können endlich das neue, große Lagerfeuer am Himmel anzapfen, nur dort gibt es die ewigen ´Fleischtöpfe´. Die Energieträger des alten Lagerfeuers gehen zur Neige, aber das solare Lagerfeuer – bestehend aus Sonnen-, Wind- und Wasserkraft, aus Bioenergie, Erdwärme und Wellenkraft – steht uns auch in Jahrmillionen noch zur Verfügung.“
Franz Alt bezeichnet die Energiewende als Schlacht um die Sonne, als Kultur- und Zivilisationswende. Sie schickt uns kostenlos Energie – alle dreißig Minuten soviel, wie die Menschheit in einem Jahr konsumiert. „Wenn wir nur 1,15 Prozent der Fläche Deutschlands zur Produktion von Solarstrom nutzen würden, (…) wären alle Elektrizitätsprobleme für immer gelöst“, so der Autor. (S. 32)
Gehen wir also dem Morgenrot entgegen. Nie wieder Ressourcenprobleme? Nie wieder Kälte in den Wohnungen? Nie wieder hohe Stromkosten? Nie wieder Zwistigkeiten zwischen den Völkern? Nie wieder fossile-atomare Brennstoffe? Nie wieder Ängste vor dem Klimawandel? Franz Alt als Kenner der Materie stellt in seiner brisanten Analyse auf 268 Seiten nicht nur die Fakten einer bisherigen Vorreiterrolle Deutschlands vor, sondern entlarvt auch die Bremser, die Lobbysten der Energiepolitik, was, wie es im Klappentext heißt, auf wenig Gefallen stoßen wird.
Über 91 Prozent der Deutschen seien laut Umfragen von der notwendig raschen Umsetzung der Energiewende überzeugt. So sehe man auf Dächern zunehmend Photovoltaik-Anlagen (Solarzellen). Die Zielstellung aus dem Jahre 2000, bis 2012 12 Prozent Ökostrom zu nutzen, sei beispielsweise mit 25 Prozent überschritten worden. Der Autor kommentiert: „Beachtlich ist, dass dieses Etappenziel gegen den politischen, publizistischen und wirtschaftlichen Mainstream erreicht wurde.“ (S. 33)
EU-weit war für das Jahr 2030 71.000 Megawatt Windstrom prognostiziert worden. Tatsächlich wurde dieses Ziel bereits 2009 erreicht, viermal so schnell wie vorausgesagt. Der Unterschätzung der erneuerbaren Energie – in diesem Fall von der Internationalen Energieagentur (IEA) in Paris -, stehe die Überschätzung der Ölpreisentwicklung gegenüber, so Franz Alt. Die gleiche Agentur ging nämlich davon aus, dass das Barrel Öl im Jahr 2030 etwa 30 Dollar kosten würde. Doch bereits 2008 kletterte der Ölpreis auf 147 Dollar, sank 2009 auf 40 Dollar, stieg aber 2012 wieder auf 110 Dollar. Er könne, so die Schätzungen, 2020 bei über 200 Dollar liegen. (S. 35) Fakt ist: Der Ökostrom behält zunehmend die Oberhand. Er ist die Zukunft.
Mit zahlreichen Beispielen belegt Franz Alt, dass mit dem Mix von Solarenergie, Wasserkraft, Windkraft, Chemie, Bioenergie, Geothermie und auch Meereswellen die Zukunft der Menschheit mit einer sauberen und nahezu kostenlosen Energie gesichert wäre. Sein geflügeltes Wort: Die Sonne schickt keine Rechnung.
Er weist auf die Gefahren hin, die bei einer „Immer-Weiter-so-Philosophie“ der Menschheit ins Haus stünden. Nicht nur die von Profitjägern hauptsächlich verursachte Klimakatastrophe, auch die Verknappung der Ressourcen würde zu Kriegen führen. Der Kollaps sei vorprogrammiert. „Jeden Tag rotten wir durch Abholzung, industriebedingte Erosion, Raubbau an Bodenschätzen und Emissionen unwiederbringlich 150 Tier- und Pflanzenarten aus. Die Natur braucht 30.000 Jahre, um eine Spezies zu schaffen. Ohne Tiere und Pflanzen wird es auch keine Menschen geben können.“ (S. 68) Die Geschwindigkeit der ökonomischen und ökologischen Selbstzerstörung sei atemberaubend, schreibt der Autor auf Seite 70. Es sei keine Zeit zu verlieren, die Wende in der Energiepolitik herbeizuführen.
Unbarmherzig nimmt er deshalb auch die Bremser einer Kehrtwende aufs Korn. Er widerlegt die Lüge vom teuren Strom, die Politiker, die die „Energiewende mit freundlicher Unterstützung von E.ON, RWE und Co“ organisieren wollen, was aber scheitern muss. „Den Großkonzernen geht es primär darum, einen Verlust ihrer Marktanteile zu verhindern. Die Energiewende ist für sie allenfalls drittrangig“, meint Franz Alt. (S. 238) Ins Visier nimmt er u.a. das Projekt, riesige Überlandleitungen für den Stromtransport von der Nordsee nach Bayern und Baden-Württemberg verlegen zu wollen. Das sei Ausdruck alten Denkens in zentralisierten Strukturen (S. 48), denn der Süden habe genügend Wind, man müsse die Windräder nur höher bauen, meint Alt an anderer Stelle. Mehrmals gerät besonders der BRD-Wirtschaftsminister Philipp Rösler unter Wortbeschuss, der mit „sogenannten Hermes-Bürgschaften Atomprojekte im Ausland unterstützt (S.65), der im Sinne der Atomlobby gegen die Solar-Einspeisevergütung gewettert hatte (S.106), der zudem den Photovoltaikstrom auszubremsen gewillt ist.(S. 141)
Keiner macht sich da was vor: Vier große Energiekonzerne bestimmen den Strommarkt in Deutschland. Sie rechnen jährlich mit steigenden Milliardengewinnen, denn sie geben die sinkenden Preise am Energiemarkt nicht an ihre Kunden weiter. Nicht zu leugnen ist auch dies: Seit 2007 sind die Verbraucherpreise beim Strom um mehr als ein Viertel, auf heute 26 Cent pro Kilowattstunde im Durchschnitt, gestiegen. Für die Großverbraucher aber sind sie seit dem Jahr 2008 um 22 Prozent gesunken. Gerechtigkeit sieht anders aus.
Einen Spagat vollführt der bekennende Christ und einstige CDU-Mitglied, wenn er an verschiedenen Stellen seines Buches den Raubtierkapitalismus, den neoliberalen Gier-Kaptalismus, das Missmanagement zentraler Ressourcen wie Wasser, Böden, Waldbestände und Fischgründe angreift (u.a. S. 71), gleichzeitig aber an Einsicht und Vernunft appeliert. So schreibt er in Bezug auf die neuen Energieträger von einem neuen Humanismus des 21. Jahrhunderts, von einer dadurch zu erreichenden besseren Welt, vom ewigen Frieden und vom Wohlstand für alle, der allein durch die Energiewende nun möglich werde. An dieser Stelle möchte wohl der Autor nicht so recht glauben, dass den Kapitalmächtigen mit Appellen an die Vernunft nicht beizukommen sei: auch wenn sie auch hierbei Gewinne erzielen – es bleibt beim Klassenkonflikt zwischen Besitzenden und Ausgebeuteten. Einige Seiten weiter allerdings mahnt er, „dass das westliche Modell, das auf ewigen Wachstum und Ausbeutung der Naturressourcen setzt, niemals als weltweites Prinzip funktionieren kann.“ (S. 92)
Während Energieriesen schnelle Fortschritte hin zu erneuerbaren Energien ausbremsen, setzt Franz Alt auf das Volk, auf Genossenschaften, es gäbe „immer mehr kleine Stromer, die eine Energie-Revolution von unten vorantreiben.“ (S. 37) So gab es im Herbst 2012 in Deutschland bereits 138 Regionen, die bis 2020/2030 oder 2050 bei der Stromgewinnung komplett erneuerbar und autonom sein wollen. (S.36/37). Und was soll das kosten? Der Autor meint: Die weltweite Energiewende kostet bis 2030 etwa 100 Billionen Dollar, „ungefähr die Hälfte des Betrags, den wir ohne diese Wende allein für Brenstoffe, Kraftstoffe und Strom weltweit ausgeben müssten“. (S. 39) Er setzt noch einen drauf: Seit 2004 wurde eine Kilowattstunde Solarstrom um 70 Prozent preiswerter, das Erdöl aber um 200 Prozent teurer.
Das Verdienst des Franz Alt: Dies Buch ist gut und spannend zu lesen. Die Diktion ist klar, nicht „hochwissenschaftlich“ verkorkst, sondern auch für Otto Normalverbraucher verkraftbar und lesenswert. Der hohe Anspruch des Autors besteht in seinem moralischen Anliegen, durchsetzt mit knallharten Fakten.
DER GROSSE ABSCHIED von dem alten energiespendenden Feuer und die Besinnung auf erneuerbare Energien – Franz Alt bezeichnet diese Wendezeit als Reformation des 21. Jahrhunderts. Der Abschied von den alten Feuern - er kommt ohne Größe nicht aus. Es braucht eine Zeit, die heute mehr denn je „Riesen an Denkkraft, Leidenschaft und Charakter, an Vielseitigkeit und Gelehrsamkeit“ braucht, wie Friedrich Engels in der Einleitung zur „Dialektik der Natur“ einst die Reformationszeit von 1517 bis 1648 charakterisierte. (Karl Marx/ Friedrich Engels - Werke. (Karl) Dietz Verlag, Berlin. Band 20. Berlin/DDR. 1962. »Dialektik der Natur«, S. 311-327.)
Erstveröffentlichung der Rezension in der Neuen Rheinischen Zeitung
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