Verraucht

Erzählung zum Thema Abhängigkeit

von  Citronella

Wie hilft man jemandem in großer Not, der sich nicht helfen lassen will bzw. der nicht willens ist, selbst auch nur das Geringste zur Verbesserung seiner Lage beizutragen? Warum sollte man ihm überhaupt helfen?

Als Margot Mitte zwanzig war, schloss sie eine Lebensversicherung ab. Man müsse sich rechtzeitig fürs Rentenalter absichern, meinte sie. Ihre Freundin lachte sie aus. In dem Alter schon an die Rente denken? Sie lebten doch in sicheren Zeiten, hatten feste Jobs und unendliche Möglichkeiten, später noch Geld auf die hohe Kante zu legen.

Margot hangelte sich in den Folgejahren mit stupiden Bürojobs durchs Leben. In allen Bereichen fand sie immer den bequemsten Weg für sich. Sportliche Aktivitäten waren nichts für sie. Längere Partnerschaften hielt sie nicht durch, auch das war zu anstrengend.

Im Supermarkt kaufte sie stets nur das, worauf sie Appetit hatte, ohne auf den Preis zu achten. Die Ferienwohnung im Süden, die sie zusammen mit einem der wenigen Freunde gekauft hatte, die es länger als ein Jahr mit ihr aushielten, wurde nach einigen Jahren wieder verkauft. Die Beziehung war gescheitert, außerdem war ein Flug in den Süden zu anstrengend geworden.

Mittlerweile war sie stark übergewichtig und nicht mehr willens oder in der Lage, auch nur einen kleinen Spaziergang zu machen. Eine kurze Fahrt zum nächsten Supermarkt mit dem Fahrrad war das Äußerste, was sie noch bewerkstelligen konnte. Ansonsten saß sie zu Hause, wahrscheinlich meistens vor dem Fernseher, denn einen Internetanschluss besaß sie nicht. Der PC habe sie schon im Büro genervt, sagte sie.

Letztes Jahr musste sie sich dann einer größeren Gelenkoperation unterziehen und kam nicht wieder auf die Beine. Nach mehreren Wochen Krankenhausaufenthalt und Reha verfrachtete man sie nach Hause, zwei Sanitäter trugen sie in den 2. Stock. Dort rollert sie nun mit dem Rollator durch die Wohnung, ohne jemals wieder an die Luft zu kommen. Eine andere Wohnung im Erdgeschoss? Nein, niemals, dann müsste sie ja alles ausräumen, sagt sie. Abgesehen davon, dass es bei der momentanen Wohnungsnot sowieso fast unmöglich wäre, etwas Neues zu finden.

Interessen hat sie kaum – außer einer: Sie raucht wie ein Schlot. Nach Krankenhaus und Reha, wo sie sicherlich nur sehr eingeschränkt rauchen durfte, geriet sie zu Hause schnell wieder ins alte Fahrwasser.

Demnächst wird sie 80. Sie hat nun eine amtliche Betreuerin bekommen. Das Essen, der Arzt, die Friseurin, die Fußpflegerin, die Haushaltshilfe, der Pfleger, der ihr täglich eine Spritze gibt, kommen nun alle zu ihr nach Hause. Dass das alles viel Geld kostet, hat sie wohl nicht so recht bedacht. Plötzlich ist ihr Konto um mehrere tausend Euro überzogen, ohne dass sie es mitbekommen hätte, sagt sie. Ja, und dann muss sie kleinlaut zugeben, dass alle Ersparnisse auch schon restlos aufgebraucht sind. Sie spart jetzt, wo es geht, sagt sie, das „Essen auf Rädern“ habe sie schon abbestellt und ernähre sich künftig von Brot.

Der frühere Freund und seine Frau haben jetzt die Reißleine gezogen, als sie wieder mal um Zigaretten bat. Essen würde man ihr bringen, aber keine Zigaretten. „Solche Arschlöcher!“, sagt Margot. Dabei ist das Paar auch um die 80 und hat Margot jahrelang in vielen Dingen beigestanden. Und die Betreuerin? Die hat sie angeblich erst einmal in vier Monaten gesehen. Eine Bekannte vor Ort hat ihr fürs erste 1.000 Euro „geliehen“. Es ist davon auszugehen, dass sie dieses Geld wohl nie wiedersehen wird.

Die Freundin von früher ist längst in eine andere, weit entfernte Stadt gezogen. Sie ist ratlos, als sie am Telefon von Margots Misere hört. Geld wird nicht helfen, so lange Margot nicht wenigstens das Rauchen einstellt, denn bei mindestens drei Schachteln am Tag dürfte dies einer der größen Posten sein. In kurzer Zeit wäre geliehenes oder geschenktes Geld wahrscheinlich ebenso verbraucht/verraucht.

Wie also helfen, wenn die Betroffene nicht mithilft? Dass Margot mit 80 noch einmal zur Vernunft kommen wird, ist ziemlich ausgeschlossen. Wenn kein Wunder geschieht, wird sie die Wohnung nicht mehr lange halten können. Was dann kommt, verdrängt sie im Moment wohl vorerst erfolgreich. Die alte Freundin macht sich wahrscheinlich gerade mehr Sorgen als Margot selbst.



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Kommentare zu diesem Text


 Dieter_Rotmund (24.08.24, 19:55)
Das ist an sich keine Erzählung, denn Du erzählst nichts, es ist eher eine etwas langatmige Beschreibung, wie sie Uwesch/Sätzer z.B. auch gerne macht. Eine gute Stelle ist die einzige mündliche Rede.

 Citronella meinte dazu am 25.08.24 um 10:39:
Ja, so könnte man es bei oberflächlicher Betrachtung sehen.
Aber wenigstens  "Solche Arschlöcher" gefällt dir. Immerhin.

 Dieter_Rotmund antwortete darauf am 26.08.24 um 13:04:
Nun ja, die Stelle ist lebendig, der Rest macht einen etwas bleiernen Eindruck.
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