Zum ersten und zum letzten Mal

Text

von  Cathleen

Zum ersten und zum letzten Mal

Du willst mich füttern wie ein Kind,
pürierst Gemüsebrei mit Rind,
das du mir durch die Sonde spritzt.
Als ob das jetzt noch etwas nützt.
Mach dich nicht fertig wegen mir,
ich bin ja jetzt schon kaum noch hier.
Aus meinen Knochen rinnt die Kraft,
da hilft auch kein Karottensaft.

Du lachst mich an und freust dich so:
Heut kam ich rechtzeitig aufs Klo,
das heißt, du brauchst den Lappen nicht.
Schon ein Erfolg aus deiner Sicht.
Und sag der Frau vom Ehrenamt,
ich will nicht Karten spieln, verdammt!
Sie hat doch sicher einen Mann,
der mit ihr Spiele spielen kann.

Ja, ja, ich tu dir damit weh,
dass ich nicht zur Bestrahlung geh,
stattdessen in die Kneipe flieh.
Die Zukunft? – Mensch, ich pfeif auf sie!
Käm ich hier raus statt in den Sarg,
blieb nur der Wohncontainerpark.
Das strikte Alkoholverbot
dort ist noch schlimmer als der Tod.

Der Tod nahm mich längst an die Hand.
Ich bitt’ dich, hab soviel Verstand
und halt mich nicht mit Tränen fest
hier im Hospiz, dem warmen Nest,
das für vier Wochen – sonderbar –
tatsächlich mein Zuhause war
zum ersten und zum letzten Mal.
Mach mir den Abflug nicht zur Qual.

Schreibt meinen Namen auf nen Stein
und legt ihn in die Vase rein
zu all den andern Steinen dort.
Es zieht mich gleich ins Dunkel fort.
Die mir vorausgeflogen sind,
spürn endlich keinen Gegenwind.
Wenn nun für mich die Kerze brennt,
dann wehe dem, der um mich flennt!

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