Die schmerzhafte Geburt des Punk (Teil 2)
Legs McNeil, brachte 1976 die Underground-Szene-Zeitschrift "Punk" heraus, in dem er all diesen Bands eine Plattform geben wollte. Da Punk natürlich nichts anderes als "Penner" heißt, lehnten viele Künstler diesen Überbegriff ab. Auch weil sie sich nicht mit anderen Bands in einen Topf schmeißen lassen wollten. Doch der Begriff setze sich schließlich durch und es betrat die wohl erste, echte Punkrockband die Bühnen der Clubs: Die Ramones!
Die Ramones waren vier "Brüder", die straighten, schnellen Hardrock spielten. Sie waren so voller Energie, dass die Kids auf ihren Konzerten headbangten, Pogo tanzten, oder sich schlicht in Ekstase rockten! Joey Ramone, eine Lederjacken-Bohnenstange mit Wuschelmähne und Sonnenbrille, schien immer vor lauter Energie fast abzuheben, wenn er sein "Blitzkrieg Bop" von der Bühne schmetterte. Johnny Ramone mit langer Prinz Eisenherz-Frisur und Lederjacke vergewaltigte seine Mosrite Ventures II bei den zackigen und superschnellen Riffs immer, als wolle er die Seiten der Gitarre unbedingt kaputtspielen. "Wir haben angefangen Musik zu machen, weil uns sonst nichts einfiel." Kommentierte es Dee Dee Ramone einmal lakonisch in einer TV-Dokumentation. Die Ramones brachten es auf den Punkt. Sie waren das Lebensgefühl der gelangweilten Jugend. "I just wanna have some kicks. I just wanna get some chicks. Rock, rock, rock, rock, rock 'n' roll High School" Sie waren mega erfolgreich und trugen den Punk nach Großbritannien, wo der Hype noch viel stärker einsetzte, als in den USA. Erst als die amerikanischen Kids außerhalb von New York, sahen, was in London los war, begannen sie sich auch für den Punk aus ihrem eigenen Land zu interessieren und die Sache nahm immer mehr Form an.
Davon profitierte ein Band ganz besonders: Die Sex Pistols! Nach ihrer Gründung 1975, mehreren geplatzten Plattenverträgen und ersten Skandalauftritten, kam 1977 Das erste Album: "Never mind the bullocks - Here' s the Sex Pistols" auf den Markt. Die erste Single: "Anarchy in the UK" verstörte das Establishment zutiefst und lies schon ahnen, dass diese Band nicht gerade gesellschaftsfreundlich war.: ("I' am an antichrist ...") Aber spätestens nach dem zweiten Singlehit: "God save the Queen (and the facist Regime ...)", die pünktlich zum Silbernen Thronjubiläum von Queen Elizabeth II. erscheinen sollte, hatten die englischen Gentlemen aus Politik und Medien die Faxen dicke! Die Scheibe wurde vom Markt genommen und sofort wieder eingestampft. Einen Monat später kam sie dann abermals unter Virgen Records heraus, um rechtzeitig zum Jubiläum noch für Ärger zu sorgen. Sie erlangte angeblich Platz 1 der UK Charts, wurde aber auf Anordnung von Royalisten auf Platz 2 verschoben, um die ganze Sache nicht noch weiter anzufachen und die Queen nicht weiter bloszustellen.
Nachdem Sid Vicious Ende 1978 in New York angeklagt wurde, seine Freundin Nancy Spungen umgebracht zu haben, verstarb er 1979, noch vor der Verhandlung an einer Überdosis Heroin. Der Mord an Nancy Spungen konnte deswegen bis heute nie richtig aufgeklärt werden. Das gab der sowieso schon von finanziellen Desastern und Drogen zerrütteten Band den Todesstoß. Die Sex Pistols lösten sich 1979 auf, kamen 1996 noch mal für eine Welttournee zusammen, lösten sich wiederum auf, um immer wieder mal kurz ein Comeback zu feiern.
In den 80ern und Anfang der 90er boomte der Punk nicht nur bei den Jugendlichen, sondern auch endlich in den Verkaufskassen. Bands wie: Dead Kennedys, Misfits, Offspring, NOFX, Bad Religion, Green Day, Blink 182 und viele andere, reisten um die ganze Welt und spielten auf großen Festivals vor zigtausend Fans. Auch in der BRD schossen die Bands wie Pilze aus dem Boden. Vor allem die Namen dieser Gruppen waren erfrischend kurios und witzig. Neben den gängigen Combos wie: Toten Hosen Ärzte, Slime oder Abstürzende Brieftauben gab es auch weniger bekannte Bands wie: Hans-A-Plast, Popper-Klopper, Brausepöter, Sickerschacht, Einstürzende Neubauten, Slime, Kugelblitz im Eierbecher, Der KFC (Kriminalitätsförderungsclub), Zusammenrottung, Rasta-Knast, Blumen am Arsch der Hölle, Beton-Combo oder Schlepphoden.
Auch in der DDR entwickelte sich eine lebhafte Underground-Szene. Bands, die: Dritte Wahl, Schleimkeim, Ichfunktion, Rosa Extra, Wutanfall, Herbst in Peking, Planlos oder Feeling B. von denen die zwei Mitglieder Paul Landers und Flake Lorenz fünf Jahre nach dem Mauerfall die Gruppe Rammstein gründeten, bekamen immer mehr Anhänger. Als Frank Tröger (Trötsch) seine Punkband: "Die Firma" nannte, machte die STASI im solange das Leben schwer, bis er sich bereit erklärte, als "Inoffizieller Mitarbeiter des Ministeriums für Staatssicherheit" Informationen über die Punkszene zu liefern. "Die Firma" war nämlich ein ironisches Synonym für die STASI und diese hätte ohne weiteres niemals geduldet, dass sich bei all dem heimlichen Spott über diesen Apparat auch noch so eine Rotznasen-Band nach ihr benannte. Tröger war nicht der einzige, der involviert war, aber im Gegensatz zu anderen "V-Leuten" sammelte er belanglose Informationen, sprach die Leute an und gab sich hinter vorgehaltener Hand zu erkennen, was manche noch nicht einmal glaubten und nur darüber lachten. Andere "Spezis" zeigten da schon weit mehr Arrangement, wenn es darum ging, die Bandkollegen in die Pfanne zu hauen ... Diese Betrachtung über die Bespitzelungen der Szene in dieser Zeit ist fast nirgendwo aus diesem Blickfeld nachzulesen und mir mal auf einem Thüringer Festival von einem Musiker erzählt worden, der in den 80ern mit von der Partie war.
In den 90ern wurden Bands wie: Red Hot Chilli Peppers, Pearl Jam oder erst recht Nirvana kommerziell berühmt und der Punk, der jetzt Grunge hieß, wurde gesellschaftskonform und ein einträgliches Geschäft! Aber auch noch in dieser Zeit - als sei es ein böses Omen - erlebte die Szene immer wieder böse Rückschläge. Mit einer Überdosis Heroin und einem Kopfschuss wurde Nirvanas Frontmann Kurt Cobain 1994 in einem Raum über seiner Garage tot aufgefunden. Trotzdem er einen Abschiedsbrief hinterließ, glauben viele Fans heute noch, dass es kein Suizid gewesen ist. Punk blieb, was es immer war: Unberechenbar, unkontrolliert und eine skandalgeschwängerte Szene.
Nur heute, wo Punkbands wie Flogging Molly im rosa Oberhemd auf die Bühne kommen, scheint der Punk gebändigt worden zu sein, und somit seinen Sinn verloren zu haben. Daran ändert auch kein Wölfi Wendland von der Gruppe: "Die Kassierer" etwas, auch wenn er meistens unten ohne, dafür aber mit Flaschbier in der linken Hand zum Mikro humpelt oder sich die Bandmitglieder auf der Bühne gegenseitig die Zeigefinger in die After stecken, was zwar provokant erscheint, aber in der heutigen, abgebrühten Internetkultur keinen mehr zur Moralkritik aufschreckt. Ihre Lieder wie: "Blumenkohl am Pillemann" oder "Sex mit dem Sozialarbeiter" lassen einen aber doch immer wieder schmunzeln.
Doch Punk scheint längst überholt. Nach nunmehr 35 Jahren ist er zu einer aufgeblähten Revolutionshülle ohne Kern verkommen. Es müsste längst ein anderes Monster her. Doch härter als manche Bands wie zum Beispiel: Slipknot oder Korn scheint kaum möglich und auch witzlos zu sein. Fürchterlicher als Gwar oder Lordi auszusehen, wäre ebenfalls schwer hinzukriegen. Gesellschaftskritischer als Marylin Manson oder Ministry kann man sich eine Band auch nicht mehr vorstellen. Also ... was wird der Trend der Zukunft sein, der wie eine Bombe, die Verkrustungen unserer Musikkultur zerschmettert? Oder rollt die Rockszene weiter in vorgegebenen Schienen bis in die gefühlte Unendlichkeit vor sich hin, weil in der heutigen Internetkultur jeder von jedem beeinflusst ist und deswegen keine grundsätzlich neuen Ideen mehr geboren werden KÖNNEN! Ich habe keine Ahnung, aber eines weiß ich: Wenn es eines Tages DOCH mal wieder kracht, dann möchte ich gerne dabei sein!